Das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) hat angeblich die Asche Ermordeter des Holocaust nach Berlin gebracht. Sie soll in einer 2,5 Meter hohen Säule aus Edelstahl eingegossen sein, die zwischen Bundestag und Bundeskanzleramt aufgestellt wurde.
Christoph Heubner, Vize-Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, kritisierte in der "Jüdischen Allgemeinen", "dass mit diesem Mahnmal ihre Empfindungen und die ewige Totenruhe ihrer ermordeten Angehörigen verletzt werden." Das Berliner Büro des "American Jewish Commtitee" nannte auf Twitter die Aktion "eine skandalöse Störung der Totenruhe. Die Asche der Ermordeten eignet sich ebenso nicht für schiefe historische & politische Vergleiche. Die Opfer werden so nochmal entwürdigt & entmenschlicht."
"Ihr werdet keine homogene Entscheidung unter den Angehörigen von Holocaustopfern dazu finden, ob man ihre Asche als Säule verewigen darf", schreibt hingegen Comedian Shahak Shapira auf Facebook. "Ich weiß nur folgendes: die Nazis haben den Menschen in den Lagern gesagt, dass die Welt niemals mitbekommen wird, was mit ihnen passiert. Deshalb wurden diese Menschen erst zu Asche. Mein Großvater hat nie über den Holocaust gesprochen, aber es war ihm und zehntausenden anderen Überlebenden trotzdem wichtig, ein Testament in Yad Vashem zu hinterlassen und ihre Geschichten vor der Vergessenheit zu retten. Es ist einfach, Instrumentalisierung vorzuwerfen. Ist ein leerer Vorwurf. Natürlich instrumentalisierst du die Geschichten der Opfer, damit sie nicht aussterben."
Jan Kedves findet in der "Süddeutschen Zeitung" die Aktion aus den gleichen Gründen gelungen: "Das ZPS kann sich, trotz eventueller Vorwürfe der Pietätlosigkeit, darauf berufen, dass es Opfern des Holocausts und Widerstandskämpfern wie dem 1944 ermordeten Salmen Gradowski, zu Lebzeiten noch gelang, Notizen zu hinterlassen, in denen sie die Nachwelt instruierten, nach ihrer Asche zu suchen und mit ihr das Gedenken an die Millionen Ermordeten wachzuhalten." Einen Einwand hat Kedves aber doch: "Die Frage wäre heute wohl eher, ob die Nachfahren jüdischer Holocaust-Opfer Anstoß daran nehmen könnten, dass die Überreste ihrer Vorfahren hier, eingegossen in von innen beleuchtetem Klarsichtharz, auch deutlich an eine katholische Reliquienmonstranz erinnern?"
Hannah Bethke kritisiert in der "FAZ" nicht, dass das ZPS an die Opfer erinnert, sondern mit der Stele auch eine Aussage über die Gegenwart treffen will. Die Aktion richtet sich nämlich ganz direkt gegen die AfD und die CDU, die keine Regierung mit Hilfe oder mit Duldung der AfD bilden soll, solange die Partei "von Verfassungsfeinden, Holocaust-Leugnern und Faschisten dominiert wird", wie das Künstlerkollektiv schreibt. Damit will man "mit aller Kraft der neuen Gestalt Hitler-Deutschlands und ihren konservativen Helfern" entgegentreten.
Hannah Bethke findet das falsch: "Wer solche sachlich falschen Verbindungen zur politischen Gegenwart konstruiert, verharmlost die NS-Zeit, verhöhnt den Konservatismus und wird am Ende die AfD stärken, anstatt sie zu besiegen." Und: "Die ideologische Verblendung dieser selbsterklärten Widerstandskämpfer ist schwindelerregend."
Patrick Wildermann begrüßt hingegen im "Tagesspiegel" die Säule und den Aufruf, am kommenden Samstag einen "zivilgesellschaftlichen Zapfenstreich gegen die AfD" (ZPS) zu veranstalten, als "Einladungen, Kunst als Wirkmacht zu begreifen. Sie kann in einem Klima helfen, in dem die politischen Talkshows versagen und sich ein seltsamer Mehltau über die Debatte gelegt hat, wie ein Zusammenleben als Zivilgesellschaft künftig ausschauen könnte."
Der Grünen-Politiker Volker Beck teilte auf Twitter mit, dass er Strafanzeige beim Staatsschutz wegen Störung der Totenruhe gestellt habe.