Nest aus Nairobi wissen, wie wichtig es ist, Strukturen zu schaffen. Und sei es als Dancefloor. 2018 begannen sie damit, Partys für Frauen zu veranstalten – ob cis, gay oder trans –, und sicherten ihnen damit einen Ort für Tanzen und Spaß. Die "Strictly Silk"-Partys wurden legendär, denn in Kenia ist Homosexualität immer noch geächtet.
Bekannt wurde das Nest Collective international mit der Filmanthologie "Stories Of Our Lives", die vielfach ausgezeichnet wurde, aber in Kenia selbst verboten ist. Die Geschichten drehen sich um aufregende oder angespannte Momente in den Leben queerer oder bisexueller junger Menschen. Die bislang weitgreifendste Struktur, die Nest auf die Beine gestellt hat, ist Heva, eine Stiftung zur Förderung der Kreativindustrie Kenias.
Eins der Mitglieder ist der Modetheoretiker und Produzent Sunny Dolat. "Design aus Afrika hatte lange Zeit immer wieder einen gewissen Moment, ein Zeitfenster, das in der Regel nicht länger als ein paar Monate anhält, bevor das Rad sich weiterdreht und der Kontinent wieder fünf bis acht Jahre warten muss, um erneut als angesagt zu gelten", sagt er.
"Afrikanische Kreative dauerhaft schätzen lernen"
"Diese Momente sind für mich immer bittersüß, denn ein Teil von mir freut sich aufrichtig für die Menschen, die zu diesem Zeitpunkt von den Möglichkeiten profitieren können. Aber ich bin mir auch der Flüchtigkeit dieser Momente bewusst, die zweifellos vorübergehen werden, und wir müssen wieder einige Jahre warten, bis wir wieder 'hot' sind. Ich hoffe, dass der globale Norden bei all den Gesprächen, die im Laufe der Jahre geführt wurden, gelernt hat, die Kultur und Ästhetik eines Kontinents nicht auf einen 'Moment' zu reduzieren, sondern stattdessen Wege zu finden, um sicherzustellen, dass Afrika und die afrikanischen Kreativen dauerhaft geschätzt werden."
Auf der Documenta fifteen zeigt Nest nun die Installation "Return to Sender" aus gebrauchten Textilien und Elektroschrott auf der großen Karlswiese vor der Orangerie in Kassel. In einer Hütte aus Stoffballen läuft der Film "Return to Sender – Delivery Details", der sich mit dem problematischen Weg von Altkleidern aus dem globalen Norden nach Afrika beschäftigt. Viele der gespendeten Kleidung ist unbrauchbar und landet auf den Müll, die brauchbare Kleidung verhindert den Aufbaue einer heimischen Textilindustrie. Ein Film, der anhand von Experteninterviews die ganze ökonomische und ökologische Komplexität des Wirtschaftszweiges auffächert. Unbedingt anschauen!