Nachruf auf Editionen-Produzent Peter Fabian

Ein Idealist im Hintergrund

Die große Zeit der Auflagenkunst war vorbei, als der Journalist Peter Fabian mit "Artikel Editionen" ins Geschäft einstieg. Doch sein Berliner Verlag wuchs auf ein stattliches Gesamtwerk an. Jetzt ist der leidenschaftliche Kunst-Ermöglicher gestorben

Wenn man Peter Fabian in seiner Werkstattbürowohnung im Hinterhof der Potsdamer Straße 73 in Berlin besuchte, musste man unweigerlich vorbei an einem Bestattungsinstitut, in dessen Fenster sich ein merkwürdiges Exponat befindet. Auf einer Staffelei zwischen den Urnen steht ein Wackelbild aus aufkaschierter Lentikularfolie, das die Tätowierung "THE END" auf dem rechten Augenlid des Totalkünstlers Timm Ulrichs aus dem Jahr 1970 zeigt. Je nach Blickwinkel ist das Lid geschlossen oder geöffnet. Die zugehörige Postkarte gab es im Onlineshop von Peter Fabians "Artikel Editionen" handsigniert für zehn Euro zu kaufen ("demokratische Preise" nannten er und Ulrichs das – Die Kunst sollte ja unter die Leute).

Wie man so etwas produziert, wusste Peter Fabian oder fand es heraus, wie er auch für Ottmar Hörls "UNSCHULD"-Seife, die wohl jeder schon einmal in Händen hielt oder zumindest im Museumsshop gesehen hat, einen Seifensieder in den Niederlanden fand, der langlebige schwarze Seife mit Buchstabenprägung produzieren konnte. Das Handwerk des Editors ist es, Lösungen zu finden und zu produzieren, wo Künstler und Künstlerinnen nur mit einer Idee um die Ecke kommen. 

Die Idee, Kunstwerke auch für Schichten erschwinglich zu machen, die qua Geldbeutel sonst keinen Zugang hätten, indem man ihre Aura in großer Auflagenhöhe verdünnt, wird dieser Tage genau 100 Jahre alt. Als Teil der "Kunsterziehungsbewegung" gründete sich 1925 in Hamburg die "Griffelkunst"-Vereinigung, die bis heute in einer Art Abomodell Druckgrafik günstig unter den Mitgliedern zirkuliert. Eine Hochzeit – passend zum Zeitgeist – hatte die Auflagenkunst in den 1970ern, als mit Klaus Staeck, René Block, Wolfgang Feelisch und Jörg Schellmann Editoren auf den Plan traten, deren Namen als Gütesiegel selbst so viel Strahlkraft entfalteten, dass sie als veritable Ko-Künstler auftraten; legendär etwa die überaus produktive Verbindung zwischen Staeck und Beuys.

Ein stiller Nachzügler

Insofern war Peter Fabian ein stiller Nachzügler, ein Idealist im Hintergrund, ohne jegliche Starallüren. Seinen Ein-Mann-Bauchladen "Artikel Editionen" eröffnete der aus Wien stammende Wahlberliner erst 1995 mit den Zugpferden Timm Ulrichs und Ottmar Hörl. Im Laufe der Zeit kamen über 40 weitere Namen dazu, darunter Bazon Brock, Margarete Eicher, die Fotografin Angelika Platen, der Bananensprayer Thomas Baumgärtel oder der konkrete Dichter Eugen Gomringer. 

Im Gartenhaus neben der Joseph-Roth-Diele schlummert so, wo nicht vergriffen, akribisch im Regalraster abgelegt ein stattliches Gesamtwerk aus über 500 Multiples, Motiven und Auflagenobjekten. Auch wenn das Portfolio eklektisch wirken mag, verbindet die Positionen (und die stets in enger Zusammenarbeit entstandenen Editionen) ein gewisser intellektueller Twist, den der gelernte Journalist und im Herzen Ur-Wiener quasi von Haus aus mitbrachte – oftmals war der gemeinsame Nenner etwas, das zumal in der deutschen Gegenwartskunst sehr selten ist: Humor.

Auf Facebook veröffentlichte Fabian bis zuletzt geschliffene Miniaturen über Künstler, Kunstwerke und das Leben. In der Nacht auf vergangenen Samstag ist Peter Fabian, wie er es wollte, in seiner Werkstattbürowohnung gestorben. Auch wenn der Shop derzeit nicht funktioniert, bis der Nachlass geregelt ist, kann man unter artikel-editionen.com sein Lebenswerk der vergangen drei Jahrzehnte betrachten und würdigen.