Debatte

Museumsstreit in Polen: Westerplatte als "historisches Disneyland"?

Erneut streiten Danzig und Polens Regierung um ein Museum: Warschaus Nationalkonservative wollen ein neues Westerplatte-Museum errichten. Örtliche Behörden und Historiker befürchten eine einseitige Interpretation von Geschichte

Rund zwei Monate vor dem 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs streiten Polens Regierung und die Danziger Stadtbehörden um die Westerplatte - das Symbol des deutschen Überfalls auf Polen. Warschaus nationalkonservative Regierung treibt ein Gesetz voran, mit dem sie auf der Halbinsel, die bisher größtenteils vom oppositionell regierten Danzig verwaltet wird, ein Museum errichten kann.

Danzig und Historiker fürchten, die Regierenden wollten den historisch bedeutenden Ort ähnlich wie schon das Danziger Museum zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs übernehmen, um die Geschichtsdarstellung zu beeinflussen und für ihre politische Zwecke zu nutzen. Im Vordergrund könnte möglicherweise ein einseitiger polnischer Patriotismus stehen.

Der Beschuss des polnischen Munitionslagers auf der Westerplatte durch das deutsche Marineschiff "Schleswig-Holstein" am frühen Morgen des 1. Septembers 1939 leitete den deutschen Angriff auf Polen und damit den Beginn des Zweiten Weltkriegs ein. Nach Kriegsende wurde die Verteidigung der bewaldeten Halbinsel bei Danzig (Gdansk) in Polen zur Heldenlegende, die vor allem an den Widerstand gegen die deutsche Übermacht erinnert. Seit 1966 steht auf der Westerplatte ein 25 Meter hohes Granit-Denkmal.

PiS setzt neue Akzente in Polens Geschichtspolitik

Aus Sicht von Polens seit 2015 regierender nationalkonservativer Partei Recht und Gerechtigkeit PiS wird dies dem Gedenkort nicht gerecht. Das Heldentum der polnischen Soldaten bei der Verteidigung der Halbinsel sowie die Bedeutung für Polen während und nach dem Krieg werde zu wenig hervorgehoben, heißt es in einer Begründung für das von ihnen vorangetriebene Gesetz. Die Stadt Danzig habe den Ort jahrzehntelang vernachlässigt, kritisiert Vize-Kulturminister Jaroslaw Sellin nach Angaben der Agentur PAP. "Besucher verlassen diesen Ort beschämt", meint er.

Nach einem Rechtsruck 2015 setzt die PiS in Polens Geschichtspolitik neue Akzente. Die Regierenden propagieren Werte wie nationale Identität und Patriotismus. Nach ihrer Machtübernahme kreideten sie auch beim Danziger Museum zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs die fehlende polnische Perspektive an - die Polen als Opfer der Nazis und Helden im Untergrund sowie an der Front. Nach einem jahrelangen Streit wechselten sie 2017 schließlich die von der Vorgängerregierung Donald Tusks berufene Museumsdirektion aus und nahmen Änderungen an der Ausstellung vor.

Der abberufene Leiter des Museums, der Historiker Pawel Machcewicz, sagt, in den vorgenommenen Veränderungen werde der Fokus auf eine militärische Sicht des Kriegs gesetzt. So zeige ein ausgewechselter Film polnische Soldaten im Kampf, erzählt er der Deutschen Presse-Agentur dpa. "Das Museum, das ich geschaffen hatte, wurde wegen seines angeblich zu pazifistischen Charakters kritisiert und dafür, dass es sich auf die Schicksale der Zivilbevölkerung konzentriert."

Absage an einen Dialog

Den damaligen Konflikt um sein Museum bezeichnet Machcewicz als einen "Krieg". Das Vorgehen der Regierenden bei der Westerplatte bewertetet er ebenfalls kritisch. "Das Gesetz ist Ausdruck der sehr konfrontativen, geradezu autoritären Politik der PiS-Regierung, die keine Partner im Bereich der Geschichtserziehung oder der Geschichtspolitik zulässt."

Die bisherigen Pläne für den Gedenkort Westerplatte sieht der Geschichtsexperte sogar als Gefahr für dessen Authentizität. "Denn statt die Spuren der Kämpfe von 1939 zu erhalten und hervorzuheben, sollen dort die Gebäude, die vor dem 1. September 1939 standen, wieder aufgebaut werden", sagt Machcewicz und warnt: "Es soll ein historisches Disneyland entstehen."

Die Nationalkonservativen können die Sorgen der Kritiker um die Zukunft der Westerplatte indes nicht verstehen. Schließlich bot die Regierung der Stadt Danzig Mitspracherecht bei der Konzeption des neuen Museums an, heißt es in einer Mitteilung des Kulturministeriums.

Dieses Angebot sieht die Danziger Bürgermeisterin Aleksandra Dulkiewicz allerdings skeptisch. "So eine Zusammenarbeit sollte partnerschaftlich sein und so ist es leider nicht", sagt sie der dpa. Das Gesetz, mit dem Teile der Westerplatte aus der Danziger Verwaltung an den Fiskus übergehen, wertet sie als Absage an einen Dialog, der ihrer Meinung nach unter anderem mit Geschichtsexperten und Bürgern geführt werden müsste. "Es ist schwer, so einen Dialog zu führen, wenn das Terrain bereits übernommen worden ist."