Museumsdirektor Frédéric Bußmann

"Karlsruhe ist näher an Paris als an Berlin"

Frédéric Bußmann wird neuer Leiter der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Ein Gespräch über seine Vorhaben, die Lehren aus Corona und das Arbeiten in der Mitte Europas 

Herr Bußmann, nach fünf Jahren als Generaldirektor der Kunstsammlungen Chemnitz wechseln Sie nun nach Karlsruhe. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe ist eines der großen und traditionsreichen Museen in Deutschland, verfügt über eine fantastische Sammlung und große internationale Reputation. Neben den herausragenden alten Meistern und dem Kupferstichkabinett liegt einer der Sammlungsschwerpunkte auf französischer Kunst, was mich beruflich immer interessiert hat, aber auch privat, da ich in Paris geboren wurde. Karlsruhe liegt näher an Paris als an Berlin! Ich wäre durchaus gerne noch in Chemnitz geblieben, aber jetzt bot sich diese Chance, und tatsächlich ist die Kunsthalle eines der Museen, auf die ich schon sehr lange große Lust habe.
 

Sie wechseln auf eine Baustelle – haben Sie schon Ideen, wie Sie die Zeit der sanierungsbedingten Schließung der Kunsthalle über­brücken wollen?

Ich sehe die Sanierung auch als Chance, Sachen auszuprobieren, die man sonst vielleicht nicht machen würde. Dass man in die Stadt geht, dass man ephemere Sachen macht, um die Menschen anders zu erreichen. Eine Art Experimentierphase, in der wir das Verhältnis von Museum und Stadt auf eine neue Art denken können. Wir wollen das Stamm­publikum halten und neues dazuge­winnen, indem wir neue Nachbarschaften bilden und uns noch stärker öffnen. Abgesehen davon gibt es jetzt aktuell eine Sammlungsausstel­lung im ZKM, es gibt die Junge Kunsthalle und die Orangerie als Spielorte, es gibt bereits sehr gute digitale Angebote – also unsichtbar ist die Kunsthalle sicher nicht.

Im Zuge der Coronakrise kam auch immer wieder die Frage nach der Relevanz der Museen auf. Wie beantworten Sie diese Frage, welche Rolle sollte eine Institution wie die Kunsthalle spielen?

Durch Corona haben wir gemerkt, dass die Relevanz der Museen vielleicht gar nicht von der Politik oder der Gesamtgesellschaft in gleichem Maße gesehen wird. Insofern ist das auch ein guter Moment, um uns selbst, unsere Arbeitsweise und Relevanz zu befragen. Damit meine ich nicht nur die gesellschaftliche, sondern auch die individuelle Relevanz. Die Menschen wollen ja auch Lust haben, ins Museum, Kino oder Theater zu gehen – sonst bleiben sie zu Hause und streamen eine Serie. Wir müssen uns um das Publikum bemühen, ein attraktives Angebot machen. Man darf sich nicht scheuen, im besten Sinne populär sein zu wollen, nicht populistisch. Es kann aber nicht darum gehen, immer nur auf teurere und spektakulärere Ausstellungen zu setzen, das funktioniert weder ökonomisch noch ökologisch. Das Museum ist ein Ort der Kunst und Kultur, von höchster Qualität, die vor Ort und miteinander erlebt werden sollen. Es ist damit ein sozialer und gesellschaftlicher Ort, offen für die ganze Stadtgesellschaft.
 

Können Sie schon konkrete Ausstellungsideen oder Schwerpunktthemen nennen, die Sie angehen wollen?

Ich habe das große Glück, in Karlsruhe auf eine lange Tradition eines exzellenten wissenschaftlichen und kuratorischen Niveaus zurückgreifen zu können, und diese Tradition soll mit neuen Impulsen weitergeführt werden. Die Nähe zu Frankreich wird sicher eine Rolle spielen. Und ich würde gerne die Nachkriegszeit und die Gegenwart stärker in den Blick nehmen. In den Fokus sollte auch die Fotografie rücken, die ja als Sammlungsgebiet neu hinzugekommen ist. Ebenso denke ich an die Vermittlung, Karlsruhe ist ja hier mit der Gründung der Jungen Kunsthalle, damals noch Kindermuseum, vor 50 Jahren ein Pionier gewesen. Gleichzeitig haben wir mit den anderen Kunst- und Kulturinstitutionen auch ein Gesamtgefüge in der Region, in das sich unser Programm und Profil einfügen muss. Aber es ist zu früh, hier nun konkrete Projekte vorzustellen, die Programmatik werde ich mit dem Team zusammen präzisieren.
 

Gibt es jenseits der Kunst etwas, worauf Sie sich besonders freuen? 

Ich freue mich, in der Mitte Europas zu sein, Frankreich, Luxemburg, Italien, die Schweiz liegen ja alle nicht weit entfernt. Ich freue mich wahnsinnig auf die Stadt und die Menschen dort. Mein erster Eindruck ist, dass Karlsruhe eine sehr freundliche, von Wissenschaft und Kultur geprägte Stadt ist. Ich freue mich auf die neuen Kolleginnen und Kollegen – im Museum, aber auch in den Nachbarinstitutionen. Das ZKM hat ja ebenfalls eine neue Leitung bekommen, wir werden uns hier konstruktiv austauschen und für Stadt und Land etwas bewegen. Die Nähe zu Frankreich gefällt mir nicht zuletzt auch aus kulinarischen Gründen – der Wein, das Essen, da bin ich ganz Lebemensch.       

 

Dieser Text ist zuerst im Monopol-Spezial Art Karlsruhe 2023 erschienen