Angenommen das Museum wäre nicht nur Sammlung, Ausstellung, Archiv oder Thinktank, sondern ein Organismus, der im Austausch mit seiner Umwelt steht. Der Einflüsse von außen aufnimmt und in Materie umwandelt – gedachte, kuratierte, geschriebene. Ein Körper, der atmet, sich verändert, sich öffnet und verschließt. Dieses Gedankenspiel, angelehnt an den Begriff der trans-corporeality, den die Philosophin Stacy Alaimo in den 90er-Jahren geprägt hat, um gegenseitige Abhängigkeit von menschlichen und nichtmenschlichen Körpern zu hinterfragen, ist die Grundlage für die gleichnamige Ausstellung in Köln.
Stellt man sich das Museum Ludwig als Körper vor, dann ist sein Mund das Eingangsfoyer im Schatten des Doms. Ein durchlässiger Transitraum, durch den Besucher ein- und ausströmen. Das Foyer ist für eine Ausstellung der wohl schwierigste Raum im Haus, im Durchzug zwischen Garderobe, Schließfächern und Museumsshop, mit dem haustypischen roten Ziegelboden. Es ist ein mutiger Entschluss von Kuratorin Leonie Radine, ihn als Spielfläche zu nutzen.
Die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler dehnen den Begriff der Körperlichkeit in viele denkbare Richtungen aus. Oscar Murillos Arena-Architektur wird bevölkert von Puppen, "Human Resources", zwischen denen die Besucher Platz nehmen und auf die Bühne schauen können, auf der während der Laufzeit das Rahmenprogramm stattfindet. Jesse Darling verwandelt Schließfächer in Vitrinen, trashig-traurige Erinnerungsschreine, die auf die Legende der Stadtpatronin St. Ursula und das Schicksal der 11 000 Jungfrauen Bezug nehmen. Deren Reliquien werden unweit des Museums verehrt.
Seit einigen Tagen öffnet sich das Haus für ein Tanzsymposium mit Nick Mauss (alle Termine hier), der einen sehenswerten Raum inmitten der Sammlung eingerichtet hat. Tänzer treten Werken aus der Sammlung und seinen eigenen Arbeiten gegenüber, und "Dancer of the Year" Trajal Harrell wird am Samstag noch einmal seine gleichnamige Performance aufführen.
Wie kann ein Haus sich für alle Menschen öffnen? Die Ausstellung im Foyer des Museums kostet keinen Eintritt, sie stellt eine Basis her für die ungelösten institutionellen Fragen nach Zugänglichkeit. Wenn damit auch nach innen reflektiert wird, wie ein Museum als Körper, der Kunstgeschichte prägt, schreibt und kanonisiert, empfänglich für Einflüsse und Ansätze von außen werden kann und sich als handelnder Organismus begreift, kann die Ausstellung viel erreichen.