Das Museum Fünf Kontinente in München hat bei einem Forschungsprojekt rund 50 Gegenstände aus seiner Sammlung als mögliche koloniale Raubkunst identifiziert. Sie stammten nach vorläufiger Einschätzung aus problematischen Erwerbsumständen, teilte das Museum am Freitag in München mit, wo die Ergebnisse am Abend in einer Online-Veranstaltung präsentiert werden sollten.
Noch unklar ist die Provenienz des hölzernen Blaue-Reiter-Pfostens, den die Künstlergruppe Blauer Reiter 1912 in ihrem Almanach abgebildet hat. In dem vermuteten Herkunftsgebiet der Skulptur in Kamerun seien die Forschungen wegen bürgerkriegsartiger Verhältnisse sehr schwierig und zum Teil unmöglich gewesen.
Das Projekt war zuletzt in die Schlagzeilen geraten, weil ein Forscherteam aus Kamerun nicht zum Abschlusstreffen einreisen durfte. Die Forscher rund um den Kulturwissenschaftler Albert Gouaffo von der Universität Dschang und Karin Guggeis vom Museum Fünf Kontinente hatten seit November 2019 die Provenienz von rund 200 Objekten der Sammlung Max von Stettens untersucht. Ende des 19. Jahrhunderts hatte dieser in Kamerun eine Kolonialtruppe des Deutschen Kaiserreiches kommandiert und dem Museum zahlreiche Objekte geschenkt.
Restitutionen geplant
Nach derzeitigem Stand seien einige Gegenstände im Rahmen von Militäraktionen, so genannten Strafexpeditionen, in den Besitz von Stettens gelangt, teilte das Museum mit. Andere Objekte seien dagegen mit großer Wahrscheinlichkeit legitim erworben worden. Als problematisch stuften die Forscher unter anderem zwei sakrale oder kultisch verwendete Figuren, drei Blashörner, zwei Rindenbastklopfer und zahlreiche Waffen ein. Was mit diesen Objekten geschieht, wird nach Museumsangaben noch geklärt. Bayerns Kunstminister Bernd Sibler (CSU) versprach, man werde die Sachen restituieren, wenn die Forschung ergebe, dass sie auf rechtlich oder ethisch nicht mehr vertretbare Weise in die Sammlung gelangt seien. Die Aufarbeitung des Kolonialismus sei eine zentrale kulturpolitische Aufgabe.
Zum Projektabschluss sollten eine Forscherin und zwei Forscher aus Kamerun nach München reisen. Nach Angaben des Außenministeriums konnten ihnen aber keine Visa erteilt werden, weil erforderliche Unterlagen nicht vorgelegt wurden. Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy kritisierte daraufhin, die restriktive Visa-Politik Deutschlands konterkariere "einmal mehr die Forschung aus Objekten zu kolonialen Kontexten". Man brauche eine Visa-Politik, die transnationale Kooperationen ermögliche.
Für das Museum kam die Einreiseverweigerung überraschend. Bei einem sensiblen Thema wie der Aufarbeitung von kolonialem Unrecht sei der persönliche Austausch von größter Bedeutung, sagte eine Sprecherin. Die intensive Zusammenarbeit sei "das Herzstück der postkolonialen Provenienzforschung".