Monopol-Podcast "Kunst und Leben"

War Nan Goldin der Stresstest für die deutsche Kunstwelt?

Bei ihrer Ausstellungseröffnung in Berlin sorgte die Künstlerin Nan Goldin mit einer Rede zum Nahostkrieg für Empörung, aber auch Zustimmung. War das eine Wende in der deutschen Debatte? Wir besprechen den Fall noch einmal im Monopol-Podcast "Kunst und Leben"

Es ist wohl die meistdiskutierte Ausstellung des Jahres: die Retrospektive der US-Fotografin Nan Goldin in der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Kontrovers ist jedoch nicht die Kunst der 71-Jährigen, sondern ihre Haltung im Nahostkrieg: Sie kritisiert die Militäreinsätze Israels in Gaza und im Libanon scharf und nennt unter anderem das Vorgehen des Staates gegen die Palästinenser einen "Genozid". Schon im Vorfeld gab es Streit um ein geplantes Symposium des Museums, bei der Eröffnung hielt Goldin eine Rede, in der sie erneut Israel und auch Deutschland wegen seiner Waffenlieferungen schwere Vorwürfe machte. Eine Gegenrede von Nationalgalerie-Direktor Klaus Biesenbach, in der er seine Solidarität mit den Opfern des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober 2023 und das Existenzrecht Israels bekräftigte, wurde von propalästinensischen Demonstranten übertönt. 

In der aktuellen Folge des Monopol-Podcasts "Kunst und Leben" greifen wir den Eklat noch einmal auf und fragen, wo die deutsche Kulturbranche in der Debatte zu Antisemitismus und Meinungsfreiheit gerade steht. Nan Goldin habe die Rede bewusst als Test für die Kunst- und Meinungsfreiheit betrachtet, sagt Redakteurin Saskia Trebing, die an dem Abend vor Ort war. Dass die Ausstellung in einem der wichtigsten staatlichen Museen weiterhin offen und Klaus Biesenbach noch im Amt sei, zeige, dass der pauschale Zensurvorwurf mancher Aktivisten nicht stimmt. Nun gelte es, dieses Signal ernstzunehmen und die Kontroversen offen auszutragen, die bei dem Thema auch weiterhin zu erwarten seien. Jedoch habe die deutsche Debatte seit den Skandalen um die Documenta 2022 und die Berlinale in diesem Frühjahr Zeichen von Bewegung gezeigt, Forderungen nach Schließung der Schau oder Entzug von Fördermitteln habe es diesmal nicht gegeben.

Auch, dass das Symposium schließlich in geordnetem Rahmen habe stattfinden können, sei ein positives Zeichen, sagt Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr, die eins der Panels moderiert hat. "Man hatte am Ende keinen Konsens, aber man hatte die Möglichkeit, dass beide Seiten sprechen", erzählt sie. Trotzdem gibt es weiter große Uneinigkeit über die im Bundestag verabschiedete neueste Antisemitismus-Resolution, die zwar juristisch nicht bindend sei, Kunsthäuser aber vor große Schwierigkeiten stelle und teilweise im Konflikt zum Recht auf freie Meinungsäußerung stehe.

Zwischentöne in der Kunst

Zuletzt geht es in "Kunst und Leben" auch um die eigentliche Ausstellung von Nan Goldin, die in der ganzen politischen Aufregung ein wenig unterging. Im Werk der Fotografin sei die Kunst von Aktivismus nicht zu trennen, sagt Saskia Trebing, die auch eine ausführliche Review der Schau für Monopol geschrieben hat. Allerdings sei die Atmosphäre der Ausstellung von Empathie und Zwischentönen geprägt - also genau den Komponenten, die der Debatte um Goldins politische Haltung gefehlt habe. 

"Kunst und Leben" ist ein Monopol-Podcast in Kooperation mit Detektor.FM. Zweimal im Monat behandeln wir darin alles, was die Kunstwelt bewegt, schauen hinter die Kulissen, lassen Kuratorinnen und Künstler zu Wort kommen und erfahren Exklusives zu ihren Arbeiten und Perspektiven. Den von Aileen Wrozyna moderierten Podcast können Sie auf allen gängigen Plattformen hören und abonnieren, oder direkt hier: