Kommentar

Wer befreit die Mode von der Meme-Kultur?

Die Emojisierung der Welt verflacht auch die Mode. Schnitte und Stoffe? Zunehmend egal. Was zählt, sind Prints und einfache Bildzeichen. Wie Internetkultur und Eleganz doch noch zusammenfinden können, haben jetzt Viktor & Rolf vorgeführt

Schon vor drei Jahren klang Guy Trebay, Modekritiker der "New York Times", einigermaßen genervt: "Gibt es überhaupt noch irgendeinen Modedesigner, dessen kreativer Prozess nicht beeinflusst ist von den mysteriösen Algorithmen der Google-Bildsuche? Wahrscheinlich nicht!" Trebay sah in mit Donald Duck bestickten Gucci-Pullovern und mit "zufälligen Motiven, wie etwa Wassermelonen, Sombrero oder Buddha" bedruckter Prada-Kleidung einen weiteren Beleg dafür, wie die Leute in der Internet-Ära Kultur konsumieren, wie sie "nach Bildern und Informationen stöbern, entweder ignorant oder agnostisch gegenüber den Quellen der Zeichen und Symbole, Referenzen und Ideen". Einen Kritiker, dessen Beruf doch das Lesen von Zeichen und Referenzen ist, kann diese Entwicklung ganz schön aus dem Tritt bringen.

Die digitale Kommunikation und die Schwemme an Emoticons, Emojis, anderen einfachen Bildzeichen und Slogans haben seither in der Mode mehr und mehr Spuren hinterlassen, in der High- genauso wie in der Fast-Fashion. Mit der Frühjahr/Sommer-Kollektion 2019 von Viktor & Rolf, die jetzt auf der Pariser Modewoche vorgestellt wurde, hat dieser Trend nun auch die Haute Couture erreicht. In den 17 Looks der "Fashion Statements" betitelten Schau sah das Publikum viel Tüll, viel Farbe, ausladende, opulente Schnitte - und eben Statements und Zeichen, die von der Meme-Kultur des Internets inspiriert sind. Auf einem Kleid stand "Ich bin nicht schüchtern, ich mag dich nur nicht", auf einem anderen "Sorry, ich bin spät dran, aber ich wollte eigentlich gar nicht kommen" auf einem weiteren nur "NO".

Es sind einfache Statusmeldungen, die in der nächsten Sekunde von anderen abgelöst werden können. Während das Markenlogo als "heruntergekommenste kommerzielle Version der individuellen Geste" (Diedrich Diederichsen) immerhin noch ein Statement war, taugen Emojis, Sprüche und andere Embleme der Internetkultur nicht mal mehr zur Distinktion.

Ach ja, die viel beklagte Macht des Logos! In den 90er-Jahren verdrängten und unterwanderten Designer wie Martin Margiela mit Minimalismus und Raffinesse die Logik des Logos – und bewiesen am Ende nur dessen Verführungskraft. Für Marken wie Vetements und Balenciaga ist das Logo heute nur noch ein Zeichen unter vielen. Es kann genauso wie Schnittmuster beliebig kopiert und bearbeitet werden: "Es gibt keine Subkulturen mehr. Es geht nur noch um den Remix", sagte Vetements-Chefideologin Lotta Volkova einmal.

Bislang erwarteten die Konsumenten von Modeschöpfern Autorität in Geschmacksurteilen. Heute aber werfen diese wahllos Zeichen und Bedeutung in den Raum und schauen, was sich viral durchsetzt. Darin ähneln sie Online-Journalisten oder Startup-Unternehmern, die massenhaft Firmengründen, in der Hoffnung, dass eine davon der Mega-Erfolg wird. Kleidung muss jetzt selbst die Form eines Memes annehmen, um erfolgreich im Internet verbreitet und verkauft werden zu können.

Schnitte und Materialität, das Skulpturale der Mode, werden dadurch entwertet. Viktor & Rolfs neueste Kollektion ist wie ein Aufbegehren gegen diesen Trend, ein letzter Versuch, das Flache der Meme mit dem Volumen der Mode zu versöhnen. Völlig zu Recht ist deshalb eines der Kleider nach nur drei Tagen in einer Museumssammlung gelandet.

Einst machte die Kleidung den menschlichen Körper zum Zeichen, indem er ihn mit Symbolgehalt auflud und verdinglichte. Bedeutung wurde im Tragen der Mode generiert, im Gebrauch ergaben sich Kontext, Sinn und Stil. Heute benötigen die Kleider die Körper gar nicht mehr. Sie verweisen mit ihrer Emojihaftigkeit auf die endlosen Echokammern des Internets, die keine Körper kennen.