Die Frieze Art Fair ist im zehnten Jahr ihres Bestehens weiter auf Expansionskurs: In London findet neben der Muttermesse jetzt auch noch die Frieze Masters statt, wo ältere und uralte Kunst verkauft wird. Kann das gutgehen?
"Ja, aber was genau ist Frieze Masters?", schreit eine Frau ihre Begleitung an. Sie stehen vor dem Zelt, in dem seit Jahren die Londoner Kunstmesse Frieze stattfindet, am Südeingang des Regent's Parks. Hier hatte bislang doch alles von Nachkriegskunst bis Gegenwart seinen Platz - und für kaum mehr hatten sich die Besucher interessiert. Jetzt gibt es am Nordausgang des Parks diese Zusatzmesse, die heißt wie ein Golfturnier - da kann man schon hysterisch werden.
Die Frieze Art Fair ist im zehnten Jahr ihres Bestehens weiter auf Expansionskurs: Im Mai fand zum ersten Mal eine New Yorker Ausgabe statt, mit der man der bröckelnden Armory Show Konkurrenz machen will und die vor allem die Art Basel / Miami Beach angreift. Denn auch die Art Basel expandiert, zuletzt nach Hongkong. Und die Schweizer Messe war immer schon besser aufgestellt, was Klassische Moderne angeht. Der gegenwartsseligen Frieze fehlte die historische Perspektive bislang.
Jetzt aber steht neben dem London Zoo noch ein Zelt, in dem auf der Frieze Masters Kunst verkauft wird, die älter ist, als die Frieze Art Fair: Sie muss vor dem Jahr 2000 entstanden sein. Eine zeitgenössische Perspektive auf das Alte wünschen sich die Veranstalter.
Die Frieze Masters wurde am Dienstag fürs Fachpublikum und für Sammler eröffnet, einen Tag vor der Hauptmesse, die man jetzt zur Unterscheidung auch von der New Yorker Ausgabe Frieze London nennt. Die Ausstellungsarchitektur, ausgedacht von der Deutschen Annabelle Selldorf, sieht auf der Frieze Masters edler, musealer aus: dicke graue Teppiche, graue Kojenwände, Spots auf einzelne Kunstwerke. Und doch ist man hier weit entfernt von der Eleganz der Tefaf in Maastricht mit ihren Blumenbouquets und ihren boutiqueartigen, massiven Ständen.
Aber mit der Frieze Masters erweitert sich das Portfolio der Londoner Kunstmesse erst einmal ins Unermessliche. Die ältesten Objekte sind hier 4000 Jahre alt, stammen aus Mesopotamien und werde von Rupert Wace Ancient Art verkauft. Es geht über die Alten Meisten wie Giovanni dal Ponte, Francisco de Zurbarán, Théodore Géricault, deren Gemälde hier bis zu einer Million Pfund kosten, über Andy Warhol bis zu Roman Opalka. Einige Galerien wie Hauser & Wirth, Gagosian oder David Zwirner sind sowohl auf der Frieze Masters als auch auf der Frieze London vertreten. Hauser & Wirth zeigt auf der Frieze Masters Papierarbeiten von Eva Hesse, Gagosian eine protzige Einzelshow mit Richard-Avedon-Fotografien, Zwirner hat Dan Flavin mitgebracht.
Die neue Messe verunsichert indes nicht nur hysterische Besucher, abwartend verhalten sich auch einige Galeristen: Nehmen sie auf der Frieze Masters, auf der Frieze London oder auf beiden Messen teil? Die Düsseldorfer Galerie Konrad Fischer könnte aus ihrem Programm an Heroen der 60er und 70er-Jahre locker einen Stand auf der Frieze Masters füllen. "Doch wir wollten eben auch jüngere Positionen zeigen", sagt Dorothee Fischer, die für ihren Stand auf der Frieze London etwa auch Arbeiten von Nina Canell mitgebracht hat. "Und zwei Stände sind kaum zu schaffen. Doch ich glaube an das das Konzept der Frieze Masters", sagt die Galeristin. In ihrer Koje passt alles gut zusammen: Becher-Bilder zu einer Raumskulptur von Charlotte Posenenske, die wiederum zu einer Leinwand Robert Mangolds, die eine ähnliche Form besitzt wie die an Lüftungsanlagen erinnernde Posenenske-Arbeit.
Posenenske hätte auch sehr gut auf die Frieze Masters gepasst, wo der Kurator Adriano Pedrosa konzeptuelle Arbeiten - gerne von Frauen, gerne aus den 60er-Jahren - für die Sektion "Spotlight" auswählte. Die Galerie Hubert Winter aus Wien füllt einen beeindruckenden Stand mit Fotografien von Birgit Jürgenssen. "Wir haben sehr gute Gespräche geführt", sagt eine zufriedene Mitarbeiterin. Bei der Berliner Galerie Barbara Thumm sind Arbeiten von Teresa Burga zu sehen; der Stand hebt sich durch seine knallige Farbigkeit deutlich von dem vornehmen Grau der Messe ab. "Es ist sehr angenehm, hier zu sein", sagt die Galeristin, "die Größe gefällt mir, die Architektur und die Kombination mit den Alten Meistern."
Letzteres schätzen sogar Kuratoren und Museumsleute, denen man hier begegnet. Die Anwesenheit der alten Kunst nobilitiert neueren Arbeiten, auch wenn man über die eine oder andere Gegenüberstellung diskutieren kann, etwa wenn bei Bernheimer aus München das bekannte Foto von Annie Leibovitz, auf dem Johnny Depp sich zwischen den Schenkeln von Kate Moss ausruht, neben Darstellungen von Liebenden Alter Meister wie Lucas Cranach hängt. Aber solch ein Nebeneinander macht eben eine Messe aus. Und nach einem Besuch der Frieze Masters wirkt die Frieze London beinah chaotisch.
Den Eingangsbereich und die Ruhe-Inseln der Letzteren hat Thomas Bayrle gestaltet: bedruckte Teppichen und Tapeten, die man auch bei Gavin Brown aus New York sieht und die natürlich an den großen Auftritt des Frankfurter Künstlers auf der Documenta erinnern (genauso wie die perspektivisch verzerrte Uhr von Anri Sala, die Hauser & Wirth nun im temporären Skulpturenpark der Frieze im Regent's Park präsentiert). Es ist voll am Previewtag am Mittwoch, und einige Prominente sind gekommen: Der nach seinem Rücktritt als Fußballprofi sehr entspannt wirkende Michael "Ab in den Urlaub" Ballack, REM-Sänger Michael Stipe trägt eine dicke Wollmütze mit dem Schriftzug "Obama", Luxusgütermagnat François Pinault, Sammlerin Dascha Schukowa, Neil Tennant von den Pet Shop Boys. Der für seine polemischen Fotos von der High Society bekannte Martin Parr wartet, die Kamera in Anschlag, auf neue Opfer.
Amerikaner werden kaum darunter sein: Große US-Sammler fehlen erneut in London. "Aber die sehen wir dann ja in Miami", meint Bruno Brunnet von Contemporary Fine Arts; die Berliner Galerie hat viele großformatige Arbeiten von Marcel Eichner mitgebracht. Doch es fehlen nicht nur die Amerikaner, die dann vielleicht kommende Woche auf der Pariser Messe Fiac zu sehen sind, auch weil Gagosian und Thaddaeus Ropac neue Räume in der französischen Hauptstadt eröffnen. Auf der Frieze vermisst man auch einige Galerien, die jahrelang nach London gekommen sind: Marian Goodman, Paula Cooper, Xavier Hufkens, Barbara Gladstone, Galerie Neu. Und die Anwesenden haben kleine Arbeiten mitgebracht und ihre Stände konzeptioneller ausgerichtet. Es herrscht eine etwas lauernde Haltung, so scheint es. Nur keine Fehler machen. Bruno Brunnet aber ist mit den ersten Tagen sehr zufrieden: "In London ist die Welt noch in Ordnung", sagt er.
Findet wahrscheinlich auch der Londoner Sammler Charles Saatchi, der einmal mehr, im "Evening Standard", seine Abneigung gegenüber Kunstmessenkundtun durfte. Aber zur Frieze fahre er schon, schreibt er in einem gewohnt blasierten Ton, weil die eben nur eine Taxifahrt entfernt sei. Und überhaupt: Die fortschreitende Digitalisierung würde schon dafür sorgen, dass Kunstmessen früher oder später von alleine verschwinden. Genießen wir also den Trubel, solange er anhält.
Frieze London und Frieze Masters sind noch bis zum Sonntag geöffnet