Seit mehr als 20 Jahren ist Electronic Beats die Experimentierwiese vor Europas größtem Telekommunikationsunternehmen, der Telekom. Ralf Lülsdorf, Gründer von Electronic Beats, sieht das Marketingprogramm "in der Zwischenwelt von Technologie, Musik und damit verbundenen Kulturen und Communities". Jetzt startet mit Beatland das nächste Kapitel einer Folge trendaffiner Vorstöße in immersive Erlebniswelten. Aber zurück auf Anfang: Seit wann braucht das Metaverse Kupferkabel?
Ganz ironiefrei muss man Telekom Electronic Beats attestieren, dass das Programm in der Vergangenheit relevante Erkundungstouren für die Erlebbarkeit von Musik und visueller Kunst vorgenommen hat: Live-Streams von Album-Release-Veranstaltungen, 360-Grad-Konzerte oder Augmented-Reality-Apps. All das haben die Telekom und ihr internationales Musikprogramm in der Vergangenheit richtungsweisend erprobt. Nur haben uns zwei Jahre pandemiegeprägte Mediennutzung deutlicher denn je gezeigt: Lange ausruhen lässt es sich auf Technik-Trends nicht.
Was vor wenigen Jahren noch innovative Technologie war, sammelt sich in der Hypergeschwindigkeit des 21. Jahrhunderts bereits wie Schnee von gestern in stummen Flocken am Boden der Bedeutungslosigkeit. Die neusten Buzzwords digitalsensibler Trendsetter lauten Web3, NFTs und Metaverse, worunter Menschen außerhalb der Filterblasen meist nur Bahnhof verstehen. Oder in den Worten von Electronic Beats: Zukunftsmusik.
Die neueste Zukunftsmusik hallt im Raum virtueller Spielwelten wider. Die Liste der Analogien ist in den letzten Jahren immer länger geworden: Black Madonna und Keine Musik sind in der Spielewelt von Grand Theft Auto Online gelandet, Travis Scott in Fortnite aufgetreten und Lil Nas X auf der Plattform Roblox. Den medientheoretischen Rahmen sieht auch Ralf Lülsdorf: So wie aufwendige Musikvideos, ihre Präsentation auf eigens erschaffenen Sendern wie MTV und Viva und ihre medienspezifischen Bedingungen die Gattung der Musik beeinflussten, prägen auch virtuelle Konzertumgebungen das Verständnis und den Konsum von Musik in all seinen Genres.
Spielerisch zum Musikgenuss
Eben hier, auf Roblox, erprobt Electronic Beats nun mit Beatland eine digitale Umgebung für Konzert- und Kunstgenuss. So hat Ende April Boris Brejcha im virtuellen Club performt. Die virtuelle Landschaft von Beatland entstand aus der Zusammenarbeit von dem schwedischen Roblox-Creator-Studio The Gang, dem Design Studio Yukiko aus Berlin und dem Animationskünstler Jack Sachs. In einer digitalen Venue im Umfeld eines dreiteiligen Gebäudekomplexes finden sich ein Kino mit Kurzfilmen von Haein Kim und Alexandra Bokova, eine Bühne mit wechselnden Acts und diverse nachtlebenassoziierte Jobs, durch welche die spielinterne Währung "Beatcoin" erarbeitet werden kann. Mit dieser Währung können die Nutzerinnen und Nutzer virtuellen Merch ("Verch") ergattern und damit ihren Avatar individualisieren. Soweit zumindest reicht die virtuelle Welt momentan. Zu einer vollumfänglichen Metaverse-Experience ist der Weg aber noch weit.
Visuell bewegt sich Beatland zwischen Second Life und Minecraft, reiht sich damit aber in die Optik zukunftsweisender Metaverse-Projekte wie Sandbox, Decentraland oder die virtuelle Welt des Medienkünstlers Thomas Webb "World Wide Webb" ein. Die verpixelte Avatar-Ästhetik früher Videospielgeschichte findet vielerorts Anwendung, was jedoch mit den technischen Voraussetzungen umfänglicher Web3-Ökosysteme zusammenhängt. Hier hört auch die Äquivalenz zu Beatland auf. Hinter Projekten wie Sandbox oder Decentraland verbergen sich eigene Cryptowährungen wie SAND oder MANA mit elaborierten Tokenomics, den Quellcodes beziehungsweise Regelwerken hinter Cryptowährungen.
Experimentier-Terrarium
Manche dieser Projekte bauen auf etablierte Blockchain-Technologien auf, zumeist die Etherum-Blockchain. Mit den Monetarisierungssystemen innerhalb dieser Projekte kann die spielinterne Cryptowährung in eine beliebige Fiat-Währung übertragen werden, in Euros und Dollars. Objekte und Land können als NFTs innerhalb dieser Spielsysteme gehandelt und erarbeitet werden - und sind dadurch wiederum monetarisierbar. Ein Stück "Land" in Decentraland wird derzeit für 2,7 ETH gehandelt, umgerechnet etwa 7800 EUR.
Momentan ist Beatland noch eher ein Experimentier-Terrarium anstelle eines voll funktionsfähigen Biotops. Hiervon ist die Telekom weit entfernt, beweist aber durch ihr Kreativflaggschiff Electronic Beats mal wieder Sensibilität für aktuelle Technologien, die zwischen Kulturwirtschaft und Blockchain den Ton der Zukunft angeben. Ralf Lülsdorf betont, dass mit Beatland vor allem ein Vorbruch in neues Terrain gewagt und eine Plattform für Künstlerinnen und Künstler geboten wird, sich in einer virtuellen Umgebung auszutesten, ohne direkt eigene Metaverses zu programmieren. Mit der erschaffenen Welt hielte man sich gezielt die Flexibilität offen, auf Neuerungen reagieren und Neues erproben zu können.
Für Konzert- sowie Blockchain-Fans bleibt nur zu hoffen, dass auch der Mutterkonzern Telekom das endlose Potential des neuesten Experimentierfeldes von Electronic Beats erkennt.