Nach Zweifeln an der Wahl der Künstler will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erst einmal keine neuen Gemälde in ihrem Arbeitszimmer. «Die Bundeskanzlerin hat entschieden, kein weiteres Bild aus dem Bestand der SPK für ihr Arbeitszimmer zu entleihen», sagte ein Regierungssprecher der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag in Berlin. Darüber sei die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) informiert worden.
Von Seiten der Stiftung gab es keine Stellungnahme zum Verzicht Merkels. Hinter dem etwas klobigen Namen verbirgt sich mit 15 Sammlungen einer der wichtigsten internationalen Kunstbestände.
Damit bleiben die Wände bei Merkel fürs erste frei. «Die Bundeskanzlerin ist zu dem Ergebnis gekommen, einstweilen die weiße Wand ohne ein neues Bild anstelle der Nolde-Bilder schön zu finden und es dabei zu belassen»», sagte der Regierungssprecher.
Der Expressionist Nolde (1867-1956) wurde von den Nazis als «entarteter Künstler» diffamiert. Gleichzeitig war er aber auch NS-Parteimitglied, Antisemit, Rassist und bis zum Ende überzeugter Nationalsozialist. Dies alles steht im Zentrum der Berliner Ausstellung «Emil Nolde - Eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus» (12.4 bis 15.9.).
Dort wird auch Noldes Gemälde «Brecher» von 1936 gezeigt. Zudem hing sein «Blumengarten (Thersens Haus)» (1915) als Leihgabe der Stiftung bei Merkel. Die Kanzlerin hat nicht nur den «Brecher» für die Ausstellung von der Wand nehmen lassen, sondern auch gleich den «Blumengarten» zurückgegeben. Beide Bilder wollte sie nicht zurück - eine Begründung dafür gab es aus dem Kanzleramt nicht.
Die Präsenz der Nolde-Bilder in Merkels Arbeitszimmer - das Gemälde «Brecher» suchte bereits Nolde-Sammler und SPD-Kanzler Helmut Schmidt für das Bonner Kanzleramt aus - hatte der Generaldirektor des Museums Kunstpalast in Düsseldorf, Felix Krämer, in einem Beitrag für «Politik und Kultur» infrage gestellt. «Die ideologischen Hintergründe bei Nolde sind mittlerweile unstrittig», hatte Krämer der dpa gesagt, «Nolde war Antisemit, Rassist und ein überzeugter Nationalsozialist.»
Die Regierung hatte im Zusammenhang der Rückgabe zunächst mitgeteilt, die Kanzlerin nehme gerne das Angebot der Stiftung an, künftig zwei Bilder des Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976) in ihrem Arbeitszimmer aufhängen zu können. Vorgesehen waren die Werke «Haus unter Bäumen» (1910) und «Häuser am Kanal» (1912). Auch Schmidt-Rottluffs Werke galten den Nazis als «entartet». Allerdings sind von ihm aus der Zeit des Ersten Weltkriegs ebenfalls antisemitische Äußerungen bekannt. So schrieb er in einem Brief im Zusammenhang mit Kriegsgegner England als einem «Volk, das vollkommen durch die Juden verseucht ist».
Die Berliner Professorin und Kunsthistorikerin Aya Soika, Kuratorin der Nolde-Ausstellung und Entdeckerin der Schmidt-Rottluff-Briefe, kann sich auch Arbeiten belasteter Künstler im Kanzleramt vorstellen. So könne auch das Zwiespältige der deutschen Geschichte über ein Gemälde vermittelt werden. «Es ist immer auch die Frage, wie solche Werke eingebettet sind. Das müsste in einem Kanzleramt natürlich anders gemacht werden als etwa in einem Museum, in dem erläuternde Texte helfen können», sagte sie dazu der dpa.
Für Christian Ring, Direktor der Seebüller Nolde Stiftung, zeigt die Auseinandersetzung, «wie sehr die Diskussion um Antisemitismus, Nationalsozialismus oder Werte und Moralvorstellungen von Künstlern heute unsere Gesellschaft bewegen.» Nolde sei nicht nur Kunstgeschichte, sondern «deutsche Geschichte par excellence, inklusive der Verdrängung in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg», sagte Ring der dpa. «Nolde ist auf der einen Seite ein großartiger Künstler, auf der anderen Seite ein Mensch, der wie viele andere in seiner Zeit gefangen ist und einfach in seiner Biografie auch Brüche hat.» Er sei nicht der «Heilige», wie er lange Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gesehen worden sei. «Das macht ihn viel spannender, weil man am Beispiel Nolde viel über Deutschland und seine Geschichte lernen kann.»