Medienschau

"Weil wir so ergriffen aufs zeitlose Meer schauen wie er"

artikelbild_monopol-medienschau

"Die Zeit" sieht das Denken der Kunstwelt vor dem Bankrott, die Hundekot-Attacke auf eine Kritikerin ist jetzt ein Theaterstück und Florian Illies schwärmt von Caspar David Friedrich: Das ist unsere Presseschau am Dienstag


Nahostkonflikt

"Die internationale Kunstwelt zerlegt sich beim Thema Naher Osten spektakulär", schreibt Dirk Peitz in der "Zeit". "Hier erlebt ein Denken seinen Bankrott." Anlässlich der Flut von offenen Briefen, Gegenaufrufen, Kündigungen und Boykottaufrufen wünscht sich der Autor weniger Schnellschüsse - auch wenn daraus zunächst zum Verstummen führt: "Bestenfalls reflektieren diejenigen Künstlerinnen und Künstler, die bislang nichts unterschrieben haben, gerade über den Krieg im Nahen Osten – das Schweigen von Künstlern wurde aber auch bereits lautstark und womöglich voreilig kritisiert, als seien Kunstschaffende vor allem für die Ablieferung politischer Wortbeiträge zuständig. Und bestenfalls erkennt man die Ergebnisse des Nachdenkens irgendwann darin, was doch eigentlich Inhalt und vorzügliches Mittel der Kunst ist: in der Kunst selbst."

Die Kuratorin, Autorin und Dokumentarfilmerin Anna Narinskaya fühlt sich durch die Israelkritik der Kulturszene zurückversetzt in die Sowjetzeit, als Israel als Kriegstreiber galt und jüdische Sowjetbürger das zu spüren bekamen, schreibt sie im "Spiegel". "Die Sowjetunion existiert nicht mehr (auch wenn das Land, das sie beerbt hat, sich kaum von ihr unterscheidet). Ich befinde mich im Exil. Das Leben scheint sich dramatisch verändert zu haben. Aber es kommt mir vor, als brächte die Haltung der europäischen Intellektuellen gegenüber Israel meine sowjetische Vergangenheit zurück. Es scheint in diesen Kreisen ratsam, von seiner Sympathie für Israel zu schweigen."

Malerei

Florian Illies hat über Caspar David Friedrich ein Buch geschrieben. Warum der romantische Maler heute so beliebt ist, hat der Autor und Monopol-Gründer in einem langen Essay in der "Zeit" geschrieben, der nun auch online zu lesen ist. "Das Erlebnis der Natur um uns herum verbindet unsere Gegenwart mit der Friedrichs: weil über unseren Landschaften derselbe Mond steht, weil auch wir zwischen den Buchen umherstreifen wie einst Friedrich, weil wir so ergriffen aufs zeitlose Meer schauen wie er."

Kunstmarkt

Marcus Woeller porträtiert in der "Welt" die in diesem Jahr verstorbene New Yorker Sammlerin Emily Fisher Landau. 120 Werke aus ihrer Sammlung werden Anfang November von Sotheby’s in New York versteigert.

"Wer zur Hölle ist Alf Mollis Twanging?", fragt Freddy Langer in der "FAZ". Die Antwort: Es ist Anagramm des Namens Wolfgang Tillmans - und eine Frage beim Pub Quiz mit Martin Parr im Rahmenprogramm der Messe Books on Photography in Bristol. Der Markt der Fotobücher explodiere förmlich, erläutert Langer, gerade weil das Buch von Fotografinnen und Fotografen als eigenständiges Medium erstngenommen werde. "Dass Fotobücher Geschichten ausbreiten, statt retrospektiv Einzelbilder an­einanderzureihen, ist mittlerweile fast zur Regel geworden."

Kritik

Die inzwischen berühmt-berüchtigte Hundekot-Attacke des ehemaligen Hannoveraner Ballett-Chefs Marco Goecke auf eine Kritikerin der "FAZ" wird nun in Jena als semi-dokumentarisches Theaterstück für sechs Personen und einen Dackel inszeniert. Kornelius Luther sieht den thematischen Aufhänger in der "Taz" jedoch eher als provokante Metapher. "Anders als bei der abject art eines Günter Brus, der in den Hörsaal kackte, oder eines Piero Manzoni, der seine Künstlerscheiße in Dosen abpackte und zum Goldpreis verkaufte, war das [Goeckes Aktion] beileibe kein Kunstgriff. Und auch in Jena greift niemand explizit nach Exkrementen. Die Kacke-Attacke ist hier nur der Lockstoff für eine erstaunlich glaubwürdige Stückentwicklung im Stück. Eine Art mise en abyme, die die gescheiterten Proben zur geplanten Inszenierung auf die Bühne spiegelt."