Medienschau

Bonn sagt auch mal Nein zu Walter Smerling

artikelbild_monopol-medienschau

Der Mann, der dem British-Museum-Dieb auf die Schliche kam, Jonas Mekas' Schweigen und eine Hitzewarnung vor Walter Smerlings Skulptur: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag

Debatte

Walter Smerling und sein privater Verein "Stiftung für Kunst und Kultur" sind bekannt dafür, sich mit Kunst in den öffentlichen Raum zu sneaken. Das könnte nun aber in Bonn, dem Sitz seines Vereins, einmal nicht gelingen. Allerdings wird nicht - wie in Berlin - über die oft undurchsichtigen Motive und fragwürdigen Netzwerke Smerlings diskutiert, sondern die Ablehnung hat andere Gründe. Wie der WDR berichtet, geht es um einen rund sieben Meter hohen, gusseisernen Frauenkopf des spanischen Künstlers Jaume Plensa, der auf dem Bahnhofsvorplatz von Bad Godesberg aufgestellt werden soll, wie vorher übrigens fünf (!) andere vom Verein in Bonn platzierte Großskulpturen. "Doch es gibt Kritik - sowohl am Material und der Größe als auch am Standort. Die Kunstkommission der Stadt Bonn warnt, dass sich eine so große Metallskulptur in der prallen Sonne zu sehr erhitzen könnte. Das könnte gefährlich für Menschen sein, die die Skulptur berühren. Für den geplanten Standort sieht die Stadtverwaltung wenig Chancen wegen des Denkmalschutzes. Der Platz wird eingerahmt vom Bahnhofsgebäude, einem derzeit defekten Springbrunnen und einem Pavillon." Die Lösung liegt eigentlich auf der Hand: ein kleineres Kunstwerk des Künstlers aus anderem Material an einem anderen Standort. Doch das lehnt Smerling ab, der ohnehin kein Freund von öffentlichen Ausschreibungen ist. Ein Wohltäter weiß schließlich selbst am besten, was eine Stadt braucht.

Der Buchautorin Ruth Polleit Riechert geht es in deutschen Museen zu ernst zu. Im Wirtschaftsteil der "FR" schaut sie sehnsuchtsvoll nach Großbritannien und die USA: "Die Besucher bekommen die Inhalte leicht verständlich vermittelt, sie dürfen sich über die Werke austauschen und auch die Kinder können laut sein und begeistert durch die Hallen laufen. Alles easy-going." Vielleicht ein bisschen zu easy-going, wenn man sich die aktuellen Diebstahl-Skandal im British Museum anschaut.

Museen

Im "Spiegel" erzählt der Antikenhändler Ittai Gradel im Interview mit Ulrike Knöfel, wie er dem Ebay-Mitglied Sultan1966 auf die Schliche kam, der als Mitarbeiter des British Museum Kunstschätze aus dem Depot verkaufte. 2020 wurde Gradel klar, dass antike Gemmen, die er ersteigert hatte, aus dem Londoner Museum stammen müssen. "Und wer kommt da schon hinein? Aber meiner Erkenntnis – und dem damit verbundenen Schock – gingen ein paar Merkwürdigkeiten voraus, ein paar Lügen, auf die ich zuerst einmal hereingefallen war." Auch Tobias Timm hat für seinen Hintergrundbericht für "Die Zeit" mit Ittai Gradel gesprochen. Und er hebt die Brisanz des Falls für Deutschland hervor: "Auch in vielen deutschen Museen, so hört man von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die anonym bleiben wollen, gibt es noch Kisten mit antiken Objekten, Grafikkonvoluten, Nachlässen, die schlecht dokumentiert sind – und so zur leichten Beute von Dieben werden könnten."

Porträt

Jonas Mekas gehörte zu den einflussreichsten Filmemachern der USA. In den 1950er-Jahren war er bei allem dabei, was die New Yorker Szene ausmachte. An Heiligabend 1922 in Litauen geboren und später von den Nazis als Zwangsarbeiter verschleppt, kam er gemeinsam mit seinem Bruder 1949 als displaced person in die USA. Bert Rebhandl hat sich für die "FAZ"-Serie "Unsere Reisebegleiter" nach Semeniskiai, dem Herkunftsort Mekas im Umland der regionalen Kleinstadt Birzai, aufgemacht und fragt noch einmal, warum das Massaker von Birzai, bei dem 1941 2400 jüdische Menschen (darunter 900 Kinder) getötet wurden, im Werk des Filmemachers nicht vorkommt. "Warum hat er darüber geschwiegen? 'Reminiscences of a Journey to Li­thuania' (1971/72) heißt einer seiner bekanntesten Filme. Man kann ihm dort bei einer Rückkehr an einen mütterlich geprägten Ort zusehen, das 16-mm-Filmmaterial trägt viel zu der Patina bei, mit der die Landschaften seines Herkommens bei Mekas belegt sind. Wenn man heute durch diese Flecken im Baltikum fährt, dann hat man das zwanzigste Jahrhundert der Gewalt überall gegenwärtig."

Ausstellung

Die Ausstellung "Critical Consumption" im Wiener Museum für angewandte Kunst stellt kritische Fragen zur Mode: "Man habe ein komplexes Thema auf kleiner Fläche zusammengebracht, räumt die Kuratorin ein", heißt es im "Standard". Laut Kritikerin Anne Feldkamp hätte die Präsentation mehr Platz vertragen: "Tatsächlich will die Schau viel auf wenigen Quadratmetern: Wissen vermitteln, aufklären, Konsumtipps geben ('Buy what you love and love what you buy')."

Das besondere Kunstwerk

Maxim Biller, NoViolet Bulawayo, Rachel Cusk und Saša Stanišić haben vom "Süddeutsche Zeitung Magazin" den Auftrag bekommen, über das Bild "Ohhh...Alright..." von Roy Lichtenstein Kurzgeschichten zu schreiben. Das gelingt mal mehr mal weniger gut. Alle Schreibenden scheinen mit der Seichtheit des Pop-Art-Werks zu fremdeln und vermeiden eine direkte Auseinandersetzung. Vielmehr ziehen sie Schleifen ins Künstlerdasein selbst und die malerischen wie schriftstellerischen Strategien der Selbstbehauptung. Spaß macht das Lesen trotzdem, und wir treffen den Geist von kritischen Schwiegermüttern, jüdische Künstler im New York der Nachkriegszeit und eine Museumsdirektorin in einer verzweifelten Situation.