Medienschau

"Das ist sein herzaufgerissenes Wesen, dass es sich der Welt übereignet"

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Jussi Pylkkänen verlässt Christie's, "The Art Newspaper" wurde verkauft und Rainald Goetz über die Zurückweisung durch Kritik: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag


Debatte

Nach dem Bund dringt auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen auf eine rasche Entscheidung zur Fortführung der Gedenkstätte Stalag 326 in Ostwestfalen. "Land, Bund und Region sollten sich zusammensetzen, um eine tragfähige Lösung zu finden", sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) der in Bielefeld erscheinenden Tageszeitung "Neue Westfälische". Den Plänen zum Ausbau der Gedenkstätte droht das Aus, nachdem im Gütersloher Kreistag eine Betriebskostenbeteiligung von 400 000 Euro abgelehnt worden war. Bereits Anfang des Monats hatte sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) eingeschaltet. Neubaur betonte: "Gerade in Zeiten mit solch hohen Zustimmungswerten für rechtsextreme Positionen müssen wir mehr für unsere Erinnerungskultur und politische Bildung tun." Sie fügte hinzu: "Die Weiterentwicklung der Gedenkstätte Stalag 326 kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten." Am Ende entscheide das die Region. Die Gedenkstätte Stalag 326 in Schloß Holte-Stukenbrock soll ausgebaut werden. Dort waren im Zweiten Weltkrieg von 1941 bis 1945 über 300 000 Kriegsgefangene überwiegend aus der Sowjetunion als Zwangsarbeiter untergebracht. Der Bundestag hatte für den Ausbau des 60 Millionen Euro teuren Projekts bereits 25 Millionen Euro zugesagt. Das Land sollte den Rest zuschießen. Die jährlichen Betriebskosten von rund 4 Millionen sollten sich einige Kreise in Ostwestfalen und die Städte Bielefeld und Schloß Holte-Stukenbrock teilen. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hatte Anfang des Monats erklärt, sie werde die Verantwortlichen auf der Landesebene und der kommunalen Ebene zu einem klärenden Gespräch bitten. Roth sprach von einem gefährlichen Präzedenzfall, "wenn die Gütersloher CDU mit Unterstützung der AfD die Finanzierung einer wichtigen Gedenkstätte stoppt und damit deren Schließung riskiert". Die Kostenbeteiligung war mit 33 Ja- und 36 Nein-Stimmen abgelehnt worden. Laut dem Vorstand des Fördervereins der Gedenkstätte wendeten sich unter anderem CDU und AfD gegen die Beteiligung. Diese Entscheidung "hat uns zutiefst getroffen und schockiert", hatte der Vorstand mitgeteilt. Die Gedenkstätte bleibe bis auf Weiteres geschlossen.


Eigentlich will das Kunsthaus Zürich zu der umstrittenen Sammlung des Schweizer Waffenfabrikanten und Kunstsammlers Emil Bührle in der kommenden Woche eine neu kontextualisierte Ausstellung eröffnen, die auch die Debatte um NS-Raubkunst in den Beständen aufgreift. Nun ist allerdings der Beirat zur Schau geschlossen und unter Protest zurückgetreten, wie Stefan Koldehoff exklusiv für den Deutschlandfunk herausgefunden hat. Die Beraterinnen und Berater kritisieren, dass sich die geplante Schau immer noch zu sehr auf den Sammler fokussiere, anstatt die Geschichten der Opfer von Zwangsenteignung während der NS-Zeit zu erzählen. Das Museum entgegnete darauf, dass es sich immer noch um eine Kunstausstellung und nicht um eine Gedenkstätte handele. 


Kunstmarkt

Der Auktionator Jussi Pylkkänen verlässt nach 40 Jahren das Auktionshaus Christie's, meldet Christian Herchenröder im "Handelsblatt". "Pylkkänen hat Auktionsgeschichte geschrieben. Zu den wichtigsten Werken, die unter seinen Hammer kamen, zählen das 450 Millionen teure Leonardo-Bildnis 'Salvator Mundi' und ein für 195 Millionen Dollar zugeschlagenes 'Marilyn'-Bildnis von Andy Warhol. Im letzten Jahr versteigerte er die Paul Allen Collection. Sie wurde mit 1,5 Milliarden Dollar die teuerste jemals versteigerte Einzelsammlung."


Die kalifornische Künstlerin Lauren Halsey wird neuerdings von Gagosian verteten, berichtet die "New York Times". "Ich bin zufällig in einer Gegend aufgewachsen, die nicht weit von dem Ort entfernt ist, an dem sie aufgewachsen ist", sagte der ebenfalls in Los Angeles geborene Galerist Larry Gagosian der Zeitung. "Es war ein vertrautes Gebiet, als Antwaun [ein Gagosian-Direktor] und ich zu ihrem Studio gingen. Ich begann, einige der Straßen wiederzuerkennen. Sie befasst sich mit Fragen von race, der Kultur und der Nachbarschaft, aber es ist nicht zu schwerfällig. Sie kombiniert diese Ernsthaftigkeit mit etwas sehr Elegantem und sehr Fantasievollem." Im April hatte Lauren Halsey eine Art afrofuturistischen Tempel mit Säulen und Sphinx-ähnlichen Figuren auf das Dach des New Yorker Metropolitan Museums gebaut.


Kunstkritik 


Die britische "Art Newspaper" wurde nun offiziell von der Hongkonger AMTD Group übernommen, die auch Eigentümerin der Mediengruppe L'Officiel ist. Die Kunstzeitung wurde am Freitag von der russischen Kunstsammlerin Inna Baschenowa verkauft,  berichtet "Artforum". Baschenowa war seit 2014 Eigentümerin der 1990 gegründeten Publikation. Die Übernahme war bereits im Juni angekündigt worden.


Der Schriftsteller Rainald Goetz hat im Deutschen Theater Berlin in einer Art Performance-Lecture zu seinem Stück "Baracke", das an dem Haus gerade uraufgeführt wurde, Kritik als "professionalisierte Instanz des Verstehens, der Befunderhebung, der Wertung" und als einen mit "unglaublichen Glamour" ausgestatteten Beruf gelobt. "Ein junger Mensch, den es zum Schreiben drängt, der nicht als erstes Kritiker werden will, hat für mich, dabei bleibe ich, keine Würde", sagte der 69-Jährige in dem Vortrag, der auf Youtube zu sehen ist. Darin beschreibt er auch, wie es sich für Kunstschaffende anfühlt, mit Kritik konfrontiert zu werden: "Es gibt keine Verteidigung des ästhetischen Werks, das ist sein herzaufgerissenes Wesen, dass es sich der Welt übereignet, blind, voll Hoffnung, ich hoffe, du magst mich, und dann, wenn es zurückgestoßen wird, traurig in sich zusammenfällt. Aber man kann dem, der da nicht liebt, dem Kritiker, nicht mit irgendwelchen hochverfeinerten Gründen erklären, dass er mit seiner Zurückweisung falsch liegt, umgekehrt ist die Freude über positive Kritiken natürlich immens, quasi maßlos, die Erlösung von allem." 


KI

Forscherinnen und Forscher der University of Chicago wollen ein Werkzeug entwickelt haben, mit dem Künstlerinnen und Künstler KI-Bildgeneratoren "vergiften" können, die ungefragt ihre Kunst für das Training von Algorithmen benutzen. Wie "MIT Technology Review" berichtet, würden die digitalen Werkzeuge dann fehlerhafte Bilder erzeugen. In einem Test wurden durch das "Nightshade" genannte Tool "vergiftete" Bilder von Autos von einem KI-System als Kühe interpretiert.