Debatte
Der "Tagesspiegel" berichtet, dass die sogenannte Antisemitismus-Resolution im Bundestag beschlossen werden soll, "zum Jahrestag der Nazi-Pogrome am 9. November", schreibt Rüdiger Schaper. "Ein Akt von großer Symbolik, der einen intransparenten Prozess und ein heftig umstrittenes Ergebnis überdeckt." Stutzig wird der Kommentator bei der Forderung der Resolution, "keine Projekte und Vorhaben insbesondere mit antisemitischen Zielen und Inhalten" sollten gefördert werden, und dass die Vorfälle bei der Documenta Fifteen und der vergangenen Berlinale namentlich erwähnt würden. "Diese Skandale müssten 'umfassend aufgearbeitet werden'. Was allerdings bereits ausführlich geschehen ist", so Schaper. Er verweist auch auf die Schwierigkeiten mit der Berliner Antisemitismus-Klausel, die Kultursenator Joe Chialo Anfang des Jahres vorstellte und drei Wochen später zurückziehen musste, wegen rechtlicher Bedenken und nach Protesten aus der Berliner Kulturszene. Und trotz der unüberlegten Berliner CDU-Aktion nun "ein neuer Radikalenerlass?" – wie der "Tagesspiegel"-Kulturkorrespondent befürchtet? "Die Kritik an der Vorgehensweise von Ampel und Union richtet sich gegen die Heimlichtuerei – bei einem Thema von solcher Bedeutung", so Schaper. "Verhandelt wurde die Causa hinter verschlossenen Türen. Vor allem wird moniert, dass die Politik sich taub gestellt hat. Vorschläge und Diskussionsangebote von Wissenschaftlern und Künstlern wurden bisher ignoriert." In der "FAZ" betrachtet Jürgen Kaube die Befürchtungen von Kritikern der Antisemitismus-Resolution anders. "Tatsächlich unterstellt der Resolutionsentwurf nicht, dass es große Teile in Wissenschaft und Kunst sind, die sich für Boykotte Israels einsetzen oder antisemitische Motive in ihre Werke aufnehmen", schreibt Kaube. Er kritisiert Juristen und Wissenschaftler, die in einem alternativen Formulierungsvorschlag forderten, "statt 'Repression und Misstrauen' gegenüber staatlich geförderten Akteuren in Kunst und Wissenschaft walten zu lassen, (solle man) ihnen 'den nötigen Freiraum und die nötigen Ressourcen' zur Verfügung stellen. Die Documenta 15 und andere Kulturereignisse haben allerdings gezeigt, wie solche ausgestatteten Freiräume zuweilen genutzt werden. Oft muss die Gesinnung durchaus nicht 'erschnüffelt' werden, sie liegt offen zutage", ärgert sich Kaube.
Passend zum Thema behandelt Peter Richter in der "SZ" die Benennung eines Vorplatzes am Kulturforum Berlin nach dem jüdischen Stifterpaar Arnhold. Heute Nachmittag hat die Zeremonie stattgefunden, mit einer Ansprache der Kulturstaatsministerin Claudia Roth. "Dass der Bund diesem Ereignis eine solche Bedeutung beimisst, ergibt sich schon aus den Persönlichkeiten der Namensgeber, daraus, wer die Arnholds waren und wofür sie gesellschaftlich standen: Mäzene aus dem jüdischen Großbürgertum des Deutschen Reichs", so Richter. Noch heute zehre die Bundesrepublik vom philanthropischen Engagement von Johanna und Eduard Arnhold, schreibt er, "Arnhold war einer der bedeutendsten Kunstsammler und -stifter des Kaiserreichs, war Mitbegründer sowohl der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die heute Max-Planck-Gesellschaft heißt, wie des Kaiser-Friedrich-Museumsvereins, der ein Vorläufer der Staatlichen Berliner Museen war", und das Ehepaar habe die Villa Massimo in Rom gestiftet, dass "ausgerechnet dort dann erst einmal ein Jahrzehnt lang die Nazis ihre Lieblingskünstler mit Stipendien bedachten, Arno Breker zum Beispiel, musste Arnhold nicht mehr miterleben. Er war bereits 1925 gestorben, seine Frau starb 1929". Die Benennung der "Piazzetta" nach den Arnholds geht auf eine Initiative zurück, die von Daniel Barenboim, Durs Grünbein, Herta Müller oder Rudolf Zwirner unterstützt wurde und die "diese minimal invasive Erinnerungsarbeit jetzt noch mit einer Arbeit der einstigen Villa-Massimo-Stipendiatin Karin Sander vertiefen will: in den Boden eingelassene QR-Codes, die die Geschichte des Tiergartenviertels auf dem Händy akustisch wiederaufleben lassen sollen. Das scheint umso gebotener, als nach Fertigstellung des mittlerweile in 'berlin modern' umgetauften 'Museums des XX. Jahrhunderts' vulgo 'Kulturscheune' exakt dieser Platz möglichst von jungem, internationalen Kunstbetriebsvolk belebt werden soll, dem es an diesem Geschichtsbewusstsein ja nun einmal oft erschreckend mangelt", meint Richter.
Das jüngste Bauhaus-Bashing sei mehr als nur ein Trend, beobachtet Hans-Joachim Müller in der "Welt": Der Überdruss an der Moderne mache sich auch bei der GenZ breit: "Wenn man dem Sound in den sozialen Medien nicht von vornherein misstraut, dann mischt sich in den Influencer-Jargon mehr und mehr ein Ton des Einverständnisses mit dem volkstümlichen Widerwillen gegen die kostspieligen Zumutungen der Künste. Das gilt für das Trump-Amerika geradeso wie für das rechtskonservative Europa. Der Wind hat sich gedreht, und es gehört zu den kaum noch versteckt gepflegten Affekten, einer Kunst die Gefolgschaft aufzukündigen, die nur mehr als arrogantes Minderheitenprogramm erlebt wird." Für die Kunst muss das nicht schlecht sein, findet Müller: "Die Kunst hat sich vom organisierten Lärm draußen auf den Straßen vor den Ateliertüren, Ausstellungshallen oder Museumsportalen nie beeindrucken lassen. Und die Generation Alpha hat ja dann auch wieder Gelegenheit, alles neu zu bedenken und von vorn zu beginnen."
Das berühmte Breuer-Gebäude in New York an der Madison Avenue gehört nun ganz und gar Sotheby's.Justin David, Architekturkritiker des "New York"-Magazins, ist skeptisch: "Das ist die Art von Nachricht, die Denkmalschützern ein mulmiges Gefühl bereitet, so als würde man Don DeLillo bitten, "Wuthering Heights" zu überarbeiten, oder Salvador Dalí, die Mona Lisa zu aktualisieren", schreibt David auf "Curbed". "Man bekommt vielleicht mehr, als man wollte." Das brutalistische Gebäude des Architekten Marcel Breuer wurde Mitte der 1960er-Jahre eröffnet. Der ungarisch-amerikanische Designer und Architekt Breuer (1902-1981) war in den 1920er-Jahren ein Bauhaus-Schüler in Weimar und Dessau und ist berühmt für seine Stahlrohrmöbel, darunter der "Clubsessel B 3". Er floh wegen seiner jüdischen Herkunft aus Nazi-Deutschland in die USA. Sein Gebäude auf Manhattans Upper East Side war einst Sitz des Whitney-Museums für amerikanische Kunst. Nach dessen Umzug in den Süden Manhattans 2015 übernahm das Metropolitan Museum das Gebäude für einige Jahre als Zweigstelle für moderne Kunst. Danach dient das Breuer-Gebäude als Übergangsquartier für die Werke der Frick Collection, deren eigentliche Ausstellungsräume renoviert wurden. "Das Ex-Whitney, auch bekannt als Ex-Met Breuer und Ex-Frick Madison, ist ein Klassiker aus Beton und Granit, der in einer höflichen Form des Brutalismus entworfen wurde, die der Upper East Side angemessen ist", findet Justin David. "Die Strenge des Äußeren setzt sich im Inneren mit der gerasterten Decke, den Blausteinböden und der Symphonie aus Grautönen fort, und zwei frühere Eingriffe - beide mild, von Beyer Blinder Belle für das Met im Jahr 2016 und von Annabelle Selldorf für das Frick vor nur drei Jahren - ließen es nüchtern erstrahlen. Wie viel Verjüngung braucht es noch?"
Ausstellungs- und Auktionsräume werden dorthin verlagert, das derzeitige Hauptquartier - wenige Straßenblocks entfernt - werde aber auch behalten. Jetzt steht auch fest, wer den Umbau verantworten soll: das berühmte Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron.Der Leiter der Abteilung für digitale Kunst und NFTs bei Sotheby's, Michael Bouhanna, wird des Insiderhandels beschuldigt, nachdem er die Kryptowährung "$BAN (Comedian)" auf den Markt gebracht hat, berichtet "Artnet News". Die sogenannte Memecoin ist nach Maurizio Cattelans Bananen-Arbeit "Comedian" benannt, die demnächst bei einer Sotheby's-Auktion bis zu 1,5 Millionen Dollar erzielen könnte. Die Memecoin wurde schnell zu einer Marktsensation, als bekannt wurde, dass ein Händler in kürzester Zeit fast 1 Million Dollar damit verdient hatte. Teile der Krypto-Community behauptet nun, dass Bouhanna dieser Händler sei und so auf unfaire Weise von seinem Sotheby's-Insiderwissen profitiert hat, um Aufmerksamkeit zu erregen und den Wert der Memecoin zu steigern. Er bestreitet die Vorwürfe.
Kunst und Protest
Die im Iran geborene, in Wien lebende Künstlerin Soli Kiani spricht in der "Presse" über die vermutliche Protestaktion einer Studentin in Teheran, die sich am Samstag am Campus der privaten Asad-Universität offenbar bis auf die Unterwäsche auszog: "Das war sehr, sehr mutig. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich darüber rede". Ihre Tat sei nach islamischem Recht strafbar, "sie wird auf jeden Fall ausgepeitscht werden", sagt die Künstlerin, mit "80 Peitschenhieben".