Medienschau

"Eine Vorstellung, bei der Antisemitismus nicht wirklich zählt"

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Die Zerrissenheit der deutschen Kulturinstitutionen im Nahostkonflikt, der geplante Eklat im Kunsthaus Zürich und die Egoshow des Jonathan Messe: Das ist unsere Presseschau am Freitag

Nahostkonflikt

"Der Spiegel" schaut in seiner neuen Ausgabe und online noch einmal auf die Unsicherheit oder gar Zerrissenheit der deutschen Kulturinstitutionen, wenn es um eine Haltung zum Nahostkonflikt geht. Unter anderem geht es um die in Deutschland lebende palästinische Künstlerin Halima Aziz, deren Bilder jetzt eigentlich im Filmhaus Köln zu sehen sein sollten – bis auffiel, dass sie offenbar Bilder eines Palästinas malt, in dem es keine Juden mehr gibt. Es gebe auch immer wieder Bilder einer Palästinakarte, auf der kein Israel vorkommt. Mit dem "Spiegel" wollte indes niemanden der Verantwortlichen sprechen. Für das Autorenkollektiv hinter dem langen Artikel steht dieser Fall symptomatisch für den deutschen Kunstbetrieb. "'Globaler Süden', 'Postkolonialismus' und 'Intersektionalität' waren die Modewörter, mit denen die Institutionen hofften, konkurrenzfähig zu bleiben. Dass sie an amerikanischen und britischen Universitäten und in der dortigen Kunstwelt häufig mit Israelfeindlichkeit verbunden waren, schienen sie in Kauf zu nehmen. Hinter den Begriffen aber steckte eine bestimmte Weltsicht, eine Vorstellung von westlicher Vormacht, von Rassismus als Hautfarbenproblem, bei dem Antisemitismus oft nicht wirklich zählt."

Museen

Nachdem vor einer Woche der wissenschaftlicher Beirat für die Neupräsentation der Bührle-Sammlung im Kunsthaus Zürich aus Protest zurückgetreten ist, gab es auch auf der Pressekonferenz zur Ausstellung keine Versöhnung, wie Brita Sachs in der "FAZ" beobachtet: "Angeli Sachs und Stephanie Mahrer bestätigen im Namen des Beirates zwar die respektvolle Kooperation, bedauern aber, mit ihrer Botschaft nicht durchgedrungen zu sein. Immerhin, der Sammler – und Profiteur - Bührle wird jetzt weit kritischer beurteilt als in der vorherigen Präsentation, auch schildern Wandtexte einzelne Biographien von Sammlerinnen und Sammlern, Opfern des NS-Unrechtsregimes."

In der "NZZ" kommentiert Thomas Ribi den Eklat im Kunsthaus Zürich: "Dass es dem Beirat bei seinem publikumswirksamen Rückzug um die Sache ging, mag glauben, wer will. Den Historikerinnen und Experten ging es wohl eher darum, das eigene Renommee zu polieren. Man wollte keinen Persilschein ausstellen für ein Unternehmen, bei dem von Anfang an klar war, dass es Kritik auf sich ziehen würde. Dass dem Gremium die Begleittexte der Ausstellung spät vorgelegt wurden, mag ein legitimer Kritikpunkt sein. Dass die Präsentation nicht in die Richtung ging, die sich der Beirat vorgestellt hatte, war kaum erst in letzter Minute abzusehen."

Performance

Der Berliner Künstler Jonathan Messe und seine 93-jährige Mutter haben einen Abend im Wiener Volkstheater bestritten, Wolfgang Kralicek ist in der "SZ" nicht wirklich überzeugt von nicht besonders gut besuchten Veranstaltung. "Je länger der Abend dauert, und er dauert mehr als zwei Stunden lang, desto mehr wird er zu einer Soloshow. Der Moderator hat längst kapituliert, die Mutter will irgendwann nur noch von der Bühne."

Ausstellung

Die Kunstgeschichte ist wortwörtlich durch Männer gezeichnet. Autorin Ulla Fölsing vom "Tagesspiegel" stellt die Hamburger Ausstellung "Geniale Frauen. Künstlerinnen und ihre Weggefährten" im Bucerius Kunstforum vor, in der die Voraussetzungen für Frauen beleuchtet werden, sich zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert als Künstlerinnen zu etablieren. Der familiäre Hintergrund und damit die guten alten Beziehungen, ist dabei der große Knackpunkt, der über die Karrierechancen bestimmen sollte. Die wichtigste Beziehung stelle die Vater-Tochter Beziehung dar und trotzdem kreise die Hamburger Schau vor allem um das zwiespältige Thema Heirat. "Da praktikable Rollenmodelle für die professionelle Ausübung ihrer Kunst fehlten, sahen viele Malerinnen damals in der Ehe mit einem Kollegen berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Der Preis für den sozial akzeptierten Raum war die Abhängigkeit vom Ehemann, seinem Namen, Erfolg und dem damit verbundenen Risiko, keine Anerkennung für die eigene Kunst zu finden."

Künstliche Intelligenz

Musiker Paul McCartney hat die Arbeit am letzten Song der Beatles als magisch beschrieben. Das Lied "Now And Then", in dem auch die Stimme des ermordeten John Lennon vorkommt, war nachträglich fertiggestellt worden. Das Material lag lange herum. Und er habe immer wieder gedacht: "Wir sollten das fertigstellen", sagte McCartney in einem Interview mit der BBC. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Trennung der Band war am Donnerstag die neue Single erschienen, an der alle vier Mitglieder mitgewirkt hatten. Am Freitagmittag erschien auch ein Musikvideo. Lennon hatte den Song ursprünglich in den 1970ern geschrieben und in seinem Appartement in New York aufgenommen. Nach Lennons Tod übergab seine Witwe Yoko Ono eine Kassette mit mehreren Demoaufnahmen an McCartney. Der stellte bereits 1995 mit den anderen Bandmitgliedern zwei der Songs fertig. Doch "Now And Then" blieb aus technischen Gründen damals unvollendet, weil sich Lennons Stimme auf der alten Kassette nicht extrahieren ließ. Dank künstlicher Intelligenz konnten McCartney und Ringo Starr das Lied nun Jahrzehnte später rausbringen. "Es war irgendwie magisch, das zu machen", sagte McCartney dem Sender BBC Radio 1. "Als wir im Studio waren, hatten wir Johns Stimme im Ohr. Also konnte man sich vorstellen, dass er einfach nur im Raum nebenan ist, in einer Gesangskabine oder so." Sie hätten wieder mit ihm zusammengearbeitet. "Es war wirklich schön, wissen Sie, denn das hatten wir natürlich lange Zeit nicht erlebt und dann standen wir plötzlich da und arbeiteten mit dem alten Johnny", sagte McCartney.

Das besondere Kunstwerk

Frauen tragen seit Jahrhunderten BHs, damit man bloß ihre Brustwarzen nicht sieht. Nun bringt Unternehmerin und Universal-Influencerin Kim Kardashian einen BH mit künstlichem Nippel heraus, der einen aufregenden Abdruck unter der Kleidung erzeugt. Ein Accessoire, das den Körper bedeckt, um ihn dann wieder nachzuahmen - eigentlich ist das ziemlich große Konzeptkunst. Wie Antonia Baum in der "Zeit" schreibt: "Kim Kardashian vertraut der Natur nicht, nein, sie macht es besser als die Natur. Der Amerikanische Traum steckt ihr mit all seinen Zumutungen naturgemäß tief in den Knochen, aber sie hat Wege gefunden, spielerisch damit umzugehen und sein ewiges Leistungsmantra zu überlisten (Stichwort: Fake it till you make it). Dabei ist sie oft lustiger, gewitzter und bekloppter als Marx, Hegel und ich zusammen."