Medienschau

"Souverän ist, wer über den Ausnahmekünstler entscheidet"

artikelbild_monopol-medienschau

Unmut über die Rehabilitierung von Choreograf Marco Goecke, die "New York Times" porträtiert Eike Schmidt und Soziologe Oliver Berli über Juryarbeit: Das ist unsere Presseschau am Montag

Debatte

Germanist Johannes Franzen kritisiert in einem Gastbeitrag für die "FAZ" die Ernennung es Choreografen Marco Goecke zum Ballettchef in Basel - eine Rehabilitierung, nachdem der der "FAZ"-Kritikerin Wiebke Hüster Hundekot ins Gesicht gerieben hatte. "Indem dieser Betrieb einen Künstler weiter feiert und mit Geld, Macht und Posten ausstattet, der eine Tat begangen hat, die nach den Maßgaben moralischer Klarheit als niederträchtig erscheinen muss, versichert er sich selbst der eigenen Autorität. So gut ist dieser Künstler, so bedeutsam seine Kunst, dass man nicht auf ihn verzichten kann. Der Wert des Werkes transzendiert ethische Bedenken. Auf diese Art können diejenigen, die über diesen Wert entscheiden, und vor allem diejenigen, die durch Programmplanung und Personalpolitik vorentschieden haben, am Ende sich selbst feiern: Sie stehen da als radikale Ästheten, die den unkündbaren Künstler vor den Konsequenzen seiner Tat retten und damit auch die Kunst, die sonst verloren ginge. Es handelt sich um eine Geste der Macht, die den eigenen Machtanspruch unterstreicht: Souverän ist, wer über den Ausnahmekünstler entscheidet."

In der Debatte um den Internationalen Literaturpreis des HKW in Berlin spricht der Soziologe Oliver Berli im "Spiegel" mit Arno Frank und Ulrike Knöfel über Auswahlkriterien von Jurys. Der Forscher, der sich mit Bewertungen, Karrieren und Konventionen der Produktion in Kultur und Wissenschaft befasst, hat zwei Anregungen, die Juryverfahren gerechter machen könnten: regelmäßige Neubesetzung und Losverfahren. Neubesetzung seien wichtig, "weil alles wieder neu ausgehandelt werden muss: Was verstehen wir unter musikalischer Qualität, was unter literarischer Qualität? Es gibt Kriterien, aber keine Checkliste. Da muss man sich immer wieder neu verständigen." Und ein Losverfahren könnte in aufeinanderfolgenden Selektionsschritten einen Schritt einfügen: "Statt in einen Konflikt zu gehen und sich da vielleicht sogar persönlich anzugreifen, könnte die Jury das Los entscheiden lassen. Etwa, wenn es vielleicht um die letzten drei Nominierungen geht – und man auf zwei kommen will. Oder man wählt, aber das ist weniger außergewöhnlich, zwei Preisträgerinnen oder Preisträger."

Museen

Die "New York Times" porträtiert Eike Schmidt, den deutschen Ex-Direktor der Uffizien in Florenz, der als Bürgermeister von Florenz kandidiert. "Sollten Schmidts politische Ambitionen scheitern, hat er tatsächlich einen Job, zu dem er zurückkehren kann", schreibt "NYT"-Reporterin Elisabetta Povoledo: "Er ist jetzt als Direktor des Capodimonte in Neapel beurlaubt, einer ehemaligen königlichen Villa, die zum Nationalmuseum umfunktioniert wurde, eine Aufgabe, die er im Januar übernommen hat. Schmidts Entscheidung vom letzten Monat, eine Auszeit zu nehmen, um als Bürgermeister zu kandidieren, wurde von den Gesetzgebern in Neapel nicht gut aufgenommen. Vincenzo De Luca, der Präsident der Region Kampanien, deren Hauptstadt Neapel ist, sagte, er halte Schmidts Entscheidung für eine 'Beleidigung für die Kultur, für Neapel und für Kampanien'. Der Bürgermeister von Neapel, Gaetano Manfredi, sagte, er sei 'perplex', und einige lokale Experten forderten Schmidt auf, von seinem Posten im Museum zurückzutreten." Povoledo begleitete Schmidt, dessen Kandidatur von einer Koalition rechter Parteien unterstützt wird, auch beim Straßenwahlkampf. Ein ehemaliger Fechttrainer sagt zu dem Museumsmann, dass seine Familie im Zweiten Weltkrieg gelitten habe und dass er niemals einen Deutschen wählen würde, der von Parteien mit faschistischen Wurzeln unterstützt wird. "'Das ist etwas, wofür sich Deutschland seit Jahrhunderten schämen muss', sagte Schmidt über die Rolle seines Landes im Krieg und fügte hinzu, dass er immer gegen den Faschismus gewesen sei. Die Begegnung endete mit einem Händedruck der beiden Männer."

Der Selbstmord des französischen Kurators Vincent Honoré wurde nach einer dreimonatigen Untersuchung von der französischen Gesundheitsbehörde Caisse primaire d'assurances maladie als "Arbeitsunfall" eingestuft, berichtet Magali Lesauvage in "Le Quotidient de l'Art". Honoré war Ausstellungsleiter des Museums Montpellier Contemporain, das gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt hat. In der Zwischenzeit habe Honorés Familie die Möglichkeit, Strafanzeige gegen das Museum zu erstatten. Laut der französischen Kunstpublikation soll es kurz vor Honorés Selbstmord Spannungen zwischen ihm und der Museumsleitung gegeben haben. "Le Quotidient de l'Art" zitiert eine Nachricht an einen ungenannten Freund am Tag vor seinem Tod, in dem der Kurator geschrieben haben soll, dass er im Museum "gefangen" sei und dass er "nicht in der Lage, zu gehen". Für "Art News" berichtet Alex Greenberger.

Kunstmarkt

Besser als Aktien? Um Kunst als reines Investment geht es in diesem Artikel aus dem "Welt"-Finanzressort. Und wie so häufig in dieser Art Artikel folgt sofort die Enttäuschung: "Als Finanzprodukt ist Kunst aufgrund der fehlenden Fungibilität nicht geeignet", erklärt ein Vermögensverwalter. "Es sei weder planbar noch absehbar, wann Kunst wieder veräußert werden kann. Auch die oft behauptete niedrige Korrelation mit anderen Anlageklassen führe in die Irre. Da es keine beobachtbaren Preise – außer die seltenen Auktionen – für das einzelne Kunstobjekt gebe, finde zwar eine theoretische 'Risikoglättung' im Gesamtportfolio satt. 'Die ist allerdings mehr Schein als Sein, da sie einer unzulänglichen Datenbasis entspringt.'"