Medienschau

"Ich habe überhaupt nichts gegen Genderfragen, aber ..."

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Ist das Lüpertz-Kirchenfenster ein "Geschenk der Hölle"? Wieviel Scientology steckt in Helnweins Kunst? Und wie drastisch dürfen Ausstellungen sein? Das ist unsere Presseschau am Mittwoch

Debatte

Die Menschen in den Arbeiten der Filmemacherin und Künstlerin Adina Pintilie führen wie im Labor vor, was Körperlichkeit und Intimität bedeuten können. Konkret und drastisch. Zu drastisch für einige. Im Württenbergischen Kunstverein ist jetzt eine Ausstellung Pintilies zu sehen, und die "Stuttgarter Zeitung" zitiert eine Ausstellungsbesucherin: "Ich habe überhaupt nichts gegen Genderfragen, Vielfalt leben zu dürfen und zu können, das ist essenziell. Aber was ich gerade gesehen habe, ist mir dann doch etwas zu intim, daher war ich nicht so lange drin. Schon mutig. Aber ob die das mal bereuen, sich da so zeigen, wie damals Jeff Koons?" Ausgestellt wird eine Werkreihe, die mit dem Film "Touch Me Not" begann, der bei der Berlinale 2018 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde. Pintilie weiß, dass die Reaktionen auf die teilweise deutlich dargestellten Möglichkeiten menschlicher Sexualität sehr unterschiedlich ausfallen. Jeder müsse wohl eine persönliche Antwort auf die Bilder finden, sagte sie damals auf der Berlinale. 

Malerei

Eine ganz neue Form der Kunstkritik führt Almuth Spiegler in der "Presse" vor, wenn sie fragt: Wieviel Scientology steckt in Gottfried Helnweins Kunst? "Schließlich ist Scientology (SO) kein Nähkränzchen, in Bayern wird die Organisation etwa vom Verfassungsschutz beobachtet", so die Begründung. Was ihr in der aktuellen Ausstellung des österreichischen Malers in der Wiener Albertina auffällt: "Die ununterbrochene Wiederholung von erlebten Traumata, solange, bis deren 'Ladung' abgebaut sei, ist zentrales System der 'Auditing'-Pseudopsychoanalyen bei Scientology. Allerdings, nicht jeder Künstler, der in seiner Kunst die eigenen Erlebnisse wieder und wieder bearbeitet, ist Scientologe." 

Das exaltierte Bohemeleben der polnischen Art-Déco-Malerin Tamara de Lempicka (1898-1980) soll Grundlage für ein Broadway-Musical werden, berichtet die "New York Times". Das "Lempicka" betitelte Stück wird ab nächsten Frühjahr im New Yorker Longacre Theater zu sehen sein wird, die Musik hat Matt Gould geschrieben, die Texte Carson Kreitzer, Regie führt Rachel Chavkin, die Choreografie stammt von Raja Feather Kelly. Die Porträts Lempickas stehen wie wenige Arbeiten für ein neues, modernes Menschenbild der 1920er-Jahre. Sie malte ihre Modelle in einer klaren, distanzierten Art - wobei die Porträtierten immer auf zeitgenössische Weise "cool" aussehen. Besonders diese Eigenschaft mag auch dazu beigetragen haben, dass die Künstlerin von heutigen Stars wie Madonna, Jack Nicholson oder Wolfgang Joop geschätzt wird.

John-Paul Stonard bespricht in der "London Review of Books" die Ausstellung von Nicole Eisenman in der Londoner Whitechapel Gallery, die zuvor im Münchner Museum Brandhorst zu sehen war. "Wie auch sonst in ihrem Werk stellt Eisenman die Arbeit des Künstlers als beschämend dar - als belastenden und peinlichen Narzissmus", schreibt Stonard. "Was soll die Gesellschaft mit der schieren Anhäufung von Kunst, von der die meisten schlecht ist, anfangen? Eine Packung Dynamit, die in Maker's Muck an ein Mobiltelefon angeschlossen ist, legt eine Antwort nahe und erinnert an Eisenmans Selbstporträt mit explodiertem Whitney, ein Wandgemälde, das 1995 für die Whitney Biennale entstand. Inmitten eines riesigen Schutthaufens, aus dem andere (meist männliche) Künstler zu entkommen versuchen, sitzt Eisenman im Schneidersitz wie ein Töpfer und bemalt in aller Ruhe ihr Stück Wand."

Museen

Das Museum für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt am Main hat vier Kunstwerke Cameron Rowland für die Sammlung gekauft, Arbeiten, die zuvor auch in einer Einzelausstellung des US-Künstlers in dem Haus zu sehen waren. Drei der vier angekauften Objekte seien teurer als 20 000 Euro, wie die "FR" aus einem als vertraulich eingestuften Schreiben von Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) erfahren hat. Die Stadtverordneten hatten dem Kauf im Kulturausschuss genehmigt. "Mit diesen Ankäufen besitzt das MMK neben der Tate in London und dem MoMA in New York eine der umfangreichsten Sammlungen von Werken Cameron Rowlands“, sagte Hartwig der Zeitung. 

Das besondere Kunstwerk

"Geschenk der Hölle", titelt die "SZ" und meint damit das von Ex-Kanzler Gerhard Schröder gestiftete Fenster von Markus Lüpertz in der Marktkirche in Hannover. Autor Till Briegleb konnte den Elefanten im Raum bei der Einweihung förmlich greifen, schließlich ist Schröder immer noch nicht nicht von seiner russlandfreundlichen Haltung abgerückt. Es gab einige Seitenhiebe, aber auch viele Herzlichkeiten gegenüber Schröder. "Markus Lüpertz in seiner berühmt offensiven Eitelkeit gratulierte nur den Hannoveranern, dass sie jetzt 'so ein schönes Fenster in ihrer Kirche haben'. Das führte als Schlusswort zu Gelächter. Es hörte sich irgendwie erlösend an."