Moskau

Medien: Tretjakow-Galerie wegen "destruktiver" Bilder unter Druck 

Die staatliche Tretjakow-Galerie in Moskau ist einem Medienbericht zufolge wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die sogenannten traditionellen Werte Russlands unter Druck geraten

Das Kulturministerium habe die Galerie schriftlich dazu aufgefordert, ihre Ausstellung "in Übereinstimmung mit den geistlich-moralischen Werten" zu bringen und Rechenschaft darüber abzulegen, berichtete die "Moscow Times" am Montagabend. Auslöser war die Beschwerde eines Besuchers über mehrere Werke, die seine religiösen Gefühle verletzt haben sollen oder seiner Auffassung nach eine Beleidigung einheimischer Staatsführer darstellen.

Laut dem Brief des Kulturministeriums soll die Tretjakow-Galerie bis zum 6. Februar auf die Vorwürfe antworten. In der Beschwerde heißt es, dass in den Sälen "Werke ausgestellt sind, die Anzeichen einer destruktiven Ideologie aufweisen." Konkret störte sich der Besucher an einem Zyklus über das Heilige Abendmahl, aus dem nicht klar hervorgehe, wer Judas sei. Zudem sei die Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Szenen über "zahlreiche Beerdigungen, darunter im Beisein marginaler sozialer Elemente, über Trunksucht und über willkürliche Interpretationen bei der Darstellung vaterländischer Staatsmänner und Kulturschaffender" übersät, klagte der Besucher.

Die Tretjakow-Galerie ist neben der Eremitage in St. Petersburg das größte Kunstmuseum in Russland und spezialisiert sich auf Werke der russischen Kunst vom 11. bis zum 20. Jahrhundert. In ihrer langen Geschichte hat die Galerie früher schon Epochen der Zensur durchlaufen. So verbannte die kommunistische Führung in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts alle Werke avantgardistischer Künstler im "Kampf gegen den Formalismus" aus den Ausstellungsräumen. Die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erlassene russische Verfassung verbietet Zensur in der Kunst. Allerdings ist in den letzten Jahren auch die Freiheit der Kunst in Russland zunehmend unter Druck geraten.