Lyon-Biennale

Harmonisches Wunschdenken

Auf der aktuellen Lyon-Biennale zeigt Kuratorin Alexia Fabre ein versöhnliches Kaleidoskop der Kunst. Das kann man in diesen krisenhaften Zeiten für utopisch halten, man lernt jedoch viel über verschiedene Arten des Zusammenseins

Diese Ausgabe der Lyon-Biennale setzt auf die Jugend. Kuratorin Alexia Fabre, Direktorin der École des Beaux-Arts de Paris, mischt auffällig viele 1990er-Jahrgänge mit etablierten Positionen von Christian Boltanski bis Chantal Akerman. Die thematisch verbindende Klammer gibt sich sanft, humanistisch und weniger opulent als die letzte Ausgabe von Sam Bardaouil und Till Fellrath. Fabre stellt menschliche Beziehungen untereinander und zu ihrer Umwelt in den Fokus, entlang von Werken, die auf die neun Orte und ihre Geschichten reagieren.

In der U-Bahn-Station des Bahnhofs Part-Dieu etwa hält Edi Dubien mit seinen verträumten Aquarellen von jungen Männern in Röcken, in den Händen Blumen und Vögel, die Hektik des Alltags an. In der neuen Location Les Grandes Locos, einem ehemaligen Eisenbahnwartungszen­trum am Ufer der Rhône, mani­festieren sich die kuratorischen Vorgaben weniger eindeutig, dafür aber humorvoll, etwa in wütenden Schnellkochtöpfen, die zur Revolution aufrufen. Pilar Albarracín erinnert mit der Installation an die Arbeiter, die hier für ihre Rechte kämpften. Die Geräte geben im Takt der Internationale buchstäblich Dampf ab.

Ein Höhepunkt ist hier die Installation von Oliver Beer, der die paläolithischen Höhlen von La Grotte de Font-de-Gaume aufgesucht hat. Begleitet haben ihn acht Sänger und Sängerinnen, um in der Grotte ihre früheste musikalische Erinnerung zu singen. Beer verbindet die Auftritte auf riesigen Projektionen zu einer geheimnisvollen Polyphonie, flankiert von Gemälden aus den Grottenpigmenten.

Höhlenprojektionen und Wachsskulpturen

Die Cité Internationale de la Gastronomie in einem ehemaligen Krankenhaus ist ein weiterer neuer Standort. Ein Schmuckstück, in dem Florian Mermin in der einstigen Apotheke von den Tontöpfen für Öle und Salben zu einer bizarren Wachsskulptur mit beruhigenden Dufteigenschaften inspiriert wurde.

An den weiteren Standorten verliert die Polyphonie etwas an der Qualität eines Paukenschlags und wird recht kleinteilig. Man mag die insgesamt recht versöhnliche Geste der Ausstellung in Zeiten schwe­lender Konflikte für Wunschdenken halten. Doch was entsteht, ist immerhin das lebensnahe Kaleidoskop der vielen Arten des Zusammenseins.