"Absolute Katastrophe"

Museen müssen geschlossen bleiben

Beim Bund-Länder-Treffen zum weiteren Vorgehen in der Corona-Krise wurde ein Lockdown bis Mitte Februar entschieden. Museen müssen damit weiter geschlossen bleiben. Die Belastung für die Häuser ist enorm

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben sich Bund und Länder auf eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 14. Februar verständigt. Mit diesem Entschluss ist auch die Hoffnung vieler Museen auf eine schnelle Öffnung dahin. Die Lockdown-Verlängerung hatte sich in den vergangegen Tagen bereits abgezeichnet, und die Möglichkeit wurde in der Kulturszene bereits diskutiert. "Selbstverständlich stehen die Politik und viele Menschen vor extremen Herausforderungen, und es war für uns ganz klar, dass wir im November schließen und unseren Beitrag leisten", sagte Susanne Gaensheimer, Direktorin der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW, am Montag im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung. "Aber wenn der Lockdown noch länger anhalten sollte, müssen wir stärker differenzieren: Wo sind in unserer Gesellschaft die Orte, an denen man sich geschützt aufhalten kann? Wir könnten Rettungsinseln sein."

Die Sammlerin Julia Stoschek, die mit ihrer Stiftung zwei Ausstellungshäuser betreibt, sagte im selben Interview: "Während der Schließungen im Frühjahr und Herbst habe ich eingesehen, dass Kunst für den Moment nicht 'systemrelevant' ist. Jetzt aber, angesichts der strengen Maßnahmen über diesen langen Zeitraum, ist sie gesellschaftlich nötig - vor allem vor dem Hintergrund, dass der Lockdown womöglich noch sehr lange dauern wird. Wir verfügen über ausreichend Fläche, die Hygienekonzepte sowie die Möglichkeit, auf ihre Einhaltung zu achten. Es entzieht sich meinem Verständnis, dass unsere Häuser geschlossen bleiben müssen." Am Dienstag wiederholte Stoschek ihre Kritik und sprach von Museumsschließungen als "absolute Katastrophe".

Museumsdirektorinnen, Kinobetreiber und andere Kulturschaffende haben wiederholt darauf hingewiesen, dass es keine bestätigten Infektionen mit dem Coronavirus in Kulturhäusern gebe. Allerdings konnte die Mehrzahl der Anteckungen schon vor dem Lockdown im vergangenen November nicht mehr zurückverfolgt werden. Belastbare Daten fehlen bislang. 

Nach monatelanger Schließung keinerlei finanzielle Polster mehr

Für die Museen bedeuten die Schließungen nicht nur die Trennung von ihrem Publikum, sondern damit einhergehend ein großer finanzieller Schaden. So beziffert der Louvre seinen Verlust durch den Besucherrückgang im Jahr 2020 auf gewaltige 90 Millionen Euro. Der Deutsche Museumsbund fürchtet um die Zukunft von Museen. Viele Häuser hätten nach monatelanger Schließung keinerlei finanzielle Polster mehr. Die coronabedingte Schließung der Häuser sei "in Anbetracht des aktuellen Infektionsgeschehens" nicht anders denkbar. Doch bedeute dies "für die Museen eine weitere Verschärfung ihrer seit Monaten angespannten Situation", heißt es in einer Mitteilung des Museumsbundes von vergangener Woche.

Die deutschen Museen müssen nun also Lösungen finden, wie sie mit der weiteren Verlängerung des Lockdowns umgehen, ob etwa Ausstellungen verlängert werden können. So bemüht sich das Kölner Museum Ludwig derzeit, die Ausstellung "Andy Warhol Now", deren Eröffnungstermin bereits auf Anfang Februar verschoben wurde, weiter  zu verlängern. Es sei jedoch eher unwahrscheinlich, dass dies gelingen würde, weil sie anschließend noch nach Toronto in Kanada und Aspen im US-Bundesstaat Colorado weiterzieht. Die Crux seien die Leihgeberinnen und Leihgeber, die schon nach derzeitigem Stand zwei Monate länger auf ihre Werke verzichten müssten, sagte Direktor Yilmaz Dziewior

Einige Museen haben angekündigt, dass bei ihrer Wiedereröffnung mit einer Verlängerung der Öffnungszeiten reagieren wollen, doch noch ist völlig unklar, wann dieser Neustart Wirklichkeit werden könnte. Viele geplante Ausstellungen dürften also zumindest physisch in ihren Räumen ungesehen bleiben. Bis das Publikumsaufkommen in den Häusern wieder Vor-Corona-Niveau erreicht, könnte es nach Einschätzung der Museen Jahre dauern, da das Reisegeschehen noch lange eingeschränkt bleiben dürfte und ein großer Teil der Kunstkonsumenten Touristen sind.

"Museen können gerade in der Krise eine wichtige Funktion erfüllen"

Schon vor Weihnachten hatten mehrere Museumsleiter und -leiterinnen angeboten, dass ihre Häuser nicht einfach verschlossen, sondern kreativ genutzt werden sollten, zum Beispiel als geräumige Ausweichorte für Schulklassen oder Entlastungsort für Kinder im Allgemeinen. Bis auf einige Experimente mit Unterricht im Museum ist jedoch wenig passiert. Im Moment fährt die Regierung offenbar einen Ganz-Oder-Gar-Nicht-Kurs in Bezug auf die Kultur, der wenig Raum für alternative Konzepte lässt.

Dabei sehen viele Kunstschaffende ihr Betätigungsfeld als Möglichkeit, die Menschen in der Krisensituation zu begleiten. "Wie Kirchen können Museen die Resilienz ihrer Besucher fördern", sagte Gaensheimer der "Süddeutschen Zeitung". "Das Museum ist darüber hinaus ein Ort der Bildung und des Diskurses und unterstützt die Demokratiefähigkeit einer Gesellschaft. Deswegen können Museen gerade in der Krise eine wichtige Funktion erfüllen."

Die ehemalige Kulturstaatsministerin Christina Weiss befürchtet durch die anhaltenden Schließungen der Kulturhäuser keinen Gewöhnungseffekt an den "kulturlosen Zustand" beim Publikum: "Die Leute werden die ganze Neugier, die sie haben, auch wieder auf die Museen richten", sagt sie am Dienstag im "Deutschlandfunk Kultur". "Und die Museen bieten gute Ausstellungen. Dann werden sie wahrscheinlich eher wieder Schlangen vor der Türe haben als zu vereinsamen.“ Sie widersprach damit der Leiterin der Bundeskunsthalle in Bonn, Eva Kraus, die meinte: "Am Anfang ist das Bedürfnis groß, und irgendwann gewöhnt man sich daran, dass diese Dinge nicht mehr möglich sind."