Vom Arsenale aus sieht man schon die überdimensionalen bunten Plastikbälle auf der anderen Seite des Wassers. Der Weg dahin ist eine kleine Odyssee. Doch von Tag zu Tag pilgerten mehr Leute mit Biennale-Plänen in der Hand zu dem ehemaligen Militärgelände an den alten Werften Venedigs. Der litauische Pavillon war einer dieser Geheimtipps, die irgendwann zum Muss werden. Jetzt hat Litauen zum ersten Mal in seiner Geschichte den Goldenen Löwen für den besten Länderbeitrag gewonnen. Und es ist eine absolut überzeugende Wahl.
Filmemacherin Rugilė Barzdžiukaitė, Schriftstellerin Vaiva Grainytė und Komponistin und Performancekünstlerin Lina Lapelyte haben mit "Sun and Sea" etwas geschaffen, was sie "Performance-Oper" nennen. Die Besucher schauen von einer Empore auf die Szenerie als schwebten sie in einer Drohne. Unten ist ein kompletter Strand aufgeschüttet worden, darauf Leute, wie man sie in jedem Strandurlaub trifft: Das ältere Paar, das sich gegenseitig den Rücken eincremt, die spielenden Kinder, die junge Clique, die arrogante Schöne, Zwillinge mit langen Zöpfen im Teenageralter. Nur dass diese Strandbesucher Arien singen.
Zur Komik der absurden Szenerie passen die ironischen Texte: die Arie vom Vulkanausbruch, der einem den Urlaub versaut, das Lied vom Great Barrier Riff und den eigenen vielen Flugreisen, auf die man so stolz ist, die gesungenen Bekenntnisse der konsumistischen Spießbürger.
Einerseits kann man das etwas harmlos finden: Hübscher kann man Kritik am umweltschädlichen Tourismus nicht verpacken. Andererseits aber freut man sich doch an der Perfektion dieser Produktion, ihrem Witz und ihrer Spielfreude. Die Inszenierung ist so überraschend und charmant, dass man einfach mitsummen muss.
Ein bisschen hat übrigens auch deutsche Kunstförderung zu dem Erfolg beigetragen: Eine kurze Fassung von "Sun and Sea" entstand bereits 2016, als Barzdžiukaitė, Grainytė und Lapelytė Stipendiatinnen des Schloss Solitude bei Stuttgart waren.