Anne Imhof hatte bereits 2015 am MoMA PS1 in New York die Arbeit "Deal" gezeigt, die sich später in ihrem ersten großen Auftritt in Berlin, "Angst", im Hamburger Bahnhof fortsetzte. Für ihren deutschen Pavillon, kuratiert von Susanne Pfeffer, bekam sie 2017 den Goldenen Löwen von Venedig verliehen.
Ihre dort gezeigte Arbeit "Faust" machte erstmals ein internationales Publikum mit ihrer neuartigen künstlerischen Praxis bekannt: Für eine Dauer von mehreren Stunden führten Performer innerhalb und außerhalb des Pavillons tänzerische, musikalische oder alltägliche Handlungen aus. Dabei war die räumliche Grenze zwischen Zuschauenden und Handelnden aufgelöst. Anstelle der einseitigen Beziehung zwischen passivem Betrachter und aktivem Performer trat ein intuitives Mäandern zwischen den Ereignissen, die teilweise zeitgleich und in sich wandelnder Abfolge in einer Architektur aus Glas und Stahl stattfanden.
Diese Praxis arbeitete Anne Imhof in weiteren großangelegten Ausstellungen wie im Stedelijk Museum Amsterdam, in der Tate Modern oder im Palais de Tokyo in Paris weiter aus. Für letzteres entwickelte sie eine Ausstellungsarchitektur aus Fassadenglas und stellte eigene skulpturale Werke, Zeichnungen und Malerei in eine Verbindung mit Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern wie Paul Thek, Rosemarie Trockel oder Sigmar Polke. Hier zeigte sie nicht nur ihre eigene künstlerische Herkunft, sondern legte auch dar, wie tief sie trotz aller Aufmerksamkeit für ihre Performances in der Malerei verwurzelt ist.
5000 Quadratmeter Kunst-Spielwiese
Ihre letzte große Ausstellung im Kunsthaus Bregenz, "Wish you were gay", bestand neben neuen Gemälden und installativen Objekten auch aus vielen frühen Videoarbeiten der Künstlerin und zeigten ein konsistentes Werk aus zwei Jahrzehnten, das von Sanftheit und Härte, Verletzlichkeit und vorwärtstreibender Entschlossenheit geprägt ist.
Das geplante New Yorker Stück "Doom" wird unter Mitwirkung von rund 60 Performern stattfinden, die meisten von ihnen aus der Stadt selbst. Sie kommen aus den Bereichen Tanz, Kunst, Skateboarding oder Schauspiel, auch Mitglieder von New Yorker Tanzkompanien sind dabei. Kuratiert wird "Doom" von Klaus Biesenbach, dem Direktor der Neuen Nationalgalerie Berlin. "Sie verfügt über eine einfühlsame und gleichzeitig transformative Qualität, Körper, Bilder und Klänge durch den Ausstellungsraum zu bewegen, die beim Publikum und den Darstellern gleichermaßen starke Reaktionen hervorruft", sagt Biesenbach. Jetzt werde sie die New Yorker auf diese besondere Reise mitnehmen.
Schauplatz wird die Park Avenue Armory in Manhattan sein, ein historischer neogotischer Bau aus dem 19. Jahrhundert mit einer mehr als 5000 Quadratmeter großen Drill-Halle, die früher zum Exerzieren diente und heute für experimentelle künstlerische Projekte aus den Bereichen Musik, Tanz und Kunst genutzt wird.
"Doom ist mein Liebesbrief an New York", sagt Anne Imhof, "eine Stadt, der ich mich sehr nah fühle und die mich seit vielen Jahren inspiriert. Ich fühle mich geehrt, für diese Show mit der diversen Künstlercommunity New Yorks zusammenzuarbeiten." Die Dimension der Drill Hall sei eine weitere große Inspiration gewesen. "Die immense Größe der Halle hatte Einfluss und erlaubt mir zugleich, ein Werk zu zeigen, das größer und komplexer ist als alles, was ich bisher gemacht habe."
Doch das Projekt sei erst komplett, wenn Publikum anwesend sei. "Ich freue mich darauf, die Energie zu erleben, die New York mitbringen wird", sagt Anne Imhof.