Kunstmesse Art Karlsruhe

Lebenswerke

Fünf Künstlerinnen und Künstler, die diese Woche auf der Kunstmesse Art Karlsruhe neu in den Fokus kommen

Nicht nur junge Künstlerinnen und Künstler warten manchmal noch darauf, entdeckt zu werden. Die Art Karlsruhe möchte mit dem neuen Format re:discover solche Positionen vorstellen, die zu Unrecht auf dem Kunstmarkt nicht viel Beachtung erfahren, trotz eines kontinuierlichen Schaffens. In Förderkojen, die an den eigenen Stand angegliedert sind, werden 20 Künstlerinnen und Künstler ausgestellt, die von einer Jury aus Vorschlägen der Galerien ausgewählt wurden. Damit daraus keine Eintagsfliegen werden, verpflichten sich die Galerien, die Künstlerinnen und Künstler mindestens drei Jahre professionell zu vertreten. Wir stellen fünf Positionen vor, die einen zweiten Blick verdient haben

Galerie Kornfeld: Dieter Jung "Flying Feathers", 1977
Foto: Courtesy KORNFELD Galerie Berlin und Dieter Jung

Galerie Kornfeld: Dieter Jung "Flying Feathers", 1977

Bei Dieter Jung (geboren 1941) verwundert es geradezu, dass man den Namen des 82-Jährigen nicht sofort im Kopf hat, wenn es um Holografie und Lichtkunst geht. Jung war Gründungsmitglied und Professor an der Kunsthochschule für Medien in Köln und im Kuratorium des ZKM Karlsruhe. Sein künstlerischer Weg führte ihn von der Darstellung von Licht mithilfe des Mediums Farbe zur Arbeit mit dem Medium Licht selbst. Seine Gemälde scheinen von innen heraus zu leuchten, seine Hologramm-Skulpturen und Mobiles verändern sich bei jeder Bewegung um sie herum, und seine abstrakten, reduzierten Buntstiftzeichnungen überführen die Ästhetik von flackernden Röhrenbildschirmen in grafische Muster. Jung, der von der Galerie Kornfeld vertreten wird, experimentierte schon sehr früh mit dem Computer als Werkzeug der Kunstproduktion und stellt die digital entstandenen Werke seinen analogen Farb-Licht-Spielen gegenüber. Das wirkt frisch und lebendig und verdient ein Revival – so wie die Technik des Hologramms, die in jüngster Zeit in Form von LED-Skulpturen aus der Werbung ihren Weg in die zeitgenössische Kunst gefunden hat.

Galerie Sandau & Leo: Herta Günther "Junge Dame mit Kappe und Pelz", 1970–75
Foto: Michelle Steinert

Galerie Sandau & Leo: Herta Günther "Junge Dame mit Kappe und Pelz", 1970–75

Die Malerin Herta Günther (1934–2018) verbrachte ihr ganzes Leben in Dresden, wo sie in den 1950er-Jahren an der Hochschule für Bildende Künste studiert hat. Ihre Café- und Straßenszenen, Porträts und Gruppenbilder aus den 1990er- und 2000er-Jahren scheinen den Geist vergangener Zeiten heraufzubeschwören, als die Boheme sich im Kaffeehaus traf und im Hintergrund Charleston und Chansons gespielt wurden. Doch ihr Fokus richtete sich auf die einsamen Menschen, meistens Frauen, die im Trubel am Tisch sitzen, auffällig gekleidet und geschminkt, als würden sie damit ihre Traurigkeit zu überdecken versuchen. Mit einem sehr eigenen Stil, der seine Vorläufer nicht verheimlicht, schrieb die Künstlerin sich in eine ostdeutsche Maltradition ein. Zu sehen am Stand der Galerie Sandau & Leo aus Berlin. 

Galerie an der Pinakothek der Moderne: Michael Ruetz "12. Juli 1969, Hunsrück. Bauerndemonstration gegen Tiefflugübungen", 1969
Foto: © Michael Ruetz

Galerie an der Pinakothek der Moderne: Michael Ruetz "12. Juli 1969, Hunsrück. Bauerndemonstration gegen Tiefflugübungen", 1969

Auch der Fotograf Michael Ruetz (geboren 1940) begann seine künstlerische Karriere mit der Mitarbeit an Harald Szeemanns Documenta 5 in Kassel 1972. Als Bildreporter gehörte er lange Jahre zur Redaktion des "Stern" und dokumentierte die 1968er-Bewegung und zahlreiche einschneidende politische Ereignisse dieser Zeit. Auf der Art Karlsruhe zeigt die Galerie an der Pinakothek der Moderne aus München historische Fotografien der 1960er-Jahre in der BRD und DDR und eine Serie über Joseph Beuys, die 50 Jahre im Archiv des Fotografen schlummerte. Ruetz begleitete Beuys in den 1970ern mehrere Jahre lang und fotografierte ihn in stillen Momenten: bei der Arbeit, mit seiner Familie oder im Akademieumfeld.

Galerie Ricarda Fox: Dore O., aus der Polaroidserie "die Idee", 1990, mit Heide Jansen, Andreas Kunze, Werner Nekes, Christoph Schlingensief
Foto: Dore O. Nekes, Lubo Laco und Heiner Schmitz, © Dore O. Nekes und Ricarda Fox Galerie

Galerie Ricarda Fox: Dore O., aus der Polaroidserie "die Idee", 1990, mit Heide Jansen, Andreas Kunze, Werner Nekes, Christoph Schlingensief

Das Spiel mit den Medien betrieb auch die Künstlerin Dore O. (1946–2022). Als Filmemacherin war sie eine bekannte Größe, erhielt zahlreiche Auszeichnungen für Filme, die sie mit ihrem Mann Werner Nekes produzierte, darunter den Deutschen Filmpreis. 1972 und 1977 nahm sie an der Documenta teil, ihre Experimentalfilme, in denen sie mit Montage, Doppelbelichtungen und Überblendungen gearbeitet hat, wurden kontinuierlich in Kunstinstitutionen gezeigt.

Weniger bekannt ist ihr Werk als bildende Künstlerin, das sie teils aus Filmmaterial oder davon ausgehend schuf. In Gemälden, Assemblagen, Installationen und übermalten Fotografien befragte sie das Medium Bild und seine Aussagekraft. Wie auch in ihren Filmen nahm sie das Medium auseinander, ritzte in fotografische Oberflächen, überblendete sie mit Projektionen und nutzte den Bildträger – als Negativ und Filmstreifen – für raumgreifende Installationen. Ricarda Fox, deren Galerie in Dore O.s Heimatstadt Mülheim an der Ruhr ihren Sitz hat, stellt das Werk auf der Messe vor.

Die Galerie Judith Andreae integriert ihre Förderkoje der Kölner Künstlerin Rune Mields (geboren 1935) in eine Gegenüberstellung mit jüngeren Künstlerinnen. In ihren Malereien und Zeichnungen spürt Mields der Ordnung der Welt und dem visuellen Wert der Dinge anhand von philosophischen und mathematischen Fragestellungen nach. Die Auseinandersetzung mit Zeichensystemen, ob in Schriftsprachen, Musik oder Naturwissenschaften, bildet oft den Ausgangspunkt für ihre Werke, in denen sie sich stets auf Schwarz-Weiß und Grautöne beschränkt und Zitate aus der Literatur und Wissenschaft mit abstrakten und häufig schematischen gegenständlichen Zeichnungen verbindet.

Rune Mields überführt philosophische Fragen nach Raum, Zeit, Unendlichkeit und Schönheit, die den denkenden Menschen seit jeher begleiten, in die Kunst. Es geht nicht um das Aufzeigen von Antworten, sondern darum, die Faszination für diese ewigen Fragen und deren Formwerdung in den verschiedenen Wissenschaften auszudrücken.

Über die Art Karlsruhe spricht auch Monopol-Redakteurin Silke Hohmann mit Detektor FM. Sie können den Beitrag hier hören: