Wenn Le Corbusier und seine Frau morgens erwachten, sahen Sie über ihre Füße hinweg auf die Gemeinde Boulogne hinunter, und hinter sich wussten sie die Seine und den Eiffelturm. Anstatt sich aus dem Bett zu erheben, schwangen sie sich von ihrer erhöhten Schlafstatt herab in den Tag, dank einer Idee, die der Architekt in der Kabinen eines Ozeandampfers bekommen haben muss: ein Bett auf Brusthöhe, gestützt auf Pilotis.
Am südwestlichen Stadtrand von Paris liegt sein zweigeschossiges Studio-Apartment, das lange im Verfall begriffen war und jetzt erstmals öffentlich zugänglich ist. Klingeln, Fahrstuhl nach oben, Wendeltreppe, hinein in einen hellen kleinen hellen Eingangsbereich, der entweder ins Atelier, in den Wohnbereich oder zum Dachgeschoss führt.
Wie angemessen hier alles wirkt, würde auch dann auffallen, wenn man nicht wüsste, dass der große Stadtplaner, Möbeldesigner und Architekt Le Corbusier diese Räume 1934 entworfen und mehr als dreißig Jahre lang selbst bewohnt hat. Die von ihm eingeführte freie Grundrissgestaltung, heute Standard, war hier revolutionär: Auf einem durchgehenden Fußboden wechseln sich Zonen von großzügiger Weite und solche für Geborgenheit und Intimität ab. Das hohe, helle Atelier mit einer Wand aus teilweise sichtbaren Bruchsteinen wird von einem Tonnengewölbe überspannt – ein Raum, der eine andere, viel ältere Architektursprache spricht, als man im oberen Geschoss eines Mietshauses erwarten würde. "Stein kann durch die Wand zu uns sprechen", erklärte Le Corbusier. "Kommen wir ihm nah und berühren ihn mit den Händen, ist seine Haut rau und doch wohldefiniert. Diese Wand ist mein täglicher Freund."
Von der Dachterrasse aus, an die auch das Gästezimmer angrenzt, das für Le Corbusiers Mutter reserviert war, sieht man ins Stadion Parc des Princes, in dem heute die Mannschaft von Paris Saint Germain spielt, am Anfang der Straße liegt das historischen Schwimmbad Molitor, in dem Johnny Weissmüller 1929 Bademeister war.
Seit 2016 zählt Le Corbusiers Atelier-Wohnung im 16. Arrondissement zum Unesco-Welterbe, zwei Jahre hat die Restaurierung gedauert. Das Kuhfell, das im Salon auf dem Boden liegt, wurde genauso sorgsam repariert wie die Thonet-Stühle und die LC-Liege, die seine eigene war. Wandfarbe, Türgriffe, Oberflächen wurden so wiederhergestellt, dass sie – ganz im Sinne ihres früheren Besitzers – nahbar und benutzbar wirken. Nichts daran ist museal, eher, als besuche man jemanden aus der Gegenwart.