France-Lise McGurn bei Massimodecarlo
Fünf Jahre war Pause – jetzt ist Massimodecarlo zurück auf der Miart. Der Mailänder Stammgast unter den internationalen Großgalerien bringt das Prinzip seiner Pariser Dependance "Pièce Unique" in die lombardische Metropole: Neben der Messepräsentation gibt es am Stand ein täglich wechselndes Werk, ganz nach dem Vorbild in der Rue de Turenne. Zu sehen sind Highlights aus dem Galerie-Programm, darunter Elmgreen & Dragset, Jamiu Agboke, Skyler Chen und Xiyao Wang. Außerdem findet man hier Figuren der schottischen Künstlerin France-Lise McGurn, die auf ihren zart grundierten Leinwänden wirken wie Momentaufnahmen aus einem Tagtraum – pastellig, flüchtig, manchmal konfrontativ, dann wieder sanft. Musik, Erinnerung, Popkultur: McGurns Welt ist in Bewegung, ihre Striche tänzeln wie Notizen durch den Raum und entziehen sich jedem Stillstand.
Booth B55-59
France-Lisa McCurn, "Heavy Pet", 2025
John Giorno bei Thomas Brambilla
"You got to burn to shine" – wer an diesem Satz vorbeigeht, hat John Giorno nicht verstanden. Die Galerie Thomas Brambilla zeigt eine pointierte Auswahl der "Poem Paintings" des US-Künstlers, bei denen Worte zu Bildern werden und Sprache zur Attacke. Giorno, 1936 geboren, war nicht nur Poet, Performer und Warhols "Sleep"-Muse, sondern auch ein Pionier der Sprachkunst, der mit "Dial-A-Poem" sogar das Telefon zur Galerie machte. In der Präsentation schimmern seine berühmten "Perfect Flowers"-Sätze wie "Chrysanthemums are a garland of skulls". Sie blühen in Acryl auf Leinwand, süßlich und böse zugleich. Der Auftritt knüpft an die große Retrospektive "A Labour of Love" während der Mailänder Triennale an – und erinnert das Publikum, dass Giorno nie an Stilfragen interessiert war, sondern immer an Wirkung.
Booth A25

John Giorno, "You Got To Burn To Shine", 2015
Tanja Widmann bei Felix Gaudlitz
Fünf Positionen zeigt die Wiener Galerie Felix Gaudlitz auf der Miart – darunter Milena Büsch, Lukas Posch, Halvor Rønning und Tiffany Sia. Doch der Blick bleibt vor allem bei Tanja Widmann hängen: Die 1966 geborene Künstlerin zeigt mit ihrer Serie "Lying Daughters" eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Zuschreibungen, familiären Übertragungen und medialer Inszenierung. Im Zentrum stehen zwei großformatige Bildträger, auf denen reproduzierte Aufnahmen aus Richard Princes berüchtigtem Katalog "Girlfriends" durch Tape, Farbe und Fragmentierung neu aufgeladen werden. Auch ein Zeichenversuch ihres Vaters, ein Fliesenplan von 1961 mit dem Vermerk "falsch", wird zum Material, das sie in ihrer Serie weiterverarbeitet. Widmann arbeitet mit Überlagerungen und Umdeutungen: Bilder werden übernommen, weitergeschrieben, aus dem Takt gebracht – und gelegentlich mit einem Seitenhieb versehen.
Booth B45

Tanja Widmann, "SL (Girlfriends) Plot", aus der Serie "Lying Daughters", 2024
Marilou Poncin bei Spiaggia Libera
"Studiolo" nennt Marilou Poncin ihre Präsentation bei Spiaggia Libera – und denkt damit zurück an jene geheimen Kabinette der Renaissance, in denen sich Denken, Sammeln und erotische Neugier ungestört entfalten durften. Ein grüner Mesh-Schleier legt sich über einen Teil der Koje wie eine Andeutung – aber das, was dahinter passiert, ist weit entfernt von höfischer Männlichkeitsfantasie. Die französische Künstlerin, Jahrgang 1992, kapert die Erzählungen der Antike und kippt sie um. Leda, Danaë, Olympia – sie alle sind noch da, aber diesmal gehört die Metamorphose ihnen. Zwischen Keramiken, auf denen winzige Muscheln, Spiegel und Schmuckstücke mit geheimnisvollem Innenleben glitzern, beginnt man zu ahnen, worum es Poncin wirklich geht: nicht um Dekor, sondern um eine stille Machtverschiebung. Aus Medaillons werden Reliquien, aus Nymphen souveräne Körper – und aus dem Studiolo der Renaissance eine Arena weiblicher Selbstbehauptung.
Booth E112

Marilou Poncin "Léda", 2025
Gabriele Picco bei Ex Elettrofonica
Ein bisschen Zucker muss sein – vor allem nach einem langen Messetag. Der italienische Künstler Gabriele Picco serviert (zum Glück) bei Ex Elettrofonica eine Installation, die aussieht wie eine italienische Konditorei – kunstvoll glasierte Torten, Sahnewolken und Marzipanrosen inklusive. "Pasticceria Italia" heißt die 2025 entstandene Arbeit. Doch was auf den ersten Blick harmlos wirkt, entpuppt sich als Bühne für nationale Traumata: Jede Torte steht für ein verdrängtes Kapitel kollektiver Erinnerung – ungeklärte Attentate, verschwiegene Gewalttaten, offene Wunden. Der Bruch zwischen Ästhetik und Inhalt ist gewollt: Picco lockt mit Puderzucker, um Schmerz sichtbar zu machen. Und das nicht nur visuell – der Künstler kommt am ersten Messetag persönlich vorbei, schneidet eine Torte an und beißt genussvoll hinein. Das Beste daran: Probieren ist erlaubt.
Booth C41

Gabriele Picco "Pasticceria Italia", 2025
Jonathan Monk bei Meyer Riegger
Ein Sonnenuntergang für 1000 Euro – das klingt nach Luxusurlaub (und "White Lotus"), ist aber der Titel von Jonathan Monks neuer Aquarell-Serie, die während eines Griechenlandurlaubs entstand. Jeden Tag ein Sonnenuntergang, datiert, leuchtend, melancholisch. Monk macht daraus kleine "Date Paintings" mit Konzept – irgendwo zwischen On Kawara, Instagram und Reisebüroschaufenster. Dazu gibt's am sehenswerten Stand von Meyer Riegger Arbeiten von Miriam Cahn, Caroline Bachmann, Katinka Bock, Tamina Amadyar und Horst Antes.
Booth B48

Jonathan Monk, "€1000 Sunset 04Mar24", 2024
The Back Studio bei Matta
Stahlträger, Neonröhren, Bauteile wie aus einem zukünftigen Möbelkatalog – The Back Studio zeigt bei Matta skulpturale Assemblagen, die irgendwo zwischen Baustelle und Designobjekt schweben. Das Duo, bestehend aus Eugenio Rossi und Yaazd Contractor, verbindet industrielles Baumaterial mit Neonfarben, als würde es Architektur nicht bloß zitieren, sondern aktiv umbauen. Alles wirkt funktional, aber nichts funktioniert im herkömmlichen Sinn. Die Arbeiten entstehen an der Schnittstelle von Skulptur und Nutzung, Struktur und Offenheit – eine Art Systemarchäologie mit Leuchtkraft. Platziert ist der Beitrag in der Sektion "Emergent", die von Kuratorin Attilia Fattori Franchini als Bühne für experimentelle Positionen und junge Galerien konzipiert wurde.
Booth E36
Installationsansicht, Matta, Miart 2025