Marc-Aurèle Debut bei CALM – Centre d'Art La Meute
Mit seiner ersten Solo-Booth auf der Art Genève setzt der Franzose Marc-Aurèle Debut, Jahrgang 1990, auf radikale Reduktion – und maximale Provokation. Sein Stand ist nahezu leer, nur ein einziges Objekt zieht die Aufmerksamkeit auf sich: "Butt On" (2022), eine gepolsterte Leinwand in pudrigem Rosa, geformt nach Debuts eigenem Gesäß. Die Anmutung? Irgendwo zwischen Chesterfield-Sofa und Fetischobjekt.
Die Installation am Stand des Centre d'Art La Meute trägt den Titel "What are u into?" – eine Anspielung auf die gängigen Fragen auf schwulen Dating-Apps. Wer sich das Werk genauer ansehen will, muss sich buchstäblich herablassen, sich bücken, in die Knie gehen. Eine Geste, die Debuts Thema direkt körperlich erfahrbar macht: Warum gilt Passivität als minderwertig? Warum ist "unten" sein gleichbedeutend mit Schwäche? Die Arbeit setzt sich mit Machtverhältnissen in queeren Communities auseinander, mit internalisierten Rollenbildern und der subtilen Gewalt sozialer Codes.
Ein weiteres, subtiles Detail: "Butt On" ist bewusst auf der linken Seite des Standes platziert – eine Referenz an das glory hole, jenes anonyme Seh- und Penetrationsloch, das vor allem in schwulen Sexkulturen verankert ist. Indem Debut diese Assoziation in den White-Cube-Kontext der Messe überführt, hinterfragt er nicht nur die Mechanismen von Begehren und Anonymität, sondern auch die Art und Weise, wie queere Sexualität gesellschaftlich codiert und verhandelt wird.
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Installationsansicht "Marc-Aurèle Debut: What are u into?", Centre d'Art la Meute, Art Genève, 2025
Sophie Esslinger, die in wenigen Wochen ihren Abschluss an der Kunstakademie Düsseldorf macht, untersucht in ihrer Malerei, wie sich Formen verändern, auflösen und neue Bedeutungen annehmen. Werke wie "bouquet" (2024) und "dekor" (2023), die in Genf am Stand der Berliner Galerie Contemporary Fine Arts (CFA) zu sehen sind, scheinen sich in ständiger Bewegung zu befinden: Linien brechen ab oder greifen ineinander, Flächen dehnen sich aus oder kollabieren.
Die Gegensätze, die in Esslingers Arbeiten auftauchen – weich und hart, innen und außen, heiß und kalt – sind keine starren Konzepte, sondern dynamische, sich entwickelnde Kräfte. Auf der Leinwand treffen diese Polaritäten aufeinander und erzeugen ein ständiges Wechselspiel, das die Betrachtenden dazu einlädt, das Wechselhafte der Welt zu entdecken – und daran erinnert, dass Formen nicht festgelegt, sondern immer offen für neue Bedeutungen sind.
In Berlin zeigt CFA noch bis zum 22. Februar eine Soloschau der Künstlerin. "Tox Indigo", so der Ausstellungstitel, verweist auf eine Figur aus Georg Timber-Trattnigs Theaterstück "Schrei mich zurück in mein Innerstes All". Sie bewegt sich in der Geschichte durch verschiedene Zustände – so wie Esslinger in ihrer Malerei.
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Sophie Esslinger "dekor", 2023
Giulia Essyad bei FCAC – Fonds Cantonal d'Art Contemporain
Am Stand des Fonds Cantonal d'Art Contemporain verschwimmen die Grenzen zwischen analoger und digitaler Kunst auf faszinierende Weise. Die präsentierten Werke von Künstlerinnen und Künstlern wie James Bantone, Giulia Essyad, Maria Guta, Lauren Huret und Shuang Li setzen sich intensiv mit den Auswirkungen des Internets, der sozialen Medien und neuer Technologien auf unsere Wahrnehmung von Bildern und Körpern auseinander. Dabei geht es nicht nur um technische Innovationen, sondern auch um eine kritische Reflexion der gesellschaftlichen Implikationen dieser Bilderflut.
Ein besonders markantes Beispiel liefert "say you love me bitch" (2024) von Giulia Essyad. 24 iPhones, ein Haufen Kabel, LEDs – und der Körper der Künstlerin, der in dieser Inszenierung fast schon zu einer digitalen Götterfigur mutiert. Die Technologie, die unsere Körperbilder zermalmt, wird hier selbst Teil einer spielerischen, aber auch subversiven Reflexion. Essyad überführt die gängigen Codes von übersexualisierter Weiblichkeit und der Selbstinszenierung in sozialen Medien in eine hyperfeminine Ikone, die bewusst mit den Idealen von Schönheit und Perfektion bricht.
Ihre Arbeit ruft nicht nur dazu auf, über die Darstellung des Körpers in einer zunehmend digitalen Welt nachzudenken, sondern provoziert auch die Frage: Wie viel von uns selbst bleibt eigentlich noch übrig? In dieser Mischung aus Glamour und Entlarvung liegt eine Herausforderung, die gleichzeitig ein Lächeln und Stirnrunzeln hervorrufen kann.
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Giulia Essyad "say you love me bitch", 2024
Die Galerie Eva Presenhuber hat eine Auswahl von Ugo Rondinones kleineren See-Bildern mit nach Genf gebracht, die im Anschluss an seine Retrospektive "Cry Me a River" im Kunstmuseum Luzern 2024 entstanden sind. Der Schweizer Künstler, der in der Kleinstadt Brunnen geboren wurde und seit langer Zeit in New York beheimatet ist, bleibt seiner Heimat stark verbunden. Die Aquarelle auf Leinwand fangen mit leuchtenden Blautönen die variierenden Lichtstimmungen des Vierwaldstättersees ein – des Gewässers, das Rondinone seit seiner Kindheit prägt. Die Werke spiegeln die intensive Beziehung des Künstlers zur Natur und zu seiner Umgebung wider und erinnern an die große Schweizer Landschaftsmalerei von Félix Vallotton und Ferdinand Hodler.
In den Arbeiten, die Titel wie "Dreizehnterdezemberzweitausendundvierundzwanzig" und "Vierzehnterdezemberzweitausendundvierundzwanzig" tragen, verwendet Rondinone verschiedene Blautöne, um über die Kraft der Natur zu reflektieren. Neben seinen See-Bildern zeigt Eva Presenhuber außerdem neue Arbeiten von Louisa Gagliardi, Karen Kilimnik, Liesl Raff und Sue Williams. Gerade Williams' politische Ausdrucksformen ergänzen das Zusammenspiel von Natur, Identität und Abstraktion, das auch in Rondinones Werken zu finden ist.
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Installationsansicht, Galerie Eva Presenhuber, Art Genève, 2025
Baya bei Richard Saltoun
Die Richard Saltoun Gallery zeigt Werke der algerischen Künstlerin Baya (1931–1998), die mit ihrem Mix aus Surrealismus und naiver Kunst eine ganz eigene Sprache entwickelte. Geboren als Fatma Haddad in Algier, wurde Baya von der französischen Intellektuellen Marguerite Camina Benhoura gefördert, die sie an die Avantgarde der französischen Hauptstadt heranführte. Mit 16 Jahren stellte sie erstmals in Paris aus.
Zeit ihres Lebens blieb Baya ihrem Stil treu, malte vor allem Frauen, Flora und Fauna in kräftigen Farben und symbolischen Formen. Ihr wiederkehrendes Motiv – das große, offene Auge – gilt als Symbol für eine "befreite" weibliche Perspektive, die traditionelle Rollenbilder hinterfragt.
Die Richard Saltoun Gallery zeigt in Genf eine Auswahl an Arbeiten aus den 1970er- bis 1990er-Jahren (wie "Maternity, plants, birds and houses", 1984), die ein Gefühl für die algerische Erinnerung und die feministische Perspektive vermitteln, die Baya in ihrer Arbeit verankert hat. Der Stand wurde mit dem Prix Solo Art Genève-F.P.Journe ausgezeichnet, einer Ehrung für die beste Solo-Präsentation der Messe. Neben den Arbeiten von Baya zeigt Richard Saltoun Werke von Carmen Dionyse, Romany Eveleigh, Reena Saini Kallat, Bice Lazzari, Marie Laurencin, Juliana Seraphim, Véronique Filozof und Ria Verhaeghe.
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Baya "Maternity, plants, birds and houses", 1984
Das knallt: Der schweizerisch-ägyptische Künstler Karim Noureldin zeigt am Stand der Galerie von Bartha eine farbenfrohe Solopräsentation, die seine unterschiedlichen künstlerischen Medien zusammenführt. Zeichnungen und Textilien sind darunter, aber auch mehr als zwei Dutzend bunt bemalte Keramikobjekte ("Naq", 2025), die auf einer textilen Bodenarbeit platziert wurden.
Die Farben sind dabei bewusst gewählt: "Die farbige Wandmalerei strukturiert die drei Hauptwände und nimmt Bezug zu Raum und Architekturthemen, welche in vielen meiner Arbeiten – sowohl in öffentlichen wie privaten Gebäuden und Institutionen – realisiert wurden", so Noureldin. Gleichzeitig tauchen die Rosa- und Lachsrot-Töne der Wände auch in den Zeichnungen auf, während ein Grauton sowohl die Bildrahmen als auch das Podest für die Objekte verbindet.
Im Mittelpunkt der Präsentation steht "Brea" (2024) – zwei neue, großformatige Zeichnung mit Buntstift auf Papier, die mit ihren lebendigen Farben und dynamischen Formen den Raum dominieren. Kleinere Zeichnungen der gleichen Serie zeigen eine feinere, detailliertere Auseinandersetzung mit der für Noureldin typischen Formensprache. "Während diagonale und horizontale Kreuzungen den Raster sowohl für Zeichnungen wie auch des Bodenobjekts bilden, finden polychromatische Farbstrukturen sich in Zeichnungen wie auch in individuellen Farbigkeiten der keramischen Objekte", sagt Noureldin. "Ein Echo-Raum aus Farben, Strukturen und Objekt."
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Installationsansicht, von Bartha, Art Genève, 2025