Frühlingshaft heiter war das Wetter, und es hätte nicht besser passen können zur Eröffnung der neuen Ausstellung des Spreepark Art Space. Nur zu Fuß oder vorzugsweise mit dem Fahrrad ist das historische "Eierhäuschen" am Ufer der Spree zu erreichen, umgeben vom dicht bewachsenen Plänterwald, einem seinerseits historischen Erholungsgebiet Berlins im Südosten der Stadt. Dort, in den vorbildlich restaurierten Räumen dieses im 19. Jahrhundert als Ausflugslokal errichteten Gebäudes, zeigt ein im vergangenen Jahr begründete Kunstraum seine Ausstellungen.
Die einstigen Gästezimmer sind für Künstleraufenthalte umgewidmet worden, und 2024 wurden drei Kollektive für eine jeweils dreimonatige Residency ausgewählt. Nun liegen ihre Arbeitsergebnisse vor. Unter dem Titel "Verborgene Wirklichkeiten" werden "Künstlerische Erkundungen im Kollektiv" vorgestellt. Man könnte meinen, sie seien ganz bewusst für den Saisonbeginn geschaffen worden, bei dem sich Kunstpublikum, Ausflügler und Familien in ganzen Fahrradgeschwadern aufs Schönste mischen.
Die Kollektive, und auch das macht den Reiz des Projektes aus, haben eigens für die Bewerbung um die Aufenthaltsstipendien zusammengefunden. Denn es war der Ansatz der künstlerischen Leiterin Katja Aßmann, nicht Einzelpersonen, sondern interdisziplinäre Gruppen einzuladen, um sich in "Forschungsaufenthalten" mit dem Spreepark als "Ort und Raum der Transformation" auseinanderzusetzen. Der nahe Spreepark gilt als der einzige Freizeitpark der DDR, eröffnet 1969 mit Riesenrad und Miniatureisenbahn. Er verfiel nach der Wende und soll wiederhergestellt, oder besser: neu geschaffen werden.
Die drei Kollektive haben sich die Namen Imperfect Futures, Animal Architecture Collective sowie MOTH gegeben. Imperfect Futures (Naadira Patel, Manijeh Verghese, Sarah de Villiers, Zen Marie und als externe Partnerinnen Madeleine Amsler und Alice Clancy) hat sich den mobilen Bauzaun vorgenommen, der das Gelände umschließt, so selbstverständlich, dass man seine Allgegenwart kaum mehr wahrnimmt.
Zwei solcher Elemente aus Gitterdraht und Betonfüßen stehen im Hauptraum des "Eierhäuschens" herum; überraschend, weil nunmehr in einem Innenraum, aber erst in einem zweiten Moment als künstlerische Intervention wahrgenommen. "Die Natur kehrt zurück" steht auf dem großen Plakat, mit dem der vordere Zaun wie ein Billboard bedeckt ist, und das kann man durchaus als eine generelle Losung verstehen: nicht nur für den Kunstraum, sondern für den heutigen Umgang mit dem überformten Gelände im Ganzen.
Was eine Rückkehr der Natur auch bedeuten kann, zeigt das Animal Architecture Collective (Cardoso Studio, Feral Partnerships, Jennifer Turpin). Die auf Hi-Tech ausgerichtete Gruppe hat sich mit den von Tieren geschaffenen Bauten beschäftigt. Nicht nur Biber errichten wunderbare Staudämme. Vielmehr schaffen sich Tiere aller Gattungen, ob Vogel oder Fisch und Insekten sowieso, Lebensräume, die vom Menschen kaum je als künstlich geschaffen wahrgenommen werden. Die sich aber – siehe das Beispiel der Honigwaben – als außerordentlich komplex erweisen.
Von einem Staunen zum Nächsten
Dazu hat das Kollektiv eine Videoarbeit erstellt, in der es heißt: "Wir stellen die Tierarchitekt*innen vor", die den Betrachter und die Betrachterin von einem Staunen zum nächsten bringen sollen. Was aber passiert, wenn auch noch KI genutzt wird, zeigt ein weiteres Werk. Dieses führt nicht real existierende, aber anhand der zugeführten Daten durchaus mögliche "Tierarchitekturen" vor, die der Begleittext zu Recht als "architektonische Halluzinationen" bezeichnet.
Da ist man geradezu froh, in einen dritten Raum mit der Arbeit von MOTHS (Yujia Bian, Niel de Vries, Hanwen Zhang, Xiaolu Yan) wechseln zu können. Hier steht ein runder Tisch in der Mitte, von sieben Stühlen umgeben, liebevoll eingedeckt mit Geschirr und in Keramik ausgeführten Speisen. Irritierend nur die arg bunte Farbigkeit.
Natürlich nimmt der Tisch Bezug auf die Geschichte des Ortes als Speisegaststätte, wie sie ja nebenan im gastronomischen Teil des "Eierhäuschens" wiederbelebt wurde und an diesem Frühlingssonntag nur allzu gern genutzt wird. Die Arbeit mit dem merkwürdigen Titel "Unter dem Kautisch" stört die Routinen nicht nur mit ihren knallbunten "spekulativen Gerichten", sondern auch mit den Porzellantellern, auf denen invasive Pflanzenarten abgebildet sind. Diese hat das Kollektiv im Spreepark ausfindig gemacht.
Kunst, Natur und Wohlgefühl
"Invasiv" ist nun auch die Kunst, doch in gelungener Koexistenz mit den Bedürfnissen der Erholungssuchenden, die in der Frühlingssonne die Gastterrasse und den benachbarten Biergarten besetzen. Das Residenzprogramm ist ein besonderes; nicht nur, weil es Kollektive einlädt, sondern diese zudem aus vier bislang noch nicht in Berlin lebenden und arbeitenden Künstlern bestehen sollen.
Ein paar Zahlen hat die bei der Projektträgerin Grün Berlin GmbH angestellte Katja Aßmann parat; sie ist dort für alle künstlerischen Vorhaben dieses Betriebs verantwortliche. Pro Person und Monat gibt es 1200 Euro Honorar, zusätzlich zum unentgeltlichen Aufenthalt, sowie pro Kollektiv 10.000 Euro Produktionskosten, dazu ein Ausstellungshonorar von 4000 Euro. Zur Bewerbung müssen Kollektive ein "Motivationsschreiben" einreichen, das das Interesse am Spreepark und das Ziel des Forschungsvorhabens darlegt.
Für 2025 hat die Auswahl der Künstlergruppen bereits stattgefunden, doch ist perspektivisch ein Programmverlauf mindestens bis 2038 ins Auge gefasst. Bis dahin reicht die derzeitige "Nutzungsüberlassung" für das inmitten eines Landschaftsschutzgebietes gelegenen "Eierhäuschens". Ab 2027 soll es zudem eine Schiffsverbindung geben, etwa von den Anlegestellen am Treptower Park her. Das wäre dann ein wahrhaft sonntäglicher Ausflug zu Kunst, Natur und Wohlgefühl.