Herr Rauch, Sie leiten seit März 2023 als CEO das Unternehmen Degussa Goldhandel. Wie materiell muss man sich diesen Handel vorstellen?
Wir handeln mit physischem Edelmetall. Gold, Silber, Platin und Palladium. Das kann ein Gramm sein, ein Kilo oder irgend etwas dazwischen. Gold hat viele Eigenschaften, die Wertpapiere nicht haben, unter anderem verliert es nie an Wert, und es verändert sich auch nicht. Wir haben in unserer eigenen Sammlung Goldbarren, die Hunderte von Jahren in Schiffen auf dem Meeresboden lagen, mit Muscheln bewachsen. Das kärchern Sie ordentlich ab, und dann ist der Goldbarren wieder so, wie er war. Dieses Material vergeht nicht, das ist ein Teil seiner Magie.
Wie zeitgemäß sehen Sie den Goldhandel heute?
Der Goldhandel ist absolut zeitgemäß. Das zeigt auch die aktuelle Berichterstattung zum ständig steigenden Goldpreis mit Rekordhoch in diesem Jahr. Mit Gold kann man Vermögen sicher aufbauen über Generationen hinweg. Wir haben den Degussa-Goldsparplan entwickelt, mit dem auch die junge Generation schon für 25 Euro im Monat einsteigen kann - dafür muss man nicht reich sein. Man denkt dabei an die Zukunft und geht davon aus, dass das Beste noch vor einem liegt. Aus dieser Positionierung war auch klar, dass Degussa in unserer Gesellschaft Verantwortung übernehmen möchte. Und hier ist auch der Bogen zur Kunst: Ich bin überzeugt, dass Kunst die Welt zu einem besseren Ort machen kann. Kunst ist universell. Kunst bringt die Menschen zusammen. Sie lässt Sie Perspektiven einnehmen, die nicht die Ihren sind.
Viele Banken haben Unternehmenssammlungen mit etablierter Kunst, das könnten Sie auch. Welche Beweggründe haben Sie, sich mit dem Young Generation Art Award gemeinsam mit Monopol ausgerechnet für junge Kunst zu engagieren?
Die Entscheidung, eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen, ist nicht immer leicht und meist mit wirtschaftlicher Unsicherheit verbunden. Die Menschen, die diesen Schritt trotzdem wagen, sind von der Leidenschaft für die Kunst getragen. Wir freuen uns und sind stolz darauf, junge Künstlerinnen und Künstler auf diesem Weg zu unterstützen. Der Award richtet sich an Emerging Artists am Anfang ihrer Karriere. Er soll vielversprechende Künstler auf ihrem Weg in die Kunstwelt begleiten und Talente unterstützen und ihre Arbeiten in die Öffentlichkeit bringen. Natürlich hilft ein Preisgeld, gar keine Frage. Aber auch auf der Shortlist zu stehen, eine Ausstellung zu haben, in verschiedenen Städten von einem interessanten Publikum gesehen zu werden, ein Netzwerk zu entwickeln sind Dinge, die wertvoll sind. An einem Kunstpreis des, wie ich finde, renommiertesten Kunstmagazins im deutschsprachigen Raum teilzunehmen, hat einen großen Wert.
Den Namen Degussa gibt es schon lange. Wie viel haben Sie noch mit der 1873 gegründeten "Deutsche Gold- und Silberscheideanstalt" zu tun?
Als die Degussa 1873 in Frankfurt gegründet wurde, war sie im Prinzip ziemlich genau das, was sie heute ist: Eine Kombination aus Scheideanstalt und Goldhändler. Ihre Gründer waren unglaublich moderne Unternehmer und Philanthropen, die auch die Frankfurter Universität mitbegründet und dem Chemieinstitut ihr Labor geschenkt haben. Später wurde ein großer Chemiekonzern daraus, der vor 20 Jahren in die Evonik AG aufging. Wir stehen nicht in der Rechtsnachfolge dieser Degussa, sondern unser Gründer August François von Finck, der Vater des heutigen Eigentümers, hat vor 15 Jahren bei Evonik den Namen Degussa zum Zwecke des Goldhandels lizensiert und Degussa Goldhandel neu gegründet.
Sie sind nicht Rechtsnachfolger der Degussa, die im Zweiten Weltkrieg an den Verbrechen der Nationalsozialisten mitgewirkt hat. Sie setzen sich aber trotzdem mit dieser Unternehmensvergangenheit auseinander?
Für mich war völlig klar, dass ich mich als CEO von Degussa dem stellen und mich mit den Dingen auseinandersetzen muss, auch mit denen, die schrecklich waren. Nach meinem Start habe ich dem Vorstandsvorsitzenden der Evonik geschrieben, dass ich gerne mehr darüber wissen würde, wie Evonik mit einer Expertenkommission die Zeit von 1933 bis1945 aufgearbeitet hat. Ich habe diese Kommission sehr bald getroffen und das Archiv besucht, in dem alle Akten liegen. Die wesentlichen Themen sind dort die Zwangsarbeit, die zum Ende des Krieges in Sklavenarbeit mündete. Und natürlich auch das Einschmelzen von Gold verschiedener Herkunft. Es war für mich unglaublich schockierend, das zu sehen. Auf der anderen Seite ist es beeindruckend, mit welcher Sorgfalt und Genauigkeit diese Geschichte aufgearbeitet wird und wie vorbildlich dort im Heute agiert wird. Ich besuche die Kommission regelmäßig, das ist ein aktiver Teil in meinem Degussa Leben geworden, auch wenn es nicht unsere direkte Vergangenheit ist, aber wir teilen denselben Namen.
Der langjährige Eigner von Degussa, August von Finck junior, war wegen europakritischer und rechtslibertärer Tendenzen umstritten. Nach von Fincks Tod im Dezember 2021 übernahm sein Sohn August François den Goldhandel, änderte die Strategie und ernannte Sie zum CEO. Wie setzen Sie den Neuanfang um?
Den Vater des jetzigen Eigentümers lernte ich nie kennen, seinen Sohn habe ich als sehr integren Menschen kennengelernt, der sehr positiv auf die Welt blickt. Er legt hohe ethische Standards an sein Handeln an und die Neuausrichtung von Degussa ist ihm sehr wichtig. Ein ganz klarer Auftrag von ihm an mich war, dass sich Degussa nicht mehr politisch engagiert und sich strikt aus allem Politischen heraushält. Dies steht im Einklang zu meiner eigenen Vorstellung. Aus diesem Grund veröffentlichen wir keine politischen Statements. Wir sind offen gegenüber allen Kundinnen und Kunden jedweder Herkunft, Religion und jeder politischen Orientierung, im Rahmen unserer demokratischen Grundordnung. Wir haben alle Verbindungen zu Personen oder Institutionen aus diesem politischen Umfeld gekappt. Dazu habe ich mich auch in der Öffentlichkeit, zum Beispiel in der "FAZ" und im "Handelsblatt", klar positioniert.
Künstlerinnen und Künstler haben die Gabe, unvoreingenommen auf die Welt zu sehen. So fragte sich beispielsweise die Bildhauerin und Konzeptkünstlerin Alicja Kwade, warum ausgerechnet Gold so wertvoll ist. Es ist ja nur ein Stoff von vielen. Haben Sie eine Antwort?
Es ist in der Tat ein kleines Wunder, dass das seit sehr langer Zeit überall auf der Welt so war und ist. Dafür gibt es einerseits rationale Gründe, die in den physischen Eigenschaften des Metalls liegen. Es ist selten. Es ist korrosionsbeständig. Es ist nicht reproduzierbar, es stammt offenbar nicht von diesem Planeten selbst. Und andererseits ist es von den natürlich vorkommenden Rohstoffen nun mal derjenige, der von seiner Ästhetik der Sonne am nächsten kommt. In seiner Reflektion, seiner Farbe, seiner Wärme. Nichts anderes hat diese Strahlkraft allein durch die eigene Farbe.