Die große ungeklärte Frage des Kunstbetriebs: Was sagen, wenn man keine Ahnung hat? Wenn man vor einem Werk steht und die Gedanken nicht allmählich beim Reden verfertigen kann, weil man noch mit dem Schauen beschäftigt ist. Oder wenn die Kunst nicht zu einem spricht, man selbst aber schon Meinungen von sich geben soll. Weil der Künstler daneben steht. Oder noch schlimmer: sein Galerist.
Der Dokumentarfilm „Super Art Market“, der am Donnerstag in Berlin Premiere feierte, zieht einige seiner unterhaltsamsten Szenen aus diesen Momenten, aus dem missglückten Ballett des Small-Talks. „Dieses Gemälde sieht – anders aus“, sagt ein Besucher einer Vernissage zum Galeristen Gerd Harry Lybke. Und stolpert weiter vorwärts mit der Feststellung: „Da ist mehr ... Rot“.
Schon fürchtet man, Regisseur Zoran Solomun wolle mit seinem von gebührenfinanzierten Fernsehanstalten und öffentlichen Kulturgeldern unterstützen Film den Kunstmarkt verhöhnen. Weil auf diesem Markt Sinn gehandelt wird – und Markt und Sinn scheinbar nicht zusammengehen. Der Film beginnt mit einer unvorstellbar platten Performance einer Künstlerin, die sich auf der Kunstmesse Art Basel einen Ballon über den Kopf gezogen hat. Ja, ja, die Kunstmarktblase, der große Schwindel. Erwartet uns also eine wohlfeile Abrechnung mit den partyseligen, soeben vergangenen Boomjahren?
Doch während die Kamera Galeristen über die Kontinente folgt, auf Biennalen und Messen, in Gespräche mit Künstlern und Sammlern, wird das Gefüge des Betriebs dann doch schnell als etwas recht Komplexes sichtbar. Eben nicht als endloser Verblendungs- und Verblödungszusammenhang, sondern als immer aktueller Anlass, neue Strategien, Winkelzüge und Hinterhalte zu erfinden.
Wir sehen fünf unterschiedlichste Galeristengestalten: der deutsche New Yorker Leo König, unglaublich lässig und souverän, Gerd Harry Lybke von Eigen & Art, der hier halb augenzwinkernd, halb schlitzohrig zu erleben ist, zwei ultrasympathische Nachwuchsgaleristen und der asketische, melancholische Schweizer Lorenz Helbling von ShanghArt. Zoran Solomun, soviel wird bald klar, ist auf ihrer Seite. Das seinem Film vorangestellte Warhol-Zitat, wonach gutes Business die beste Kunst ist, war nicht zynisch gemeint.
Der Film zeigt die Galeristen nicht als Krämer. Hier wird eine besondere Großzügigkeit im Denken vorgeführt – eine Großzügigkeit, die entstehen kann, wenn Kunst und Geld zusammenkommen. Sicher, die fünf Porträtierten verlieren sich auch in Floskeln. Ständig kommt „Energie“ irgendwoher, aus einem Bild, aus der Natur, aus einem Raum. Doch die Händler des guten Geschmacks bleiben scheinbar jederzeit Herr der Lage und treffen die richtigen Entscheidungen. Als Zeuge ihrer Gerissenheit kommen branchenferne Personen zu Wort, ein bauernschlauer Lastwagenfahrer etwa, der für König die Bilder transportiert. „Leo könnte auch eine Schnur verkaufen“, erklärt er andächtig.
Wenn etwas nicht nach dem Willen Galeristen läuft, finden sie in „Super Art Market“ Raum, sich zu erklären. So berichtet König etwa davon, wie unfair die Art Basel seine Aussteller auswählt. Er jedenfalls war in den letzten Jahren nicht dabei.
Am besten zeigt sich das Vermögen der Galeristen im Umgang mit ihren Künstlern. „Es ist die Rolle des Galeristen, mir Tipps zu geben, wie ich meinen Garten bepflanzen soll“, sagt der Maler Martin Eder und geht mit Lybke durch den Hinterhof. Dann sitzen sie gemeinsam auf der Couch, einverstanden miteinander und vereint im Humor. Eder präsentiert sich hier überzeugend als glücklicher Einfaltspinsel, dem der Hype nichts anhaben kann, weil er im Spiel immer ein Schritt weiter ist. Denn er weiß: „Kunst hat mit Kunst nichts zu tun“. Die Rezeption der Kunst kann ganz anders laufen, als bei der Produktion intendiert. Und das muss dem Künstler egal sein.
Zwischen Rezeption und Produktion zu vermitteln, ist Aufgabe der Galeristen; ihr Betätigungsfeld hat sich während des Booms ausgeweitet. Leo König bringt Georg Baselitz mit dem amerikanischen Millionär Andy Hall zusammen, der das Schloss des Maler im niedersächsischen Derneburg kauft. Der Galerist organisiert die erste Ausstellung dort: Wir sehen den amerikanischen Künstler Julian Schnabel und seine Arbeiten. Sein Sohn Vito, der für die Kamera kurz in die Rolle des Vaters schlüpft und dessen Bilder erklärt, hat längerfristig andere Ziele (die er inzwischen auch verwirklicht hat): Er will nicht Künstler werden, sondern Galerist. „Wie Leo“, sagt er. Soweit ist es gekommen: Galeristen sind cooler als Künstler.
„Super Art Market“ läuft ab dem 2. Juli 2009 im Kino