Immer wieder gehen Bild und Schrift eine nützliche Verbindung ein. Keine Ausstellung kann ohne einen begleitenden, einordnenden Text auskommen, der der Kunst ein Zuhause gibt, damit sie nicht im Regen stehen muss. Ziemlich oft sind diese Texte jedoch verschwurbelt, bemüht und letztendlich ohne Erkenntnisgewinn für irgendjemanden. In diesen Fällen wird der Text als etwas Nachfolgendes zum Bild behandelt und ist deswegen der unterlegene Part. Als würde der Text, wie eine schwerfällige Gouvernante, versuchen das Bild einzufangen. Folgt die Malerei auf einen bestehenden Text, so ist sie schlimmstenfalls reine Illustration ohne Eigenleistung. Sogleich verwandelt sie sich dann in etwas, das sich festgelegt hat auf eine bestimmende Lesart und deswegen an Strahlkraft einbüßt. Hier zeigt sich, dass das Verhältnis zwischen den Ausdrucksarten keineswegs immer harmonisch ist.
Die Malerin Conny Maier und die Autorin Marlene A. Schenk haben das anders aufgezogen. Zwar schreibt Schenk auch die meisten Ausstellungstexte für Maier, aber die beiden haben eine Art der Kollaboration gefunden, bei der sie sich gegenseitig Bedeutungsebenen zuschieben, anstatt den einen auf den Schultern des anderen auszutarieren.
So ist das Buch der beiden entstanden. Es heißt "Wald" und ist bei Buck Buck Book, dem Verlag des Künstlers Dennis Buck, erschienen. Es ist moosig grün, wie der Boden des brandenburgischen Waldes, um den es geht. Zu finden sind darin 198 Fotografien, Malereien und Zeichnungen von Maier und neun Texte von Schenk.
Ein Weg ins unbequeme Thema Krankheit
Texte und Bilder beziehen sich nicht direkt aufeinander, aber verzahnen sich zu einer Zusammenstellung, bei der das eine das andere braucht – allerdings auch, wie in jeder guten Partnerschaft, unabhängig voneinander existieren kann. Während der Corona-Quarantäne sind die, die konnten, aufs Land geflüchtet. In Frankreich, wo der Trend zum Haus auf dem Land oder an der Küste unter privilegierten Pariser Intellektuellen weit verbreitet ist, schien es fast, als würde die gesamte Kulturproduktion plötzlich nur noch in Strand- und Landhäusern stattfinden. Die Hamburger, die nach Sylt durften, fuhren nach Sylt und die Berliner in den Brandenburger Wald. Wohl noch nie hat die Region so viel wohlwollenden Erkundungswillen aus Berlin erfahren. Plötzlich war man dankbar für das, was da vor der eigenen Haustür lag. Mit der Toskana in weiter Ferne begann man die Vorzüge der Schorfheide zu erkennen.
Aber nicht nur weil die Berliner den Wald während der Quarantäne wieder entdeckt haben, knüpft das Buch an etwas an, das die Gegenwart bewegt. Sondern auch, weil im Zuge der globalen Pandemie das gern verdrängte Thema Krankheit wieder in die Öffentlichkeit gerückt ist. Und damit ist nicht Krankheit im Sinne von “Focus”-Covern à la “Problemzone Knie” gemeint, sondern Krankheiten, die das Leben bedrohen und das Verhältnis dazu für immer verändern. Schenk, die sich aufgrund einer schweren Erkrankung immer wieder in Situationen wiederfand, die für junge, gesunde Menschen nur schwer nachzuvollziehen sind, bearbeitet im und mit dem Wald auch dieses Thema. In rabiat präziser Sprache umkreist sie die Ängste, die Wut und den Drang nach Struktur und Ordnung innerhalb der Wüsten einer Krankheit. Über die Arbeiten von Conny Maier versucht sie, ihrer eigenen Erfahrung auf die Schliche zu kommen. Der Wald ist dabei gleichzeitig mythisch verklärter Sehnsuchtsort und unbekanntes, noch zu erforschendes Terrain, dem man sich vorsichtig annähert.
Manche der Texte sind klassische Ausstellungstexte, die Maiers Arbeiten einordnen. Doch - und hier merkt man, dass es gut ist, wenn sich Künstlerinnen schon früh mit Schreibenden auseinandersetzen - die Texte sind weit mehr als das. Sie sind so nah dran an den Bildern Maiers, dass sie wirken, als hätten sie sich gemeinsam oder zumindest aus dem gleichen Resonanzraum heraus entwickelt. Gerade das Spektrum, in dem sich Text und Bild bewegen, macht den Reiz des Buches aus.
Malerei und Text als Verbündete
Da trifft Persönliches auf Einordnendes und fließende Aquarellzeichnung auf Fotografie von im Wald versteckten Skulpturen. Die Bilder von Maier zeigen ihr großes künstlerisches Repertoire. Die Malereien mit ungelenk, verwaschen wirkenden Figuren sind in letzter Zeit bekannt geworden. Hier sieht man aber auch feine Zeichnungen von im Wald gefundenen Pilzen und mit Smartphone-Filtern unterlegte Fotografien, die den Wald wirken lassen, als hätte man gerade eine Elfe nur um ein Haar verpasst.
Maier als auch Schenk beschäftigen sich über den Wald und alles, was er erzählen kann, mit dem, was sie sowieso umtreibt. Es geht um Dinge, die das Potenzial in sich tragen, eines Tages vielleicht wirklich wichtig zu sein. Da geht es um Lebensentwürfe und um Zukunft. Aber auch um die von Erwartungen durchsetzte Angst davor. So werden die beiden unterschiedlichen Disziplinen, das Schreiben und das Malen, hier zu Verbündeten in gemeinsamer Sache.
Das Buch ist aber auch eine Edition. Beziehungsweise der Einband. Er ist handbemalt von Maier und mit einer Kiefernnadel versehen. Man kann ihn abnehmen, einrahmen und an die Wand hängen. Wenn man dann daran vorbeigeht, denkt man vielleicht an den Wald und all die unerschlossenen Möglichkeiten und unentdeckten Orte, die es darin hoffentlich noch gibt.