Mit dem Kreuz auf der Kuppel hat das Humboldt Forum in Berlin aus Sicht der Kuratorin Mahret Kupka eine Chance vertan. Das Kreuz stehe zwar mit dem Stadtschloss als Ursprungsgebäude in Verbindung. Mit der ohnehin nicht originalen Rekonstruktion hätte das Symbol aber auch reflektiert werden können. "Eine Rekonstruktion wäre auch die Möglichkeit gewesen, das zeitgemäßer, offener und dialogbereit zu gestalten", sagte Kupka der Deutschen Presse-Agentur.
Das Kreuz soll mitsamt Laterne an diesem Freitag auf das 644 Millionen Euro teure Kultur- und Ausstellungszentrum aufgesetzt werden. Das ursprünglich für die Rekonstruktion nicht eingeplante Symbol wird heftig diskutiert. Kritiker sehen darin eine Belastung für völker- und religionsübergreifende Themen wie etwa die Restitutionsdebatte um Objekte mit kolonialem Hintergrund.
"Das Humboldt Forum hätte hier zeigen können, dass es sich tatsächlich mit den problematischen Aspekten auseinandersetzt", sagte Kupka, die sich auch in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland engagiert.
"Eine gern vernachlässigte Tatsache, dass Deutschland eine heterogene Gesellschaft ist"
Zudem kritisierte die Kuratorin am Museum Angewandte Kunst in Frankfurt/Main den auf Bibelzitate zurückgehenden Spruch um die Kuppel, in dem eine Unterwerfung aller Menschen unter das Christentum gefordert wird. Es sei merkwürdig, an dem Spruchband festzuhalten. "Das ist einfach eine sehr krasse Aussage, die tatsächlich alles unterläuft, was das Humboldt Forum vorgibt, sein zu wollen."
Für die 39-Jährige, deren mütterlicher Familienteil nigerianische Wurzeln hat, wird so "der angestrebte Dialog um Kolonialismus und Restitution unglaubwürdig". Zum einen durch das Signal in die sogenannten Herkunftsnationen, aber auch innerhalb Deutschlands. "Denn es ist eine immer wieder gern vernachlässigte Tatsache, dass Deutschland eine sehr heterogene Gesellschaft ist."
Nun passiere symbolisch viel, was über das Gebäude an sich hinausgehe. "Was bedeutet das für Deutschland als multikulturelle, heterogene, postmigrantische Gesellschaft? Aber natürlich auch nach außen, denn das Christentum ist eng mit Kolonialgeschichte verbunden", sagte Kupke. "Das Christentum ist ein Kanal gewesen, über den auch der Kolonialismus mitfunktionierte und bestärkt wurde. Es geschah quasi im Namen des Christentums, das Dinge geraubt oder zerstört wurden."
Die Geschichte von Kreuz und Kuppel sind ähnlich bewegt wie die Entwicklung des gesamten Projekts. Auf dem Platz gegenüber der berühmten Museumsinsel mitten in Berlin wurde zu DDR-Zeiten der Palast der Republik errichtet, nachdem 1950 die Reste des im Krieg zerstörten Hohenzollern-Schlosses gesprengt worden waren. Nach der Wende wurde der auch als Sitz der Volkskammer fungierende Palast der Republik von Asbest saniert. Übrig blieb nur ein Gerippe, die letzten Teile wurden nach heftigem Für und Wider 2008 abgerissen.
Bereits 2002 beschloss der Bundestag den Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Humboldt Forum. Die Besonderheit: in einer weitgehend rekonstruierten Fassade entstand ein hochmodernes Ausstellungsgebäude. Die Finanzierung für den 644 Millionen Euro teuren Bau (ursprünglich waren mal etwa 550 Millionen geplant) ging immer auch von Spenden bis zu 100 Millionen Euro aus.
Kreuz tauchte wie zufällig auf
So stammen auch die knapp 15 Millionen Euro für Kuppel und Kreuz von teils anonymen Spendern, offiziell nennt das Humboldt Forum keine Namen. Während die Kuppel im Architekturwettbewerb vorgegeben war, gab es für ein krönendes Kreuz keine Anforderung. Es tauchte dann zunächst wie zufällig beim Wettbewerbssieger auf, dem italienischen Architekten Franco Stella. Kuppelspruch und Kreuz wurden erst 2017 offiziell angekündigt, was umgehend zu Diskussionen führte.
Befürworter argumentieren mit der Rekonstruktion. Allerdings fehlen dem Bau ohnehin zahlreiche Elemente seines historischen Vorläufers. Die komplette Ost-Fassade ist eine moderne Variante - ob der Eintönigkeit von Beton und Fenstern kaum weniger umstritten. Kritiker von Kuppelspruch und Christenkreuz verweisen auf die Rolle, die das Humboldt Forum einnehmen soll. Ohnehin nicht immer leichte völker- und religionsübergreifende Themen wie die Restitutionsdebatte um Objekte mit kolonialem Hintergrund scheinen zusätzlich belastet.
Das 40 000 Quadratmeter umfassende Gebäude bespielen künftig die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit zwei ihrer Museen, das Land Berlin und die Humboldt-Universität. Gezeigt werden sollen Exponate aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien sowie Objekte zur Geschichte Berlins. Die zunächst für September geplante erste Teileröffnung wurde coronabedingt verschoben. Nach drei Eröffnungsetappen soll das Humboldt Forum bis Herbst 2021 komplett zugänglich sein.
Einen Kommentar zum Kuppel-Kreuz auf dem Humboldt Forum lesen Sie hier.