Wie mit einem Künstler umgehen, der auf seinem öffentlichen Facebook-Profil politische Inhalte teilt und Meinungen äußert, die den eigenen Überzeugungen widersprechen, der Pegida und die Identitären einen "zu begrüßenden Beitrag zur Gesellschaft" nannte? Nachdem die Leipziger Galerie Kleindienst die Zusammenarbeit mit Axel Krause im vergangenen Jahr konsequent beendete, hat Einladung und spätere Ausladung des Malers zur Leipziger Jahresausstellung nun weitere Akteure des Kunstfeldes mit der Frage konfrontiert.
Der ehrenamtlich arbeitende Verein, der die Ausstellung seit 1993 organsiert, hat sich in einem zweistufigen Auswahlverfahren für ihn entschieden. Ob Naivität, Solidarität mit Axel Krause oder ein Bekenntnis zur Kunstfreiheit die einfache Mehrheit der Kommission zu diesem Schritt bewogen haben, wird immer ein Fragezeichen bleiben. Auch andere Jurys tagen hinter verschlossenen Türen. Den meisten der 36 mit ihm eingeladenen Künstler war eine Trennung von Werk und Autor angesichts des Namens Axel Krause auf der Ausstellungsliste nicht möglich. Drei haben ihre Teilnahme abgesagt. Eine Gruppe hat sich im Vorfeld zusammengetan und den Dialog mit dem Verein gesucht. In einem nicht öffentlichen Brief baten sie zur Eröffnung um "ein klares Zeichen für Pluralismus, Diversität und Humanismus" und kündigten an, dass sie sich positionieren würden. Mit Glitzerdecken und der "Erklärung der Vielen". Nach der Absage der Ausstellung waren sie es, die forderten, sie doch noch stattfinden zu lassen.
Das ist das positive Signal der vergangenen Wochen: Künstler haben nicht die Ausladung Krauses gefordert, sondern um Möglichkeiten des Umgangs mit der Situation gerungen. Nur früher hätten sie aktiv werden müssen. Denn während noch ausgehandelt wurde, wie auf die Präsenz von Krause beziehungsweise seinen Bildern in der Ausstellung reagiert werden könnte, war der erste Zeitungsartikel erschienen. Der Medienhype begann. Die Absage der Ausstellung war ein Fehler, der diesen unnötig befeuert hat.
Sich seit Jahren ehrenamtlich für Kunst engagierende Vereinsmitglieder schienen mit der medialen Aufmerksamkeit in der Folge ihres Handelns überfordert und zogen sich zurück. Profitiert hat Krause. Ihm wurde mit jedem Artikel Aufmerksamkeit zuteil, gerade weil wir Journalisten ausgewogen berichten müssen. Geschickt wusste er sein Facebook-Profil dafür zu nutzen. Es wurde vielfach zitiert, entwickelte sich absurderweise zur zentralen Informationsplattform und war schließlich Auslöser der Ausladung: Am Abend zuvor hatte Krause sich in einem Post als "entarteten Künstler" bezeichnet. Das NS-Vokabular habe zur Entscheidung geführt, erklärte Vereinsvorstand Rainer Schade am Mittwoch.
Dass die Ausstellung nun stattfindet, ist gut. Bedauerlich ist, dass der Verein sich aus Sicherheitsbedenken gegen einer Vernissage entschieden und sich selbst und die Künstler damit um den Abend gebracht hat, an dem gefeiert wird, Kontakte ausgetauscht werden und ja – über Kunst geredet wird. Bedauerlich auch, dass die Künstler das Medieninteresse bei der unspektakulären Öffnung der Ausstellung am Mittwochmittag nicht für ein erneutes Pro-Statement genutzt haben. Stattdessen gingen die beiden Polizisten durch die Medien, die nach dem Rechten und der Kunst sahen.
Sind Werk und Autor zu trennen?
Eine, die gar nicht an der Ausstellung teilnimmt, hat die Situation ironisch kommentiert: Aus dem Atelierfenster der Malerin Kristina Schuldt, direkt über der Ausstellungshalle, hängt eine Leinwand: "Alternative für Dackel" verkündete die, gerahmt von einer Banane und drei Würstchen. Für die Ausstellung künstlerisch mit der Situation auseinandergesetzt hat sich Felix Leffrank: Ein Schauspieler, dessen Brille und Sprachduktus an Krause erinnern, malt im Video "Schlechte Gesellschaft" Tapetenmuster, monologisiert, dass der Retrolook viele ansprechen und "wunderbare und verschrobene" Menschen nun "von einer neuen Rechten wachgeküsst" würden. Das Video greift indirekt Fragen auf, die in den vergangenen Wochen immer wieder gestellt wurden: Sind Werk und Autor zu trennen? Lässt sich Krauses politische Haltung an seinen Bildern ablesen? Und müsste es nicht gerade das Feld der Kunst sein, in dem man im Dialog bleibt?
Im Eingangsbereich der Ausstellungshalle kleben ein paar Post-its, die wohl zum Austausch über diese Fragen jenseits der sozialen Medien anregen sollen. Im bereits vor der Ausladung gedruckten Katalog ist Axel Krause wie alle anderen mit einer Doppelseite präsent. Ein lesezeichengroßer Einleger informiert, dass er "aufgrund der Diskussionen 2019" nicht in der Ausstellung vertreten ist. Ein Ausrufezeichen wollte die von Beginn an setzen, wirbt damit. Die um sie entstanden Fragezeichen stehen weiterhin im medialen Raum. Sie mit Vorträgen und Diskussionen in die Leipziger Realität zurückzuführen, wäre auch im Sinne des Vereins gewesen: Gespräche und Austausch zwischen Künstlern und Publikum stünden neben der Ausstellung im Mittelpunkt, heißt es in einem Faltblatt.
Adam Szymczyks Beitrag zur Debatte
Ungeplant lieferte Adam Szymczyk einen Beitrag zur Debatte: Am Donnerstagabend eröffnete er in der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig seine Situation zur "Entstellten Kunst" mit einem Talk von Olu Oguibe zum Kasseler Obelisken. Bis Dezember wird Szymczyk mit Studierenden zur Dekonstruktion totalitärer historischer und zeitgenössischer Sprachen arbeiten und möchte Alternativen zu diesen artikulieren. Den historischen Ankerpunkt bildet die Ausstellung "Entartete Kunst", die zwischen 1937 und 1941 auch im Grassi Museum in Leipzig zu sehen war.
Die ausstehende und dringend notwendige Aufarbeitung der vergangenen Wochen übernimmt nun das Museum der bildenden Künste: Für Dienstag hatte Direktor Alfred Weidinger zu einer Podiumsdiskussion geladen, die jedoch kurzfristig wieder abgesagt wurde. Krause hatte seine Teilnahme zurückgezogen, da der von ihm für das Podium geforderte Hans-Joachim Maaz keine offizielle Einladung erhielt. Soviel Zu- und Absagen innerhalb von zehn Tagen, sie stehen symptomatisch für eine alle Beteiligten überfordernde Situation, die Krause wiederum zu nutzen wusste: Auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte er sein für die Diskussion geplantes Eingangsstatement.
Ende Juli startet das Museum ein Vortrags- und Diskussionsformat, unter anderem mit dem Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich. Die Initiative ist gut. Gewünscht hätte man sie sich schon nach der Galerietrennung im vergangenen Jahr. Neben der Frage, was aus der Causa Jahresausstellung zu lernen ist, sollen im Sommer auch die immer wieder herangezogenen Vergleiche zur Kunstzensur in der DDR thematisiert werden. Weidinger möchte Sorgen und Ängste der Künstler ernst nehmen und durchspielen, was ein möglicher Wahlsieg der AfD für die Kunstszene bedeuten würde.
Darüber wird überregional sicher wieder berichtet. Denn passiert in der sächsischen Kulturlandschaft etwas, dass mit der AfD in Zusammenhang steht, durchbricht das die in Hinblick auf die Kulturberichterstattung noch immer bestehende Schallmauer zwischen West und Ost. Dass Museen, Theater, Jugendclubs und eben ehrenamtlich arbeitende Vereine wie der der Jahresausstellung in Leipzig, Dresden und Chemnitz, aber auch in Plauen, Zittau, Döbeln und Görlitz seit Jahren wichtige Beiträge zu kultureller wie politischer Bildung leisten, darüber sollten die Medien, die die Causa Jahresausstellung hochgejazzt haben, nun berichten.