Die Kuratorin der 59. Internationalen Kunstausstellung in der norditalienischen Lagunenstadt, Cecilia Alemani, habe die 66-Jährige aus Essen dafür vorgeschlagen, teilte die Biennale in Venedig am Dienstag mit. "Fritschs Beitrag im Bereich zeitgenössische Kunst, besonders bei Skulpturen, ist unvergleichlich", sagte Alemani. Die in Düsseldorf arbeitende bildende Künstlerin soll die Auszeichnung am 23. April zum Eröffnungstag der diesjährigen Kunst-Biennale erhalten. "Ich fühle mich sehr geehrt und bin dankbar über diesen Preis", erklärte Fritsch laut Mitteilung.
Fritsch ist unter anderem für ihr Werk "Rattenkönig" (1993) bekannt, eine gigantische Skulptur aus sechzehn schwarzen Ratten, deren Schwänze zu einem Knoten verbunden sind. In theaterhaften Installationen mit stets monochromen Standbildern führt die Künstlerin, die den deutschen Pavillon der Venedig-Biennale 1995 bespielte, dem Publikum vor, wie lebendige Natur und erstarrte Materie, Erlebnis und seine mediale Form eins werden.
In den 1980er-Jahren faszinierte sie die Produkthaftigkeit von Religion – tiefe Gefühle, ausgedrückt in seriell gefertigten Andachtsobjekten. Später untersuchte Fritsch den Tourismus, in dem Realität und Klischee auf ähnliche Weise aneinanderkleben. Zwischen Stellwänden entwirft sie etwa ein surreales Kitsch-Paris, verschiedenfarbige Regenschirme hängen von der Decke, an den Wänden Postkartenmotive, und im Zentrum der Installation steht ein absurdes, vergrößertes Souvenir: eine Frau mit Hund, aus Muschelformen gebastelt.
Cecilia Vicuñas "Lyrik in drei Dimensionen"
Neben Fritsch erhält auch Cecilia Vicuña den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk. Die künstlerische Praxis der chilenischen Bildhauerin, Performancekünstlerin und Poetin ist eng mit der Geschichte Lateinamerikas und insbesondere indigener Kulturen verbunden. So nimmt sie in ihren Installationen und Performances etwa immer wieder Bezug auf traditionelle Khipu, eine von den Andenvölkern verwendete Knotenschrift.
Cecilia Vicuña war 2020 für den hochdotierten Hugo-Boss-Prize nominiert. In Deutschland kennt man sie unter anderem von der Documenta 14, wo die heute 74-Jährige knallrote baumdicke Stricke von der Decke baumeln ließ. Sie hat dafür die Wolle griechischer Schafe eingefärbt und diese am Ende der Weltkunstschau dem Meer als Opfergabe dargebracht. "Ihre ortsspezifischen Projekte sind Ausdruck ihrer Gabe, räumliche Gedichte zu komponieren, empfindsame, gefühlsbetonte Lyrik in drei Dimensionen", schrieb der damalige Documenta-Kurator und heutige Monopol-Kolumnist Dieter Roelstraete damals. "Vicuña bezeichnet diese speziellen Arbeiten als 'quipoems' – eine Verschmelzung von 'poem' (englisch für 'Gedicht') und 'Quipu'."
Die Kunst-Biennale 2022 läuft unter dem Titel "The Milk of Dreams" (Die Milch der Träume) bis zum 27. November. Beide Künstlerinnen sind in Cecilia Alemanis Hauptausstellung zu sehen.