Monografie zu Julian Schnabel

Größenwahnsinnig, aber leider gut

Wer ist Julian Schnabel, der als Maler und Bildhauer ebenso viel Erfolg hat wie als Filmemacher? Im Taschen Verlag ist jetzt in einer limitierten Sammler-Edition das voluminöse Gesamtwerk erschienen

Eines der größten Bilder, die Julian Schnabel je geschaffen hat, hängt nicht in einem New Yorker, Londoner oder Pariser Museum. Sondern im Foyer des Opernturms in Frankfurt am Main. Es hat einen Giganten der Weltliteratur zum Thema: Moby Dick – und den Größenwahnsinnigen, der ihn jagte, Kapitän Ahab. Für das über zwölf Meter hohe und rund 13 Meter breite Werk ließ Schnabel altes, schmutziges Segeltuch zusammennähen und bemalte es mit zwei abstrakten, lang gestreckten Figuren, die sich dezentral überkreuzen. Wenngleich eine Auftragsarbeit, so steht das Werk von 2009 doch in direkter Beziehung zu anderen raumgreifenden Werken Schnabels.

Das ganz große Format und die ganz große Andeutung gehen bei dem New Yorker Malerstar, der im Oktober 70 wird, oft Hand in Hand. Sein gestischer Duktus ist bisweilen gar nicht so weit entfernt von dem eines Tàpies oder eines Twombly. Hier wird gekleckert und geklotzt, werden Spritzer und Schlieren zugelassen – und oft mit vollem Körpereinsatz die Leinwand bestürmt. Dieses Werk hat nichts Kleinteiliges, nichts Vorsichtiges oder Tastendes. Es ist viril und megalomanisch, zeigt aber ein untrügliches Gespür für Material, Farbe und Raum. Die Leerstellen in seinen Bildern sind manchmal viel- und manchmal komplett nichtssagend, sein Bad Painting oft richtig schlecht, dann aber auf großartige Weise.

"Das ewige Geheimnis in allen Dingen"

Schnabels Entwicklung als Künstler dokumentiert jetzt eine neue, voluminöse Publikation, herausgegeben von Hans Werner Holzwarth und Louise Kugelberg. Sie haben Autorinnen und Autoren wie Laurie Anderson, Bonnie Clearwater, Daniel Kehlmann und Max Hollein gewinnen können, um verschiedene Aspekte des Werks zu beleuchten, etwa auch das skulpturale Œuvre oder die von Schnabel produzierten Filme über Lou Reed, Basquiat oder van Gogh.

Laurie Andersons Text ist der persönlichste – und wahrt doch Distanz: "Es ist eine visuelle Welt, in der schäumende Formmassen nicht gleich Wolken sind. Ich merke, dass mein Verstand verzweifelt nach Worten sucht. 'Übersetzung! Bedeutung', fordert er. Dann schalte ich ihn aus. Diese Bilder können ohne Namen auskommen und das ewige Geheimnis in allen Dingen verkörpern." (hier der gesamte Text)

Fotografisch entführt das Buch nebenbei in historische Prachtbauten und pittoreske, riesige Fabrikhallen. Nur das Frankfurter Ahab-Gemälde wird hier im Freien präsentiert – auf einer Wiese, einer großen.