Ob Feminismus und die Modewelt zusammenpassen, wird seit Jahrzehnten diskutiert. Brauchen progressive Ideen den Mainstream, um sich nachhaltig zu verbreiten, oder schluckt die kapitalistisch motivierte Branche jegliche Radikalität? In der Haute Couture avanciert der Feminismus jedenfalls immer mehr zur Marketing-Stratiegie: So ließ das Label Dior in dieser Woche seine Pariser Schau in einem Zelt stattfinden, das wie ein Frauenkörper geformt ist und von der US-Künstlerin Judy Chicago gestaltet wurde. Später führten die Models ihre opulenten Roben in einer Installation aus Stoffbannern der Feminismus-Pionierin vor.
"Was, wenn Frauen die Welt regieren würden?" Das ist eine der Fragen, denen Judy Chicago schon seit dem Beginn ihrer Karriere nachgeht. In den 1970er-Jahren entstand ihr Werk "The Female Divine": Der Entwurf für eine anthropomorphe Installation mit feminin anmutenden Kurven - eine Antithese zu den vielen phallischen Entwürfen in der Architektur. Die 70 Meter lange, aufblasbare Installation wurde nun für Dior realisiert und steht noch bis zum 26. Januar im Garten des Pariser Musée Rodin und kann dort auch besichtigt werden. Über den darin gelegenen Runway schwebten Models in Dior-Kleidern und Hosenanzügen, die die Femininität zelebrieren sollen - wie es Dior schon seit über 70 Jahren anstrebt.
"Würden alte Frauen wertgeschätzt werden?"
Seit Maria Grazia Chiuri 2017 an die Spitze des französischen Modehauses berufen wurde, ist Feminismus als konstantes Motiv in den Vordergrund getreten: Die Dior-T-Shirts, die 2017 mit der Aufschrift "We should all be Feminists" für Furore sorgten, standen für viele Kritikerinnen und Kritiker sinnbildlich für einen "Popfeminismus", der wenig ernstzunehmen sei. Gleichzeitig hat Chiuri bei Ihren Shows bereits vielen bildenden Künstlerinnen eine Plattform gegeben - auch solchen, die es nicht wie Judy Chicago in den zeitgenössischen Kunstkanon geschafft haben. Die 80-jährige Kunst-Ikone schien von der Kunst-Mode-Begegnung zumindest überzeugt zu sein und reiste auch persönlich nach Paris, um bei der Modenschau in der ersten Reihe zu sitzen.
Die Künstlerin hatte noch mehr Fragen mitgebracht. Auf den handgestickten Bannern, die den Laufsteg säumen, stehen Gedankenspiele wie "Wäre Gott weiblich?", "Würden alte Frauen wertgeschätzt werden?", "Wäre Elternsein gleichberechtigt?", "Würde es Gewalt geben?". Diese Fragen werden natürlich nich in einer Fashion-Show beantwortet - und gerade an die Modeindustrie könnte man viele kritische Fragen zum Thema Frauenbild stellen. Doch Judy Chicago und Maria Grazia Chiuri sorgten zumindest dafür, dass der Kopf beim Anschauen der Luxus-Klamotten nicht abschaltet.