Vor wenigen Tagen noch erregte die riesige Land-Art-Vulva der brasilianischen Künstlerin Juliana Notari Aufsehen, nun ist es die penisschwingende Comicfigur John Dillermand (John "Pillermann") aus einer Kinderserie in Dänemark. Selten waren Geschlechtsteile visuell so prominent in Kunst und Kultur vertreten wie dieser Tage.
Einen kleinen Skandal löste der Zehn-Meter-Penis von John Dillermand aus - vor allem außerhalb von Dänemark, wo man sich wieder einmal versichern konnte, dass die Dänen doch ein besonderes Völkchen sind. Einen erheblichen Social-Media-Shitstorm erntete Juliana Notari, deren Vulva-Darstellung Macht und Ohnmacht derselben ins Bild setzte: Riesig und weithin sichtbar präsentierte sie das Verdrängte: die weibliche Sexualität und ihre Potenz.
Notaris Land Art-Vulva in Brasilien illustriert die imaginären Konfigurationen der Vulva/Vagina als vagina dentata, als Riss oder Schlund. John Dillermands Penis hingegen ist buchstäblich eine Lachnummer. Furchteinflößend ist an diesem besten Stück gar nichts. Diese diametrale symbolische Entgegensetzung ist entscheidend – die phallische Form, die sonst für Aggression steht, wird zur Lachnummer, die zarte "Pussy" dagegen zum kraftvolles Statement. Nur auf den ersten Blick schließen beide an archaische Darstellungen von Riesenpenissen und Vulven an. Denn diese Darstellungen kreisen thematisch um Fruchtbarkeit und dienten der Stabilisierung gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Dillermands Penis und Notaris Vulva dienen dem Gegenteil: Sie stellen Deutungsmuster in Frage, dekonstruieren männliche Härte und weibliche Unterwerfung.
Penis als Springstock und Lasso
Insofern ist es kaum nachvollziehbar, dass in Dänemark dem Vernehmen nach Dillermand dafür kritisiert wurde, dass er patriarchale Machtverhältnisse fortschreibe. Wann hat man schon mal eine wirksamere Persiflage peniler Allmachtsfantasien gesehen als in dieser Serie, in der ein Penis als Springstock und Kinder rettendes Lasso zum Einsatz kommt?
Die Komik der Sendung beruht gerade darauf, dass dieser Penis alles ist, nur nicht der kraftstrotzende, harte Penis, der sexuelle Einsatzbereitschaft verkörpert – und in der imaginären Verwandlung zum Phallus für männliche Macht und Hegemonie steht. Der schlaffe Penis ist schon immer Quelle für Komik, weil mangelndes Stehvermögen sozusagen der größte Nimbus seines Trägers ist. Man lacht so herzlich über John Pillermann, weil nichts nutzloser erscheint als ein langer, schlaffer Penis. Zugleich ist es die mangelnde Härte, die es Dillermands Penis erlaubt, in einer Kindersendung die Hauptrolle zu übernehmen. In erigierter Form tritt der Penis allenfalls in Pornografie auf. Schlaff ist er Slapstick; hart ist er Porno.
Dillermands mehr oder weniger schlaffer Schwanz ist – wie bei der Comicfigur Marsupilami – tatsächlich eher ein tierisches Anhängsel. Es wäre keine Überraschung, wenn die meisten Kinder gar nicht verstünden, dass das bunt geringelte Schwänzchen einen Penis darstellen soll. Oder wenn sie nur unterbewusst ahnten, dass dem so ist. Interessant auch, dass Dillermand den Look eines Vaudeville-Strongmans besitzt, in einem geringelten Badeanzug und mit gezwirbeltem Schnurrbart daherkommt, was noch einmal den Charakter der Satire und des Burlesken unterstreicht.
Das Verdrängte kehrt wieder
John Dillermand ist ein Coup, ein regelrechter Befreiungsschlag für den Penis. Denn während uns die Vulva seit Jahren in Kampagnen und Fotobüchern als potenziell schöne, blumenhaft rosige Erscheinung präsentiert wird, harrt der Penis seiner ästhetischen Überhöhung noch immer. Die Darstellung der Vulva soll weibliche Schamgrenzen beseitigen. Gehäkelte Pussyhüte, gefingertes Obst auf Instagram oder Riesentamponplastiken stehen in den Diensten künstlerischer Bildfindungen, die die Befreiung der Frau und ihrer Sexualität ins Zentrum rücken.
Die männliche Sexualität aber ist potenziell gefährlich, jedenfalls dem Klischee nach, und muss gezügelt werden. Während sich der Vulva und ihrer Darstellung zahlreiche Möglichkeiten in der Kunst bieten, wäre nichts Lachhafter als eine ernsthafte Annäherung an den Penis. Insofern eröffnet sich der lustvollen Auseinandersetzung mit männlichen Gender-Normen vor allem der Weg in die Komik.
Ob Riesenvulva oder Gummipenis: In gewisser Weise kehrt hier das Verdrängte wieder. Auch wenn Gendernormen aufweichen, noch nicht fluide, aber doch gummimäßig flexibel sind, und die Akzeptanz für nicht-binäre Geschlechterzuordnungen wächst, gibt es reichlich reaktionären Gegenwind. Und selbst da, wo steife Rollenbilder obsolet erscheinen, bleibt das Geschlecht in seiner Verkörperung als Geschlechtsteil problematisch, konfrontiert es uns doch mit realen biologischen Gegebenheiten (also mit so banalen wie kulturell folgenreichen Aspekten wie Schwangerschaft, Geburt und so weiter).
Wen wundert es da, dass das Geschlecht nicht metaphorisch, sondern metonymisch, nämlich als buchstäbliches Geschlechtsteil in der Kunst in Erscheinung tritt? Ursache wird zur Wirkung, das Geschlechtsteil zum Geschlecht. Dillermand ist der Pillermann, eine peitschende Metonymie.