Mika Mario Minetti hat bei seiner Autobiografie nonchalant die ersten 20 Jahre weggelassen, das Leben des Fotografen beginnt offenbar mit seiner ersten Reise nach Berlin. Das war Anfang der 90er, seitdem ist der Finne verrückt nach der Stadt. Hier fand er kreative Freiheit und wurde Teil der Berliner Kunstszene. Der knapp 400 Seiten dicke Bildband beschreibt den aufkeimenden Galerien-Hot-Spot, den Beginn der Rave-Kultur und die Entwicklung von der einstigen Frontstadt hin zu einer Metropole. Immer subjektiv, nah an der Person und an den Menschen, die Minetti auf seinem Weg begleiteten.
Mika Minetti, für eine Autobiografie ist Ihr Buch "It Happened in Berlin" zu nah an der Stadt, für ein Stadtporträt ist es zu privat. Wie würden Sie das Buch einordnen?
Ich wollte wohl beides in Einklang bringen, das war auch die größte Herausforderung. Es sollte von meinem Leben handeln, das war klar, persönlich aber trotzdem universell. Es gibt hunderte Bücher über Berlin, und genau so wollte ich es eben nicht machen. Es sollte ja schließlich kein Reiseführer werden. Mein Blick auf die Stadt ist sehr subjektiv, ich weiß selbst noch nicht, ob es zu persönlich ist. Ich habe einfach alles offen und ehrlich geschrieben. Ob das der richtige Weg war, wird sich zeigen.
Warum sollte es ein Bildband werden?
Ich wollte mich immer an diese Zeit erinnern und habe deshalb schon damals viele Fotos geschossen. Die 90er, in denen ich zum ersten Mal hier war und studiert habe, die Zeit, als ich als Tourist hier war und meine Freunde besucht habe, die Zeit, in der ich meine Galerie eröffnet habe. Ich wollte meine Perspektive schildern, wie ich und meine Freunde die Stadt erlebt haben.
Wie unterscheidet sich Berlin von anderen Großstädten wie etwa Helsinki, wo Sie auch gelebt haben?
Schon beim ersten Mal dachte ich mir: Du hast doch bestimmt nur einen kleinen Teil von Berlin gesehen, da gibt’s noch so viel mehr. Und das gleiche Gefühl habe ich immer noch, bis heute. Berlin war schon damals viel internationaler, freier und toleranter als Helsinki. Eine Mischung aus Melancholie und Ecstasy. Es gibt auch die dunklen Winter, genau wie in Finnland, was auch sehr melancholisch sein kann. Aber es gibt auch den heißen Sommer, der hinreißend und ekstatisch ist. Berlin war immer groß genug, um sich als ein Teil der Welt zu fühlen, aber auch klein genug, dass ich mich cozy fühle.
Sie beschreiben Berlin als einen Knotenpunkt für Kreative …
Und das ist in den 25 Jahren auch geblieben: die Kreativität. Es ist hier wie eine Transferhalle im Flughafen. Die Leute kommen von überall her und lassen ihr altes Leben zurück, Freunde und Arbeit, um hier neue Erfahrungen zu sammeln. Ich glaube an Zusammenarbeit und Kollaboration. Das ist gut für die Künste.
Es wurde viel gebaut, die Stadt wurde moderner. Ihr Bildband verdeutlicht das. Der Potsdamer Platz ist auf Ihren Fotos kaum wiederzuerkennen. Ist noch etwas vom alten Berlin übrig?
Ich würde eher sagen, dass die Orte gewechselt haben. Mittlerweile wohnen viele Künstler auch in Neukölln oder sogar in Wedding. Das ist komisch, seit 20 Jahren redet man über den Wedding und dass er bald groß rauskommt (lacht). Am Potsdamer Platz war ich früher öfter unterwegs, zum Beispiel im Club Tresor.
Der ist in die Köpernicker Straße umgezogen …
Da fällt mir aber ein, was sich wirklich geändert hat: Berlin ist eine Partyhauptstadt geworden. Früher war es New York und London, jetzt ist es Berlin. Damals gab es selten Türsteher und man musste meistens nur eine Mark für die Garderobe zahlen. Jetzt ist alles viel größer und teurer geworden. Aber solche Änderungen müssen nichts Schlechtes sein. Ich glaube, der ökonomische Boom ist letztendlich gut für die Stadt.
Ist die wilde Zeit Berlins also vorbei?
Ob's noch irgendwann ein neues Berlin geben wird, würde ich auch gerne mal wissen (lacht). Ich sag mir immer: So lange die Stadt mich interessiert und inspiriert, bleibe ich auch hier. Wenn ich einen anderen Ort finde, der interessanter wäre, dann bin ich auch bereit, Berlin zu verlassen. Aber bisher ist nichts in Aussicht.
Warum wurde Ihr Gesicht eigentlich so oft von befreundeten Künstlern porträtiert?
Ich weiß nicht, warum man mich immer wieder porträtiert hat (lacht). Aber es gibt sehr viele Künstler die mich gemalt und gezeichnet haben. Beispielsweise das Porträt "Mikas Seelenraum" von Denny Brückner. Ich liebe es. Viele sagen, es sehe traurig aus, ich habe mich in dem Bild aber selbst gut wiedererkannt.
Zur Person: Mika Mario Minetti, Jahrgang 1977, geboren in Tampere, Finnland, ist Fotograf, Journalist und Copywriter. Er war von 2012 - 2014 Mitinhaber der Galerie Musterzimmer.
Das Buch "It Happened in Berlin: Art, Love & Fashion" wird am Donnerstag, den 15. Februar, ab 19 Uhr im Berliner Finnland-Institut vorgestellt. Bei einem anschließenden Podiumsgespräch werden der Autor, die Künstlerin Niina Lehtonen Braun und die Leiterin des Finnland-Instituts, Laura Hirvi, anwesend sein. Das Thema: Warum kommen finnische Künstler nach Berlin?