Die Malerin Rusudan Khizanishvili setzt sich in ihrem Werk damit auseinander, was es heißt, Mensch zu sein. Dabei entstehen oft allegorische Gemälde mit mystischen Figuren und starken Farbwelten. Khizanishvili lebt und arbeitet in Georgien. Seit 2023 gibt es in ihrem Heimatland politische Unruhen und Proteste gegen die Regierungspartei und deren prorussische Politik. 2024 verstärkten sich die Demonstrationen nach der Parlamentswahl im Oktober, deren Ergebnis von der Opposition als gefälscht abgelehnt wird. Auch der Aufschub der EU-Beitrittsbemühungen durch die Regierung löste Empörung aus. Auch darüber haben wir mit ihr gesprochen.
Rusudan Khizanishvili, ich erreiche Sie in Ihrem Atelier in Tiflis in Georgien. Woran arbeiten Sie gerade?
Rusudan Khizanishvili nimmt ihr Handy in die Hand und führt durch den Raum, an einer Wand hängt eine großformatige Leinwand, die sie filmt.
Ich male gerade ein Stillleben. Auch bei Bildern ohne Figuren ist es mir wichtig, menschliches Leben zu zeigen. Das Gemälde soll ausstrahlen, dass gerade jemand im Raum ist, dass die Szene belebt ist. Bei meinen Stillleben baue ich daher auch immer kleine Porträts oder Skulpturen ein, die zeigen, dass es den Menschen gibt. Eigentlich dreht sich alle meine Kunst um die menschliche Präsenz auf diesem Planeten.
Was beutetet das konkret?
Ich beschäftige mich viel mit Transhumanismus - also den Ideen davon, was es bedeutet, die Grenzen menschlicher Möglichkeiten zu erweitern. Dazu gehört zum Beispiel die Suche nach dem ewigen Leben, die den Menschen schon so lange begleitet. Die Welt um uns herum verändert sich, aber diese Suche bleibt. Ich finde das faszinierend. Um die Menschen, die damit nach Macht streben, geht es mir aber nicht, sondern auf die Poetik dieser Sehnsucht. Ich hoffe, ich komme zu diesem Thema nochmal zurück in meiner Malerei.
Wieso zurück?
Gerade ist alles von der schockierenden politischen Situation in Georgien überlagert. Ich habe den Eindruck, dass alles seinen Wert verliert. Was gerade passiert, ist erschreckend und angsteinflößend. In den letzten zwei Jahren habe ich viel über die Zukunft nachgedacht, die so viel Zerstörung zu bergen scheint. Die ganze Zeit darüber nachzudenken, ist aber unerträglich. Vor etwa zwei Monaten habe ich deswegen entschieden, auch bewusst gedanklichen Abstand zu aktuellem Geschehen einzunehmen. Ich muss gerade herausfinden, wie ich überhaupt in dieser Welt weiterleben kann.
Hilft Ihnen die Kunst dabei?
Ich kämpfe um ein kleines Stück Glück in meinem Atelier. Außerdem glaube ich, dass die Menschheit ein Bedürfnis nach Kunst hat, auch, oder gerade in Zeiten von Krisen. Die Kunst war immer da, und sie wird immer bleiben. Vielleicht anders als heute, aber sie wird relevant bleiben. Für mich ganz persönlich ist es auch ein Schutzraum, Kunst zu erschaffen. Ich lebe mein Leben in meinem Atelier. In meiner Malerei und erschaffe meine eigene Welt, die für mich sicher ist. Sie ist lebensnotwendig geworden.
Derzeit sind einige Ihrer Werke in der Galerie Kornfeld in Berlin unter dem Titel "Trust Issues" zu sehen. Was bedeutet dieser Begriff für Sie?
Für mich hatte das Ausstellungsthema ebenfalls viel mit der aktuellen politischen Situation in Georgien zu tun. Hätten wir vor zwei Jahren etwas zu dem Thema gemacht, wäre mein Ansatz vermutlich ganz anders und viel persönlicher gewesen. Aber gerade dreht sich alles um das Vertrauen in die Regierung - beziehungsweise darum, genau das Vertrauen in die Menschen, die politisch verantwortlich sind, zu verlieren. Das führt für mich zu einer Suche nach Schutz. Dieses Thema taucht in meinen Bildern in der Ausstellung immer wieder auf. Auf einem Bild sieht man zum Beispiel eine Figur, die Flügel hat. Sie streckt sie aus, wie ein Engelswächter. Das mag ein Klischee sein. Aber es erklärt, was ich gerade fühle – oder mir wünsche.
Wird es durch die politische Situation in Ihrem Heimatland für Sie wichtiger, Ihre Werke im Ausland zu zeigen?
Ja, sehr. Die Situation in Georgien ist gerade sehr toxisch. Ich bin froh, wenn ich woanders frische Luft schnappen kann. Außerdem versuche ich durch meine Arbeit, anderen bewusst zu machen, was gerade in meinem Land passiert.
Was inspiriert Sie momentan?
Literatur spielt immer eine wichtige Rolle für mich. Meine Schwester, die zehn Jahre älter ist als ich, ist Philologin, von ihr habe ich mir als Kind immer viele Bücher ausgeliehen. Ich glaube, bis heute ist das Lesen eine der größten Inspirationen für mich. Ich glaube, weil alle meine Lektüren irgendwo in mir gespeichert sind. Selbst wenn ich etwas zum Zeitpunkt des Lesens nicht verstanden habe, ist es noch in mir. Manchmal tauchen dann einzelne Dinge wieder auf, das ist ein spannender Prozess. Aber auch Film und Kinematografie inspirieren mich sehr.
Ursprünglich haben Sie Film studiert, richtig?
Ja, in Tiflis. In dem Bereich habe ich aber nie gearbeitet. Ich habe immer schon gemalt und gezeichnet, mein Studium hat aber meine Kompositionen durch die Auseinandersetzung mit Design, Kostüm und Kinematografie erweitert.
Gehen Sie noch regelmäßig ins Kino?
Ja, sehr gern. Zuletzt habe ich "Kinds of Kindness" angeschaut, das habe ich aber im Kino leider verpasst. Außerdem liebe ich "Dogtooth" und "The Killing of a Sacred Deer" von Giorgos Lanthimos, "Poor Things" von ihm sticht für mich vor allem wegen seiner visuellen Effekte hervor.
Sie malen oft großformatig und in Serie. Wie kam es dazu?
Ich zeige nicht nur Bilder, sondern erzähle Geschichten. Und für große Geschichten ist auf kleinen Leinwänden nicht genug Platz. Außerdem genieße ich den Prozess der Malerei sehr. Viele meiner Bilder beziehen sich aufeinander, weil ich oft das Gefühl habe, ein Gemälde reicht nicht, um alles zu sagen. Ich hätte auch Lust, auf drei mal fünf Metern oder einer ähnlichen Größe zu arbeiten. Dann wäre das vielleicht wieder anders. Ich sehe diese Formate fast wie Bühnenbilder – Umgebungen, die nicht nur betrachtet, sondern von Menschen "bewohnt" oder "aktiviert" werden sollen. Diese Idee ist zentral für meine Arbeit, da sie die erzählerische Kraft meiner Bilder zusätzlich verstärkt.
Ihre Gemälde sind sehr bunt, zugleich arbeiten sie in ihren Zeichnungen in Schwarz-Weiß. Welche Bedeutung hat Farbe für Ihr Werk?
Ich habe eine große Leidenschaft für Farbe. Ich glaube, wenn ich zeichne oder auch Vorzeichnungen für Gemälde mache, geht es mir viel darum, Linien unter Kontrolle zu haben. Die Farbe hingegen lasse ich von selbst kommen. Ich brauche aber auch die Abwechslung, zwischen der Reise mit Farbe und der schwarz-weißen Konzentration auf Formen. Es sind verschiedene Welten, die jeweils unterschiedliche Botschaften tragen können.
Was ist gerade dran?
Ich lebe in, durch und mit meinen Bildern. Gerade arbeite ich gern mit harmonischen Tönen. Was den Einsatz von Farben angeht, bin ich auch ein großer Fan von Impressionismus, Expressionismus und Postexpressionismus. Darin, wie Künstler Farbe einsetzen, liegt immer auch ein Mysterium.