Olga Funk, Sie sind Designerin und arbeiten vor allem als Gestalterin für Magazine und Bücher. Was hat Sie bewogen, einen Laden für Magazine aufzumachen, mitten in der Print-Krise und der Corona-Krise?
Es ist noch verrückter, ich habe noch dazu im letzten Jahr einen eigenen Verlag gegründet im Bereich Kunst im öffentlichen Raum / Urbanismus. Meine freie Projektarbeit als Editorial-Designerin hatte in den vergangenen zwei Jahren mehrere Bücher zu diesen Themen hervorgebracht; es war naheliegend, diese Publikationen nicht nur zu gestalten und zu produzieren sondern auch gleich zu verlegen. Vor acht Jahren bin ich während meines Designstudiums in London auf MagCulture gestoßen – ein inspirierender Ort für alle Editorial Design-Begeisterte. Ich habe damals viele Magazine als visuelle Inspiration gekauft und war total begeistert von der gestalterischen und konzeptionellen Qualität dieser Hefte, beispielsweise in der Beziehung von Text zu Bild. Damals dachte ich mir, warum gibt es sowas eigentlich nicht in Köln?
Und dann wollten Sie selbst dafür sorgen, dass es so etwas gibt?
Ja. Einen Ort für unabhängige Magazine in Köln zu erschaffen, ist ein langjähriger Traum von mir. Wenn ich auf Reisen war habe ich immer nach solchen Läden gesucht und kofferweise Magazine mitgebracht. Irgendwann habe ich angefangen, mir Titel aufzuschreiben, und mir die Magazin-Marktplätze in Deutschland und Europa genauer anzuschauen. Vor ungefähr zwei Jahren wurde die Idee des Raum für unabhängige Magazine dann konkreter und ich habe nach Ladenlokalen gesucht. Nebenbei, was bei dem aufgeheizten Immobilienmarkt in Köln und meiner zeitintensiven Projektarbeit als Gestalterin, nicht von Erfolg gekrönt wurde. Doch vor zwei Monaten kam das Ladenlokal dann sozusagen zu mir. Eine ehemalige Hofdurchfahrt wurde unter dem Titel Durchfahrt als kultureller Transitraum genutzt. Ein befreundeter Künstler hatte dort Arbeiten ausgestellt und angesichts der Lage, dem besonderen Charme, Architektur und Geschichte des Raum, war schnell klar, dass dies der Ort für die Unternehmung Funk Magazine sein würde. Es hat sich alles zusammengefügt; gute Ideen brauchen Zeit, Geduld und die richtigen Umstände.
Also ist der Shop auch ein Produkt der Coronakrise?
Eine Tür schließt sich, eine andere öffnet sich. Ich habe mich gerade auf die Suche nach neuen Gestaltungsaufträgen begeben, als es zum Lockdown kam. Es gab keine Arbeit, dafür viel Zeit zum Lesen – Zeit, die man sich immer nehmen sollte – und Ruhe, um Gedanken und Projekte zu sortieren. Ich bin in meine Magazinsammlung eingetaucht, bin wie auf eine Weltreise gegangen, hinein in den Mikrokosmos verschiedener Szenen der Welt. Die Möglichkeit mit dem Raum konnte ich mir dann nicht entgehen lassen. Der Magazinladen basiert auf einem Pop-Up-Konzept und vorerst bis Ende des Jahres bin ich sozusagen in einer offenen Beziehung mit dem Ladenlokal auf der Krefelder Straße. Parallel entsteht ein Online-Shop und je nachdem wie die Durchfahrt und ich uns vertragen bleibt der Laden dort länger oder zieht weiter.
Wie sehen Sie die Lage für unabhängige Verlage und Magazine speziell in Köln, wo das Walther-König-Imperium seinen Ursprung hat?
Als Kölnerin kann man sehr stolz darauf sein, solche namhaften Verlage wie Walther König oder Taschen in der Stadt zu haben, die spielen natürlich eine wichtige Rolle. Dann gibt es Agenturen wie Meiré und Meiré, die namhafte Magazine wie "032c", "Interview" und "Kunstforum" gestalten. Es gibt aber auch viele einzelne Produzentinnen und Produzenten, wie das Magazin "In My Hands" von Studierenden der KHM. Ich habe mit der Kommunikation für meinen Shop erst zwei Wochen vor Eröffnung angefangen und seitdem viele Anfragen bekommen von Verlegerinnen und Verlegern aus Köln und Umgebung.
Was unterscheidet einen Shop wie Ihren von Museumsbuchhandlungen und ähnlichem?
Funk Magazine widmet sich ausschließlich dem Magazin-Format und unabhängigen Verlagen. Es geht inhaltlich nicht nur um Kunst und Kultur. Politik, Gesellschaft, Ökologie und Ökonomie sind ebenfalls im Sortiment. Dabei werden Nischen genauso wie Themen aus dem Mainstream bearbeitet. Die internationale unabhängige Magazin-Landschaft ist sehr vielseitig und hat thematisch einiges zu bieten. Ich bin teils selbst überrascht, welche Nischenthemen aufgegriffen werden, es gibt keine Grenzen oder thematischen Scheuklappen. Für mich ist das wie ein Tor zu Welt, oder zu ganz vielen Welten. Es gibt zum Beispiel auch ein Magazin, das während der Isolation entstanden ist, oder monothematische Magazine, wie "Journal du The" oder "MacGuffin", die sich mit konkreten Objekten beschäftigen, zum Beispiel einer Kommode, der Kulturgeschichte vom ersten Kabinett im Mittelalter bis heute, und dem Thema ein ganzes Heft widmen. Klar gibt es hier und da Concept Stores, die Reise- oder Interiormagazine anbieten, und eben die bekannten Museumsshops für Kunst und Designmagazine zwischen Büchern und Katalogen. Mein Konzept ist jedoch ein Laden, in dem es nur Magazine gibt, zu ganz unterschiedlichen Themen.
Gibt es einen Schwerpunkt, geografisch oder thematisch?
Nein, die Magazine kommen aus aller Welt, auch wenn es mit den internationalen Lieferungen gerade teilweise schwierig ist. Die wichtigste Sprache ist Englisch, weil viele Magazine international ausgerichtet sind, es gibt aber auch viele, die zweisprachig produzieren, und ich möchte so viele wie möglich abdecken. Das ist aber ein Prozess und das Sortiment wird sich auch immer ändern. Außerdem möchte ich unabhängigen Initiativen aus Köln eine Plattform bieten und habe viele Magazine aus der Region im Programm, die lokale Community ist mir sehr wichtig und ich plane auch kleine Veranstaltungen, von Launch Events bis zu Gesprächen über Magazinproduktion und das, was dahinter steckt.
Welche Vorteile haben Printmagazine Ihrer Meinung nach gegenüber Onlineformaten?
Die Menschen hinter den unabhängigen Magazinen sind überwiegend jung und digital versiert und suchen oftmals gerade deshalb nach Ausdrucksformen in anfassbaren Medien und einem Ausgleich zum digitalen Overload. Ich bin natürlich etwas voreingenommen, weil ich selbst hauptsächlich Printprodukte gestalte. Das haptische Erlebnis ist das offensichtlichste im Vergleich zu einem Blog, du kannst daran riechen, darin blättern, du kannst es für dich bearbeiten, Zettel reinlegen oder Seiten ausschneiden, es dir ins Regal stellen und wieder herausholen, das Papier ist zeitlos. Bei den unabhängigen Magazinen wird viel Wert auf die Gestaltung und Produktion gelegt: Papierwahl, Veredelung, Bindung; das hat einfach eine besondere ästhetische Wertigkeit, fast schon einen Sammelcharakter. Jedes Magazin hat eine eigene Persönlichkeit, und ich sehe auch bei der redaktionellen inhaltlichen Arbeit häufig eine höhere Qualität als bei einigen Newsfeeds, die schnell mit Inhalten gefüllt werden.
Seit Jahren heißt es: Print stirbt aus. Auflagen sinken, Verlage schließen, und gleichzeitig kommen immer wieder neue Magazine auf den Markt. Wie betrachten Sie diese Entwicklung?
Traditionelle Verlagsstrukturen sind nicht mehr zeitgemäß. Man muss die neuen Entwicklungen für sich beanspruchen und aus der Komfortzone herauskommen. Gut gemachte, wertige Druckerzeugnisse werden nicht aussterben. Natürlich gibt es Magazine, die kommen und gehen oder nach zwei Ausgaben wieder verschwinden. Angesichts der Vielzahl und der zunehmenden Frequenz an Neuerscheinungen im Magazin-Bereich geht der Trend hin zum "Slow Reading".
Wenn Sie drei Magazine aus deinem Sortiment empfehlen müssten, welche wären das?
Schwierig! Ich fühle mich grade wie im Paradies in diesem Laden, umgeben von so vielen tollen Magazinen. Meine Empfehlungen sollen nicht vom Wesentlichen eines Magazinladens ablenken: dem selbstständigen Entdecken. Lassen Sie mich dennoch zwei Magazine kurz vorstellen, die aktuell und zeitlos sind: Das arabisch/englische Journal "Safar" – es handelt von visueller Kultur, doch es geht weit darüber hinaus, politisch-gesellschaftlich, mit Fokus auf dem Libanon. Safar Studio ist ein wichtiger Kultur-Akteur in Beirut, und wurde durch die Explosion betroffen. Ein Projekt, das nicht nur lesens-, sondern auch unterstützenswert ist. Mit dem Magazin "Flaneur" tauchen wir ein in den endlosen Kosmos der Stadt, besser gesagt in die Straße. Das Besondere liegt im interdisziplinären Entstehungsprozess, bei dem Künstlerinnen und Künstler aller Sparten, Flaneure, Literatinnen und Redakteure für zwei Monate an einem Ort eine Ausgabe erarbeiten: ortsspezifische Projektarbeit, die einen gedruckten Ausdruck im Magazin findet. Ausgehend von einer Straße werden universelle, urbane Geschichten erzählt. Aktuell geht es in Volume 7 um die Megacity Sao Paulo.