Freier Eintritt im Jüdischen Museum Berlin

"Die finanzielle Barriere spielt keine Rolle mehr"

Eine gute Kunst-Nachricht, die im Lockdown-Frust fast unterging: Der Eintritt in die Dauerausstellung des Jüdischen Museums Berlin ist in Zukunft frei. Aber wie geht das in Zeiten riesiger Einnahmeeinbußen? Wir haben Direktorin Hetty Berg gefragt


Hetty Berg, gibt es den freien Eintritt ins Jüdische Museum Berlin trotz oder wegen der Corona-Pandemie? 

Schon vor Corona kam Kulturstaatsministerin Monika Grütters auf uns zu. Das Haus der Geschichte in Bonn und das Deutsche Historische Museum in Berlin haben bereits den freien Eintritt in ihre Dauerausstellungen. Es war ihr Wunsch, dass die drei großen Geschichts-Museen des Bundes kostenlos sind. Die Pandemie hat daran nichts geändert. 

Sie mussten also gar nicht bitten?

Nein, die Initiative kam von Frau Grütters, aber wir freuen uns natürlich über diese Entscheidung. Auf diese Art können wir am Jüdischen Museum Berlin noch viel mehr Menschen Teilhabe ermöglichen. Die finanzielle Barriere spielt keine Rolle mehr. 

Museen sind seit mehreren Monaten im Lockdown, die Häuser klagen über riesige Einnahmeverluste. Wie soll die Finanzierung in Zukunft aussehen?

Die entfallenden Eintrittsgelder werden vom Bund bereitgestellt, also verlieren wir kein Geld. Das ist die Voraussetzung für den freien Eintritt, anders wäre uns dieser Schritt nicht möglich gewesen. 

Wie viel Prozent des Budgets haben Sie bisher selbst durch Eintrittsgelder aufgebracht?

Aus Eintrittsgeldern haben wir bisher rund 16 bis 20 Prozent unserer jährlichen Gesamteinnahmen aufgebracht. Das entspricht ungefähr der Summe von 3,2 Millionen Euro, die wir nun jährlich von der Bundesbeauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien bekommen.

Müssen Sie im Gegenzug für den freien Eintritt auf etwas anderes verzichten?

Nein. Es kommen eher noch mehr Angebote dazu. Voraussichtlich im Juni werden wir unsere neue Kinderwelt Anoha eröffnen, wenn die Corona-Maßnahmen es erlauben. Und auch dort wird der Eintritt frei sein. Die Kinderwelt ist ein Ort für Familien und Kinder im Kita- und Grundschulalter. Im Zentrum steht die Erzählung der Arche Noah. Die Kinder können dort spielen und die Geschichte der Arche Noah kennenlernen und in ihre eigene Lebenswelt übersetzen. Ich erwarte, dass das für viele Menschen ein Einstieg sein wird, um erstmals zu uns ins Haus zu kommen - gerade für Menschen aus Deutschland und Berlinerinnen und Berliner. 

Der Städtetourismus, der auch für Ihr Museum wichtig war, wird sicher nicht so schnell wieder Vor-Corona-Niveau erreichen. Rechnen Sie mit weniger Publikum nach der Wiedereröffnung nach dem Lockdown - oder kann der freie Eintritt schnell neues Publikum ansprechen?

Bisher waren 75 Prozent unseres Publikums internationale Touristen, bei 600.000 bis 700.000 Besucherinnen und Besuchern im Jahr. Das wird man nicht so schnell ersetzen können. Ich hoffe allerdings, dass die Reisebeschränkungen dazu führen, dass mehr Menschen aus Deutschland die kulturellen Möglichkeiten in der eigenen Stadt und im eigenen Land wahrnehmen. Aber auch vor Corona war mein Wunsch, die lokale Bevölkerung stärker zu erreichen und mehr Deutsche in unser Haus zu holen, weil es auch für sie eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielt. Wir brauchen die Menschen, die diese Gesellschaft ausmachen.  

Die Allianz zwischen Tourismus und Museen funktioniert durch die Pandemie nicht mehr. Wäre jetzt der Zeitpunkt, sich von Besucherzahlen als wichtigstes Erfolgskriterium eines Museums zu verabschieden?

Es war nie Ziel unseres Museums, einfach nur viele Menschen anzuziehen. Unser Anspruch ist es, die jüdische Kultur in der Vergangenheit und - ganz wichtig - in der Gegenwart so gut wie möglich zu vermitteln. Aber wenn man dieses Ziel hat, ist es natürlich förderlich, so viel Reichweite wie möglich zu generieren und viele Menschen mit diesen Botschaften zu erreichen. Das ist nicht nur ein ökonomischer Gedanke.

Wird ein Teil der wegfallenden Einnahmen auch durch private Sponsoren aufgefangen werden?

Dank der Unterstützung durch Drittmittel oder Förderungen aus verschiedenen Richtungen – sowohl von Privatpersonen als auch von Unternehmen und Stiftungen – können wir zahlreiche zusätzliche Projekte umsetzen. Für die rein operativen Kosten spielt das jedoch eine untergeordnete Rolle. 

Sind die Eintrittskosten eigentlich tatsächlich die größte Barriere, die Menschen von Museen fernhält?  

Es ist nicht der einzige Faktor, aber er ist wichtig. Und wir haben bereits viel Erfahrung damit, mit unserem Bildungsprogramm Gruppen zu erreichen, die normalerweise vielleicht nicht ins Museum gehen. Wir haben einen Bus mit einer mobilen Ausstellung, der durch das Land fährt und ein großes Programm für In- und Outreach. Wir versuchen nicht nur, für die Menschen da zu sein, die zu uns ins Museum kommen, sondern ihnen auch außerhalb zu begegnen, digital und vor Ort. Speziell für junge Leute und Familien ist das finanzielle Budget aber eine zentrale Frage. Wenn man in Berlin ist und sich fragt, was man machen und sich leisten kann, kommt mit dem freien Eintritt einfach eine Möglichkeit dazu.

Die Finanzierung durch den Bund ist eine spezielle Situation. Aber glauben Sie, dass freier Eintritt in Museen ein Ziel für noch mehr Häuser sein sollte? 

Es wäre natürlich wünschenswert und wunderbar, wenn so viel Kultur wie möglich frei zugänglich sein kann. Ich selbst würde mir außerdem wünschen, dass auch unsere Wechselausstellungen kostenlos sein könnten, weil so der Anreiz größer wird, öfter vorbeizukommen. Aber es ist ein Prozess, und ich bin mir bewusst, dass wir uns als Einrichtung des Bundes in einer privilegierten Situation befinden. Nicht alle Träger haben die Mittel, um das für ihre Museen möglich zu machen. Aber man sollte die Möglichkeit nicht aus den Augen verlieren.