Frau Löffler, Sie haben für Ihre Serie "Exotic Plant Hunters" Fotos aus der Kolonialzeit, auf denen sich Menschen des globalen Nordens mit exotischen Pflanzen präsentieren, mit Social-Media-Bildern von heute kombiniert. Dort präsentieren sich sogenannte "Plant Moms" mit exotischen Pflanzen. Wie sind Sie auf die Idee zu dem Projekt gekommen?
Grundsätzlich bin ich durch ein Seminar bei Aram Bartholl zum Thema Kolonialismus sensibilisiert worden. Dort haben wir uns viel mit Dingen beschäftigt, die noch Überbleibsel aus dieser Zeit sind. Parallel dazu mache ich einen Job als Grafikdesignerin, und mir ist aufgefallen, dass auf Grafiken oft exotische Pflanzen zu sehen sind. Ich hab mich gefragt, was das für ein Phänomen ist und woher dieser Trend kommt. Ich habe gemerkt, dass es mit der Palme angefangen hat, die für Luxus steht. Das Gleiche passiert jetzt mit dem Monstera-Blatt. Im Zuge der Recherchen ist mir aufgefallen, dass noch sehr viele Baumärkte und Möbelhersteller mit dem "Kolonialstil" werben. Das habe ich dann erstmal alles zusammen in einen Topf geworfen und dadurch bin ich auf die "Plantfluencer:innen" gekommen.
Wie sind Sie an die Bilder aus der Kolonialzeit gekommen?
Ich habe viel über Online-Archive von Bibliotheken gefunden. Teilweise sind es Postkartenmotive, die in Postkartenarchiven liegen, insgesamt eine bunte Mischung. Was immer gut funktioniert hat, war, das Thema "Planthunter" zu suchen. Dabei spielt der Algorithmus von Google eine Rolle. Bei "ähnliche Bilder" habe ich mich dann durchgeklickt.
Haben Sie die Menschen auf den Bildern von heute kontaktiert?
Bisher nicht.
Was macht die Faszination für Pflanzen aus, die es in Europa ursprünglich nicht gibt?
Vielleicht ist das ein Gedanke aus der Kolonialzeit, der noch in uns steckt, das weiß ich nicht. Pragmatisch gesehen blühen Pflanzen, die hier wachsen, nicht das ganze Jahr über. Daher ist es wahrscheinlich der Punkt, dass man sich das nimmt, was am schönsten ist. Ich bin auch noch auf der Suche nach einer Antwort. Es ist auf jeden Fall faszinierend, denn die Vielfalt kann man nicht leugnen, und ich denke, dass da eine Faszination für die Formen und Farben, also die Schönheit der Pflanzen besteht.
Und was steckt hinter dem Phänomen, diese auf Social Media zu präsentieren?
"Ich kaufe keine Klamotten, ich kaufe Pflanzen." Das ist ein Statement und auch eine Art Umweltbewusstsein beziehungsweise Achtsamkeit. Man umgibt sich mit der Natur. Man sieht nur die positiven Aspekte.
Problematisch sind ja nicht unbedingt die Pflanzen, die gekauft werden, sondern die Annahme, dass der globale Norden die Norm ist und alles andere "exotisch". Glauben Sie, dass den Menschen bewusst ist, was für eine Geschichte dahinter steckt?
Ich glaube nicht. Mir war das auch nicht bewusst, bis ich es recherchiert habe.
Welche Botschaften werden heute auf Social Media gesendet?
Es sind definitiv Statussymbole. Es ist eine Demonstration von Wohlstand und Zeit. Mich hat überrascht, dass die Pflanzen teilweise sehr teuer sind. Je "exotischer", seltener und größer, desto mehr Geld bezahlt man. Und dann habe ich angefangen, die Bilder aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Es gibt sogenannte family portraits. Das bedeutet, dass man sich zusammen mit seinen Pflanzen fotografiert, wie eine Familie. Und dann weiß ich als Betrachterin: Da stehen jetzt locker 2000 Euro.
Worin bestehen die Unterschiede in den Bildern?
Die Dimension ist eine andere. Früher war es das Bürgertum, reiche, schicke Menschen, die sich von ihren Kolonialreisen vielleicht zwei, drei große Pflanzen mitbrachten. Heute setzt der Trend an einem viel niedrigeren Punkt an, es sind sehr viel mehr jüngere Menschen, die sich Pflanzen zulegen und es geht sehr viel mehr um die Masse.
Der Hashtag #plantparent wurde über 500.000 mal auf Instagram genutzt. Hinter den Bildern stecken meist junge Leute, die (noch) keine Kinder haben. Geht es denen Ihrer Meinung nach wirklich um die Versorgung von Pflanzen oder auch um etwas anderes?
Ich glaube, dass es ein bisschen ein Ersatz ist. Einige Kommiliton:innen, mit denen gesprochen habe, sehen wirklich viel in diesen Pflanzen. Sie spielen ihnen Musik vor und sprechen mit ihnen. Es gibt sogar Alben mit spezieller Musik für Pflanzen. Ähnlich wie mit einem Haustier. Bei einer Pflanze ist es aber eben nicht so schlimm, wenn mal ein Blatt gelb wird oder runterfällt. Es ist, denke ich, eine vorsichtige Verantwortung, die man mal ausprobiert.
Der Titel Ihrer Arbeit "Exotic Plant Hunters" bedeutet übersetzt "Jäger exotischer Pflanzen". Hier ist ein Zusammenhang mit dem Jagen von exotischen Tieren zu erkennen. Die Pflanzen werden aber nicht getötet, sondern meist verhätschelt. Was hat die Obsession mit exotischen Pflanzen für Sie mit Jagen zu tun?
Früher sind sehr viele Botaniker:innen in die Kolonien gereist und haben diese Pflanzen einfach an sich genommen, sie ausgerissen, um sie mitzunehmen. Es hat etwas Aggressives. Wenn man sich überlegt, dass die Pflanzen gezüchtet werden, also vor allem domestiziert, damit sie möglichst hübsch aussehen und in unsere Wohnung passen - das hat für mich etwas Gewalttätiges. Gleichzeitig gibt es noch das Thema Schnäppchenjäger:in. Diese Jagd-Metaphern werden beim Shopping benutzt, das ist eine Parallele.
Wissen Sie wie sich die Handelsstrukturen entwickelt haben? Die Verfügbarkeit ist ja jetzt eine ganz andere.
Gerade bei der Monstera gab es eine Zeit lang einen riesigen Andrang, und die Pflanzen waren dann nicht mehr lieferbar, weil die einfach ihre Zeit brauchen, um groß zu werden. Und sie wachsen in den Ursprungsländern natürlich viel besser und schneller als hier. Das Aufziehen hier würde in unseren Gewächshäusern viel zu viel Platz und Zeit kosten. Viele Pflanzen im Großhandel werden auf Plantagen im globalen Süden gezüchtet und kommen dann hierher.
Sie haben ausschließlich Beispiele mit Personen herangezogen, die weiß sind. Gibt es Menschen aus ehemaligen Kolonialstaaten, die eine öffentliche Haltung gegenüber diesem Trend haben? Haben Sie mit diesen Personen darüber gesprochen?
Da das Thema auch für mich neu ist, habe ich bisher noch nicht mit jemandem darüber gesprochen. Aber es war auf jeden Fall eine bewusste Entscheidung, in den Bildern nur weiße Menschen zu zeigen. Ich finde, gerade wenn es um koloniale Statussymbole geht, ist das eine Aneignung, die man nur weißen Menschen vorwerfen kann.