Herr Elliot, unterscheiden sich Künstler und Influencer im digitalen Zeitalter noch voneinander, wenn beide eine starke Präsenz in den sozialen Medien haben?
Ich glaube nicht. Künstler und Influencer teilen Meinungen, Botschaften und ihren Lifestyle. Manche Influencer machen das gut, besser als manche Künstler – und umgekehrt. Künstler und Influencer üben Einfluss aus, sie sind ein Hybrid. Ich selbst verstehe mich als kreative Marke, ich verkaufe Konzepte und Ideen, Produkte und Kunstwerke.
Sie werden als Künstler nicht klassisch von einer Galerie, sondern von einer PR-Agentur repräsentiert.
Heutzutage baut man sich eher etwas über Marketing- und Kommunikationswege auf. Ich habe natürlich zuerst Ausstellungen gemacht. Sehr bald aber habe ich mit einer PR-Agentur einen Newsletter verschickt. Das war die einzige Möglichkeit, die ich als Neuling in diesem Betrieb hatte. Für meine Generation ist das nicht ungewöhnlich. Wir sind mit sozialen Medien aufgewachsen, wir haben so die Möglichkeit, gesehen zu werden. Wenn die künstlerische Arbeit gut ist, geht alles den üblichen Weg. Mittlerweile arbeite ich mit Galerien zusammen.
Sie machen auf Instagram nicht deutlich, dass Sie Künstler sind und Ihr Account Teil Ihres Werkes ist. Sie wirken wie ein männlicher Influencer, Sie hingen sogar mit dem CGI-Model Lil Wavi in Paris ab. Würden Sie sich selbst als Künstler bezeichnen?
Ich verhalte mich, wie es üblich ist in sozialen Medien. Ich zeige meine Persönlichkeit und meine Interessen. Ich vergeude nicht meine Zeit damit, mich zu fragen, welcher Kategorie ich angehöre. Heute ist alles fließend. Ich mag den Begriff Kreativbusiness. So kann ich meine Fähigkeiten entwickeln, ohne mich fragen zu müssen, ob ich das Recht dazu habe.
Ein Beispiel ist der Ben Elliot Shop?
Ja, genau. Letztes Jahr habe ich im Rahmen einer Gruppenausstellung ein Kunstwerk gemacht, den Ben Elliot Shop energized by Red Bull. Das war ein Pop-Up Store mit 50 Marken aus den Bereichen Unterhaltung, Food, Tech und Mode. Es ging um neue Lebensstile, Technologien und künstliche Intelligenz. Der Pop-Up Store war eine Kunstinstallation und eine Möglichkeit für mich, an neuen Partnerschaften und Kooperationen mit Menschen und Marken zu arbeiten. Einige Besucher kamen wegen der Mode, der Schwerpunkt lag auf Sport und Fußball; für sie ging es nicht um Kunst, das ist okay für mich.
Alles im Shop konnte gekauft werden?
Ja, im Shop scannte man einen QR-Code. Auf einige Produkte gab es 50 Prozent Rabatt über einen Promo-Code, den man nur vor Ort bekommen konnte. Kaufen, das ging allerdings nur online. In der Zukunft kauft man sowieso nur noch online ein.
Ihre ersten Produkte waren Bücher und Wasser, das Ben Elliot Water und das "Diary", eine Sammlung Ihrer Instagram-Statusmitteilungen.
Mein Tagebuch hatte ich auf Instagram geführt, dann bekam ich die Möglichkeit, ein Buch daraus zu machen. Es war der Beginn meiner Arbeit, eine Art Zeugnis eines Schöpfers, der Online unterwegs ist. Ich habe das Buch mit einer neuen Serie von Kunstwerken unter dem Titel "Unreleased Selfies" veröffentlicht. Das sind Selfies, wie der Name sagt, die bis dahin unveröffentlicht waren. Beides ist ein Blick hinter die Kulissen meiner Online-Präsenz.
Und warum das Wasser?
Wasser, weil es unsere Lebensgrundlage ist. Mein Wasser ist Merch und Kunst. Ich interessierte mich für Social-Media-Merchandise. Mit dem Ben Elliot Water lege ich den Fokus auf aktuelle Konzepte der Zusammenarbeit. Die Flasche wurde in Zusammenarbeit mit der Wassermarke Voda Voda konzipiert. Für die Marke ist es eine intelligente Produktplatzierung.
Für die Kampagne in den sozialen Medien haben Sie mit Influencern gearbeitet?
Ja, ich habe mit einigen Influencern zusammengearbeitet, um das Wasser bekannt zu machen, aber auch um Bilder für das Projekt zu generieren. Die meisten Beiträge stammen allerdings von Leuten, die die Flasche gekauft haben.
Auf den Ben Elliot Shop folgte aktuell eine von Ihnen kuratierte Gruppenausstellung unter dem Titel "Influencers" in der Galerie Hussenot in Paris, einige der im Shop vertretenen Brands wie Nike und Red Bull waren wieder dabei.
Ja, ich versuche langfristige Partnerschaften mit Brands einzugehen. Red Bull ist ein Energy Drink, das Ziel ist körperliche und geistige Leistungssteigerung. Nike repräsentiert Leistung und Transzendenz. Diese Konzepte stehen für das 21. Jahrhundert und seine Herausforderungen: Performance und Selbstoptimierung.
Nach welchen Kriterien haben Sie die Beiträger zur Gruppenausstellung "Influencers" ausgewählt? Neben den Künstlern Constant Dullaart und Ed Fornieles waren beispielsweise das @world_record_egg und Johanna Jaskowska dabei, die unter dem Pseudonym @johwska mit AR-Filtern wie "Beauty3000" und "Narcisse" international bekannt wurde.
Ich wollte eine Gruppenausstellung über Influencer und Influencer-Marketing machen. Eine Ausstellung also, die Künstler, Kreative, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Marken, Youtube, Playlists und mehr beinhaltet. Eine Ausstellung, die unsere neuen soziokulturellen Strukturen abbildet. Ein Kriterium war die Auswahl von Werken und Personen, die in ihrem Bereich eine Rolle spielen, sei es in der Choreographie The Backpack Kid, in der Musik mit PC Music oder QT, in der Fotografie mit Hannah Diamond oder Winter Vandenbrink, im Branding mit Nike und Red Bull. In der Ausstellung hebe ich neue Genres hervor, zum Beispiel AR-Filter mit Johanna Jaskowska, die die Cyborg-Ästhetik in den Mainstream brachte. Ich stelle nicht-menschliche Influencer wie das @world_record_egg vor, das kürzlich den Like-Weltrekord gebrochen hat. Das Ei steht für den Druck der perfekten Selbstinszenierung.
Das World Record Egg hat die Aufmerksamkeit auf ein sehr ernstes Thema gelenkt. Ein Ei, also ein Foto von einem Hühnerei, sollte mehr Likes bekommen als die aktuelle Weltrekordhalterin Kylie Jenner. Es ist geglückt. Unter dem Druck ist das Ei geplatzt. Die Botschaft: Wer unter dem Druck in den sozialen Medien leidet, soll sich Hilfe holen.
Das Ei hat gezeigt, dass sich Einfluss positiv auswirken kann. Plötzlich haben Millionen von Menschen versucht, gemeinsam ein Ziel zu erreichen.
Sie selbst hatten schon vor einiger Zeit Ihre Camera Roll öffentlich ausgestellt. Haben Sie sich damit vom Druck der perfekten Selbstinszenierung befreit?
Nein, weil ich normalerweise nur Fotos aufbewahre, die ich mag. Und ich räume regelmäßig meine Camera Roll auf. Ich verwende Bearbeitungsprogramme wie Meitu, um mein perfektes Ich präsentieren zu können. 80 Prozent der Inhalte auf meinem Smartphone sind Fotos und Videos von meinen Reisen, von Dingen, die ich esse, Screenshots von Dingen, die ich mag, Memes und so weiter. Das Ausstellen meiner Camera Roll war eine weitere Möglichkeit, meine Arbeit zu teilen und weitere Seiten meiner verschiedenen Projekte roh zu zeigen.
Sie thematisieren Konsum, Self-Branding und Selbstinszenierung im digitalen Zeitalter. Üben Sie Konsumkritik?
Ich promote das 21. Jahrhundert. Alles dreht sich heute um Performance, Selbstoptimierung und Künstliche Intelligenz. In den letzten Jahrhunderten ging es um Freiheit und Kritik beispielsweise. Ich möchte, dass die Menschen die Welt der sozialen Medien verstehen und akzeptieren. Dann ist Raum, sich Gedanken über die Zukunft zu machen und Ideen zu entwickeln.