Ingrid Wenzel, in Ihren Cartoons verbinden Sie Kunst und Witz. Warum kann die Kunstwelt ein bisschen mehr Humor ganz gut vertragen?
Ich glaube, dass die Kunstwelt nicht nur viel mehr Humor vertragen kann, sondern auch selbst total viel Humor liefert. Dafür muss man sie nur mit offenen Augen betrachten und für komödiantische Assoziationen und Gelegenheiten offen bleiben. Humor ist auch eine Chance, um Kunstverständnis zu fördern und Menschen den Zugang zu Kunst zu erleichtern. Aber manchmal mache ich mich auch einfach gerne lustig über Dinge, die im Museum passieren. Ich bin zum Beispiel mal an einem Gerhard-Richter-Gemälde vorbei gelaufen, vor dem eine Frau stand, die laut vorlas, wer es malte: "Ach, eine Gertrude Richter!" Sowas kann ich mir nicht ausdenken, das ist zu schön.
Neben Ihrer Tätigkeit als Illustratorin und Stand-up-Comedian sind Sie auch studierte Kunsthistorikerin. Welche neue Perspektive ermöglicht Ihnen die Auseinandersetzung durch Cartoons auf die Kunst?
Während meines Studiums in Bochum und Stockholm habe ich die Kunstszene immer als etwas spaßbefreit empfunden. In meinen Referaten habe ich beispielsweise immer gerne kleine Witze gemacht, über die dann jedoch keiner gelacht hat. Humor wird immer verstanden als "sich über etwas lustig machen", dabei ist Lachen ja gerade etwas Verbindendes. Für mich ist Humor vielmehr die Auseinandersetzung und Wertschätzung der Kunst. Ich möchte die Kunst nicht bloßstellen, sondern durch Humor noch mehr auf den Punkt bringen und einen neuen Zugang schaffen. Ich kann mir vorstellen, mal eine Comedyshow in einem Kunstmuseum zu machen, als neue Art der Kunstvermittlung. Genauso, wie man die Ikonografie bei der Betrachtung eines historischen Gemäldes lesen lernen muss, braucht man bei meinen Cartoons Kenntnis und Vorwissen, um den Witz in ihnen zu verstehen. Ich mag also beides, Humor als Zugang zu Kunst und Kunst-Humor.
Können Ihre Cartoons auch als eine Kritik an der Kunstwelt gelesen werden?
Meine Cartoonreihe ist keine direkte Kritik an der Kunstwelt, aber kann durchaus einen Diskurs eröffnen. Als Beispiel, ich fand Banksys Schredderaktion ja schon lustig. Das Motiv gibt es auf Tassen und Kissen. Seine Kritik am Kunstbetrieb und der Kommerzialisierung seiner Kunst überspitze ich noch, indem ich mir ein verkäufliches Produkt seiner Kunst geschreddert vorstelle. Ich übertreibe also etwas, was eh schon existiert. Wenn ich das Fransenkleid wirklich einmal im Museumsladen sehen sollte, weiß ich nicht, ob ich lachen oder schreiend in einen Schredder rennen soll.
Mit einer der letzten "Tatortreiniger"-Folge oder dem neuen Netflix-Film "Velvet Buzzsaw - Die Kunst des toten Mannes" gab es kürzlich wieder einige Produktionen, die mit den Klischees der Kunstwelt spielen. Würden Sie sagen, dass Kunst-Cartoons vielleicht auch Gefahr laufen, diese Klischees zu reproduzieren?
Absolut. Klischees sind leider immer der einfachste Weg zu einer Pointe. Dieses "Ist das Kunst oder kann das weg?" kann ich nicht mehr hören. Es ist leider immer einfacher zu sagen: "das kann ich auch", als sich wirklich mit abstrakter Kunst auseinanderzusetzen. In meinen Zeichnungen reduziere ich ein komplexes Kunstwerk auf ein imaginäres, verkäufliches Produkt. Für mich ist das mehr Hommage als Klischee. Mal mache ich mich über ein markantes Merkmal der Kunst oder die Rezeption und Vermarktung lustig. Als ich beispielsweise vor dem Rothko-Original stand, auf das sich mein Badewannen-Cartoon bezieht, hörte ich eine Besucherin sagen: "Hm, das ist ja nur rot-blau." Nicht die Kunst selbst, sondern ihre Betrachtung versuche ich mit dem Badewannen-Cartoon zu karikieren. Ich würde das Badeöl übrigens trotzdem kaufen, eher als eine Postkarte oder einen Seidenschal.
Was unterscheidet die sprachliche und die zeichnerische Auseinandersetzung mit der Kunst?
Bei einem Bild ist immer schön, dass man zeigen kann, worüber man redet. Ich kann schnell verständlich etwas darstellen, was es nicht gibt. Stand-up ist ein wortlastiges Medium, es ist sozusagen das Malen von Bildern in den Köpfen der Zuhörer. Das ist die Verbindung beider Sparten. Ich glaube, wenn ich die Cartoons nur mit Worten beschreiben würde, könnte niemand folgen. Das gesprochene Wort muss immer in der Realität verankert sein und das Publikum sieht nur mich auf der Bühne. Dafür ist man bei Stand-up viel auf Reaktionen angewiesen. Ich kenne mein Publikum im Vorfeld nicht und muss erst herausfinden, wofür es sich interessiert. Es ist ein Gespräch, für das ich die Zügel in der Hand habe und bei dem ich auch auf die Zuhörer eingehen kann. Bei Kunst muss ich ja selber wissen, dass sie gut ist, aber bei Stand-up Comedy weiß ich erst, ob mein Witz gut war, wenn die Leute lachen.
Woran arbeiten Sie aktuell?
Neulich habe ich mich wieder an eine lustige Situation erinnert: Ich war kürzlich in einer Ausstellung mit lauter Landschaftsmalereien und dachte bis zu dem Zeitpunkt, dass Selfiesticks das Schlimmste seien - doch dann sind Leute mit Nordic-Walking-Sticks an mir vorbeigelaufen! Daraus will ich noch eine Zeichnung oder eine Comedynummer basteln. Ansonsten schreibe und zeichne ich jeden Tag und trete fast jeden Tag auf, das ist eine wunderbare Mischung.