Kinofilm "In Liebe, Eure Hilde"

Als wäre es ein Stück von heute

Jemand, der still das Richtige tut: In seinem neuen Film "In Liebe, Eure Hilde" erzählt der Regisseur Andreas Dresen sanft und eindringlich die Geschichte der NS-Widerstandskämpferin Hilde Coppi 

Sommer, Sonne, ein Berliner Laubenidyll. Andreas Dresens Film über eine junge Frau im Widerstand gegen die Nazis hebt mit dem Anfang vom Ende an. 1942 wird die Berliner Versicherungsangestellte Hilde Coppi auf ihrem Grundstück in Tegel verhaftet. Die jungverheiratete Frau versucht nicht zu fliehen, aber ihr Blick verrät die Furcht vor den kritischen Blicken der Ermittler: Wie linientreu steht Hilde zum nationalsozialistischen Regime?

Der Film "In Liebe, Eure Hilde" soll laut dem Regisseur Dissidentinnen und Widerstandskämpfer nicht heldenhaft glorifizieren. "Was mich total berührt hat, das war die Erzählung einer Frau, die auf so stille Art anständig ist", sagte Andreas Dresen zur Premiere auf der Berlinale im Februar. "Für mich war es das Spannende, dass da jemand nicht mit erhobener Faust voranmarschiert und eine Ideologie vertritt, sondern still das Richtige tut. An solchen Menschen kann man sich ein Beispiel nehmen – wie man anständig lebt."

Hilde und Hans Coppi, hier eindrucksvoll verkörpert von Liv Lia Fries und Johannes Hegemann, waren Mitglieder des unter dem Namen "Rote Kapelle" bekannt gewordenen Widerstandsnetzwerks. In Ostdeutschland wurden sie als Helden gefeiert, im Westen seit dem Kalten Krieg als Sowjetspione diskreditiert. In Dresens Film erfährt man in unzähligen Rückblenden, was die NS-Behörden ihnen vorwerfen, man erfährt es ganz beiläufig, in kleinen, aber umso wirkungsvolleren Details. 

Ein Passionsweg zum Fallbeil

Nachdem Hilde im Frauengefängnis Barnimstraße ihren Sohn zur Welt gebracht hat, kümmert sie sich auf der Krankenstation um Mitgefangene. Sie gibt anderen Halt, um selbst nicht zu verzweifeln – an der Trennung von ihrem Baby, an der Ungewissheit, was ihren geliebten Mann Hans betrifft.

Während sich die Erzählgegenwart zunehmend verdüstert, läuft der Erinnerungsstrang sozusagen rückwärts, von den dramatischen zu den entspannteren Situationen. Die letzte Rückblende zeigt einen unbeschwerten Tanzabend am Wannsee, die Feier, auf der sich Hilde und Hans kennenlernen.

Das steht im bitteren Kontrast zur Hinrichtung der Frauen der "Roten Kapelle"; ein Passionsweg zum Fallbeil, den Dresen erbarmungslos realistisch in Szene setzt. In einer halben Stunde wurden am 5. August 1943 13 Frauen hingerichtet. Hilde Coppi war damals 34 Jahre alt.

Alle haben ihre menschlichen Seiten

Als wäre es ein Stück von heute – vielleicht zeichnet sich eine nicht allzu ferne Zukunft ab – zeigt Dresen eine Jugend unter staatlichem Druck. Die Gesichter der Hauptdarstellerin und ihrer Mitstreiter scheinen im Gefängnis um Jahre zu altern. Der Realismus und die Lebensnähe werden aber mit einer Abmilderung der Antagonistinnen und Nazi-Beamten erkauft: Vom Ermittler bis zu den Aufseherinnen im Krankenhaus – alle haben ihre menschlichen Seiten, niemandem kann man so ganz Empathie und Menschlichkeit absprechen. Aber wie funktioniert so ein System, wo haben sich die Nazis, Rassisten und Schreibtischtäter versteckt?

Das große Plus des sanften und gerade deshalb eindringlichen Dramas sind die grandiosen Schauspieler; bis in die kleinsten Rollen ist der Film hervorragend besetzt. Nicht zuletzt mit Alexander Scheer als Plötzenseer Gefängnispfarrer, dem Hilde vor ihrer Hinrichtung den Abschiedsbrief diktiert, der mit schlicht-anrührenden Zeilen endet: "In Liebe, Eure Hilde".