Verheddert. Nur mit Mühe lässt sich die Brille aus den herabhängenden Fäden fummeln. Davor ist man in Lygia Clarks dunklem Korridor über Bälle auf dem Boden gestakst und wurde von einem Gebläse angepustet. Die Brasilianerin schuf den Hindernisparcours im Jahr 1968, als sie vor der Militärdiktatur in ihrer Heimat nach Paris geflohen war. Zeitgeschichte wird Raumgefühl: Das Environment "Das Haus ist der Körper" nimmt einen buchstäblich gefangen.
Zwölf Environments, teils aufwendig rekonstruiert, sind im Münchener Haus der Kunst zu sehen. Die Schau "In anderen Räumen" gerät zum aufregenden Wechselbad. Neben Clarks düsterem Entwurf ist eine von Tania Mouraud konzipierte Kammer begehbar, in der grelles Licht und starke Hitze herrschen ("We used to know"). Und wer in Faith Wildings "Womb Room" verharrt, wähnt sich in einem (kunstvoll gewebten) Spinnennetz.
Andererseits: die Wohlfühlräume. Von Marta Minujín, einer Pionierin des Environments, stammt eine Höhle aus bunten Kissenwülsten, in der man einschlummern möchte. In Judy Chicagos lichtdurchflutetem "Feather Room" darf man nach Herzenslust in einem Meer künstlicher Daunen herumtoben.
Verdrängter Anteil von Künstlerinnen an der Raumkunst
Unterkomplex? Wer hier Bällebäder in Möbelhäusern assoziiert, ignoriert die historische Ausrichtung der Schau, die eine Zeitspanne zwischen 1956 und 1976 absteckt und den verdrängten Anteil von Künstlerinnen an der Raumkunst hervorhebt.
Das Environment, das sich als sinnlich-immersive Sonderform der Installation beschreiben lässt, wirkt in der heutigen erlebnisorientierten Konsumkultur museal. Dafür haben wir es mit einer neuen Form von Immersion im digitalen Raum zu tun. Im Obergeschoss des Museums läuft parallel das Solo von WangShui, das auf der Interaktion von KI und Mensch beruht. Die Ausstellungen ergänzen sich perfekt.