Mit einer Frage - ohne Fragezeichen - empfängt die Ausstellung Imi Knoebels die Besucher der Pariser Galerie Thaddaeus Ropac: "Was machen Sie denn". Das erinnert erstmal ein wenig an Janosch. Und vielleicht steckt in der Frage auch ein klein wenig der Humor, für den Imi Knoebel bekannt ist. Allerdings darf sich der Betrachter keine großen Antworten vom Künstler selbst erwarten. Ebenfalls berühmt ist Knoebel nämlich für seine Wortkargheit. Die Antwort liegt eher im Dialog des Betrachters mit dem Werk und dem Schaffensprozess des Künstlers. Und der befindet sich zwischen Selbstreflexion und kontinuierlicher Suche nach dem Material, den Grenzen zwischen Skulptur und Malerei.
Im Eingangsbereich der Galerie hängt die Serie "Big Girls". Die Arbeiten sind Skulpturen und Gemälde zugleich: schwere Aluminiumplatten, mit mehreren Schichten Acrylfarbe bemalt. Die sichtbaren Pinselstriche ergeben ein reliefartiges Bild, dessen Intensität und Formgebung je nach Standort des Betrachters wechselt. In manchen von Ihnen spielt der Künstler mit einer speziellen gelben Farbe, die den Bildern Leuchtkraft gibt. Was der Ausstellungsbesucher nicht weiß: Wenn sie lange genug einer Lichtquelle ausgesetzt waren, leuchten die Bilder im Dunkeln. Das wirkt beinahe wie ein verschmitztes Augenzwinkern des Künstlers. Eine spielerische Freude, die den Werken Jugendlichkeit verleiht.
Rosa ist eine warme Farbe
Die "Big Girls" sind die großen Schwestern, eine Art Vorstufe zu den "Figuras". Sie sind die Hauptwerke der Ausstellung, Gemälde auf Aluminium, deren Formen der strengen Geometrie entfliehen. Da gibt es Rundungen und Einbuchtungen, manche erinnern an Körperteile. Den Torso einer Frau meint man in verschiedenen Arbeiten zu erkennen. Nur zwei Werke sind streng geometrisch: eines davon eine Aluminiumarbeit, die mit Blattgold belegt ist: "Golden Flag".
Die Werke strahlen warme Sinnlichkeit aus und haben gleichzeitig durch die pastelligen Farben etwas Verspieltes und Zärtliches. Die "Figuras“ lassen in ihren leuchtenden Farben an Werke aus den 70er-Jahren wie "Grünes Siebeneck" denken - das nicht grün, sondern rosa ist. Die warme Farbe zieht sich durch Knoebels Werk, wie bei "Grace Kelly" (1994) und "Anima Mundi" (2011) oder auch in den Glasfenstern der Kathedrale von Reims (2011-2015).
Aber diese neuen Arbeiten sind dennoch anders. Die freien, fast frechen Pinselstriche und die organischen Formen heben die Ausstellung ab vom sonst nüchtern und leicht spröde wirkenden Werk Imi Knoebels. Sie atmen einen fast rebellischen Geist, den einer Wiederentdeckung der Malerei, der Sinnlichkeit der Formen.
Grenzen, die gesprengt und doch wieder gesetzt werden müssen
Von dieser Renaissance zeugen die 36 Zeichnungen im ersten Stock der Galerie. Sie sind eigentlich eine Art Studie zu den "Big Girls" und den "Figuras". Das Schaffensprozess ist hier deutlich erkennbar, das Experimentieren mit Farben und Formen, die freie Pinselführung. Die Zeichnungen zeugen von der Suche nach den Grenzen, die gesprengt oder dann doch wieder gesetzt werden müssen.
So kam auch der Titel der Ausstellung zustande. Soviel gibt Imi Knoebel dann doch preis, als er bei der Ausstellungseröffnung die Geschichte hinter dem Titel erzählt. Eine Kuratorin habe ihn während der Schaffensphase der Werke im Atelier besucht, und beim Anblick der expressiven Malerei fast entsetzt ausgerufen: "Was machen Sie denn?".
Beim Zuschauer stellt sich eher das gegenteilige Gefühl ein: Ein freudiges Erstaunen darüber, wie sich in Imi Knoebels aktuellem Werk Neues zu bereits Bekanntem gesellt und zu einem poetischen Ganzen wird. Etwas, was den Künstler schon immer auszeichnet: sein innerer Antrieb zur ewigen Freiheit eines Neubeginns.