Baukastenprinzip, leuchtend weiße Fassade, Wintergarten: das Haus Auerbach in Jena, eines von nur sechs privaten Wohnhäusern, die Walter Gropius in Deutschland realisierte, erstrahlt heute wieder als mustergültiges Beispiel moderner Architektur, und selbst für den Hund des Hauses gibt es hier einen bauhausgerechten Schlafplatz.
Seinen guten Zustand verdankt die Villa Auerbach ihren heutigen Besitzern Barbara Happe und Martin Fischer, die das Haus 1993 völlig runtergekommen kauften und es dann, dem Entwurf von Gropius entsprechend, restaurieren ließen. Unter brauner Tapete versteckt, kam so auch die originale Wandfarbe der Innenräume zum Vorschein. Die Komposition aus Blau-, Grau-, Gelb- und Rosatönen geht auf das Farbkonzept von Alfred Arndt zurück. Bis zum Fund im Haus Auerbach war unklar, ob die Farblehre des Bauhaus-Meisters je in einem Haus umgesetzt wurde. Die Villa Auerbach ist ein Stück Architekturgeschichte, ein ikonisches Haus und als Privatbesitz von der weitsichtigen Instandhaltung seiner Bewohner abhängig.
Was es bedeutet, als Privatbesitzerin Verantwortung für ein modernes Architekturdenkmal zu übernehmen, weiß auch Natascha Drabbe. Nachdem ihr Ehemann, der niederländische Architekt Mart van Schijndel, 1999 verstarb, erbte sie sein Haus in Utrecht, für das er 1995 den Rietveld-Preis erhalten hatte. Der Architekturhistorikerin war bewusst, dass das Haus den Geist des Architekten am Leben halten würde und so öffnete sie es für ein architekturinteressiertes Publikum. Das Haus ist heute mehr Museum als privater Ort, ein Bau, der fast alle Desginideen, die van Schijndels im Laufe seines Lebens entwickelte, unter einem Dach vereint. Doch den Urzustand des Gebäudes bis ins letzte Detail zu bewahren, ist schwieriger als man denkt. So werden zum Beispiel die Lichtschalter, die van Schijndel einst installieren ließ, nicht mehr gefertigt. Man müsse improvisieren und abgenutze Schalter durch diejenigen ersetzten, die sich in Schränken verstecken und weniger in Gebrauch seien, meint Drabbe.
Die Herausforderungen, vor die sie das Van-Schijndel-Haus stellte, führten schließlich zur Gründung des Netzwerks Iconic Houses, zu dem auch das Auerbach-Haus in Jena gehört. Auf der Suche nach ähnlichen Projekten, auf deren Erfahrungswerte man zurückgreifen könnte, stellte Drabbe fest, dass es kaum Medienpräsenz privat geführter Achitektenhäuser gibt. Deshalb beschloss Drabbe, Besitzer moderner Hausikonen miteinander zu verbinden, um Restaurierungsfragen zu klären, Experten an Besitzer zu vermitteln oder sich über Fördermöglichkeiten auszutauschen. Ein neuer Schwerpunkt liegt seit einiger Zeit darauf, moderne Hausikonen zu dokumentieren, deren Verbleib unklar ist, die bereits stark geschädigt sind oder sogar zerstört wurden, wie das Steimel-Haus des 2007 verstorbenen Architekten O.M. Ungers.
Bei Iconic Houses sind mittlerweile 150 Häuser der Moderne gelistet, vor allem in Europa und den USA. Die Architecktenhäuser, Künstler- und Designstudios können alle besichtigt werden und zum Teil sind sogar Übernachtungen à la Airbnb möglich. Die Seite ist damit auch eine Schatzkarte für Architekturtouristen.
Tatsächlich in einem ikonischen Haus zu sein, das Licht, die Geräusche und den Geruch der Materialien zu erfahren, sei etwas völlig anderes, als lediglich Bilder zu sehen, weiß Natascha Drabbe. Bei einem Besuch des legendären Frank-Lloyd-Wright-Hauses Fallingwater, im im US-Bundesstaat Pennsylvania direkt über einem Wasserfall gebaut ist, wunderte sich die Direktorin des Hauses, von der Drabbe durch den Bau geführt wurde, warum die Stimmung der Räume heute so anders sei. Bis sie feststellte, dass durch die extremen Temperaturen, der Wasserfall eingefroren war und das übliche Rauschen fehlte.
Als Highlight für das Bauhaus-Jahr empfielt Drabbe, neben dem Auerbach-Haus und der Villa Tugendhat von Mies van der Rohe, das Alan I W Frank Haus, das sich nur unweit von Fallingwater in Pittsburgh befindet. Walter Gropius baute das Haus 1939 gemeinsam mit seinem ehemaligen Studenten Marcel Breuer. Das mehrstöckige Gebäude, das 1500 Quadratmeter umfasst, ist das größte Projekt für einen Privatbesitzer, das beide Architekten realisierten, nachdem sie Nazideutschland 1933-34 verlassen mussten und schließlich als Architekturprofessoren in Harvard landeten. Auch die Innenausstattung des Hauses, von den Sitzmöbeln bis zu den Vorhängen, die heute noch originalgetreu erhalten ist, entwarfen beiden Bauhaus-Vertreter. Sie zeugt von der Weiterentwicklung des Bauhaus-Stils hin zu organischeren Formen.
Der Besuch eines Hausmuseums macht neben Architekturgeschichte nicht selten auch die Geschichten seiner früheren Bewohner und damit Kultugeschichte en miniature erfahrbar. In Jena ist die Geschichte sehr viel tragischer als im Haus der industriellen Familie Frank in Pittburgh. Der jüdische Wissenschaftler Felix Auerbach und seiner Frau, die das Haus in Jena 1924 bei Gropius in Auftrag gaben, als das Bauhaus in Thüringen bereits von rechtskoservativen Kräften angefeindet wurde, nahmen sich 1933 nach der Machtübernahme der Nazis das Leben. Die heutigen Besitzer Barbara Happe und Martin Fischer, die das Haus vor seinem Verfall retteten, haben auch diese Geschichte bewahrt und in einem Buch veröffentlicht.
Dass man das Ehepaar in ihrem Haus besuchen kann und damit Gropius' erste Realisation des Baukastenprinzips anschauen kann, ist nicht zuletzt Natascha Drabbe von Iconic Houses zu verdanken, die die beiden animierte, die Türen ihres Zuhauses zu öffnen.