Herr Frei, Sie beschäftigen sich mit alltäglichen Dingen. Wie ist Ihr Verhältnis zu Kaffee?
Moritz Frei: Speziell. Bis zum April diesen Jahres hatte ich in meinem Leben noch niemals welchen getrunken. Kaffee ist für mich ein Faszinosum, dem ich in meiner aktuellen Ausstellung "Die Kaffeemaschine des Direktors" im Museum Wiesbaden auf den Grund zu gehen versuche. Mich interessierte die gewaltige Spanne zwischen Automatenkaffee und gutem Espresso, der kaum mehr als drei Schlückchen beinhaltet. Außerdem seine gesellschaftliche Bedeutung, sein Suchtpotential und seine Fähigkeit, Schwarz-Weiß-Barytfotografien zu färben.
Erinnern Sie sich daran, wie sie "Der Himmel über Berlin" zum ersten Mal gesehen haben, in dem wiederum der Engel Damiel zum ersten Mal Kaffee trinkt?
Der erste Kaffee im Film interessierte mich zunächst gar nicht weiter. Viel spannender war für mich, der 1994 erstmalig nach Berlin gezogen ist, die Darstellung der Stadt der 80er-Jahre. Das Schweben über ICC und der AVUS, Bruno Ganz mit Rüstung unterm Arm unter der U1, Peter Falk im Bunker in Schöneberg, die Imbissbude am Anhalter Bahnhof und das Zirkuszelt im heutigen Theodor-Wolff-Park mit dem Tommy-Weisbecker-Haus im Hintergrund. Viele dieser Orte sahen 1994 den Aufnahmen im Film noch sehr ähnlich, wenn man mal von der Mauer absieht.
In Wenders' Film ist das Ritual des Kaffetrinkens für Damiel ein Schritt zur Menschwerdung. Was interessiert sie an der Filmszene so?
Am stärksten erinnere ich mich an den Übergang von Schwarz-Weiß zu Farbe, das Empfinden von Kälte und Wärme, wenn Damiel den Plastikbecher mit Kaffee in den Händen hält, und die modisch gewagte Garderobe, die der Mensch gewordene Engel gegen seine Rüstung eintauscht. Letzteres als wunderbares Indiz dafür, dass er noch kein Schamgefühl empfindet. Dabei muss ich an ein Zitat von einem aufgebrachten Homer Simpson denken, nachdem alle seine weißen Hemden aus Versehen rosa verfärbt wurden: "I'm not popular enough to be different."
Wie haben Sie Bruno Ganz, der damals Damiel spielte, dazu bewegen können, in Ihrem Film über das Kaffeetrinken zu sprechen?
Ich kannte Bruno Ganz zuvor nicht, doch in meinem Bekanntenkreis stellten sich mehrere entfernte Verbindungen zu ihm heraus. Ich habe ihm dann einen sehr persönlichen Brief mit meinem Anliegen geschrieben, meine erste Einzelausstellung in einem Museum und seine sowie meine "erste Tasse Kaffee" miteinander in Verbindung bringen zu wollen. Ich schrieb ihm außerdem, dass potentielles Scheitern produktiver Bestandteil meiner Arbeit ist, ich mir es in diesem speziellen Falle aber in Form einer Absage seinerseits am wenigsten wünschen würde. Erstmal passierte überhaupt nichts, dann klingelte mein Telefon: "Guten Tag, hier spricht Bruno Ganz, ich habe Ihren Brief gelesen, …" Fünf Monate später konnte ich ihn besuchen und den Film drehen.
Welche Fragen wollten Sie mit Bruno Ganz eigentlich klären?
Da ich bis dato noch nie Kaffee getrunken hatte, schien er als eine Art Spezialist für erstmaliges Kaffeetrinken, da er dies ja bereits zweimal in seinem Leben getan hatte, was sonst die wenigsten von sich behaupten können. Ich wollte ganz einfach wissen, wie sich das anfühlt. Ich glaube, dass vor laufender Kamera noch nie so ernsthaft und fesselnd über Kaffee gesprochen wurde. Wer jetzt an Jim Jarmuschs "Coffee and Cigarettes" denkt, wird feststellen, dass es in den Gesprächen kaum um Kaffee geht.
Ganz am Ende des eindringlichen Vortrags von Bruno Ganz über Kaffee gehen sie gemeinsam mit ihm einen trinken – Ihren ersten. Und, wie war's?
Bruno Ganz trinkt Espresso, ohne Zucker. Genau das haben wir dann auch getan. Zunächst fand ich vor allem die Prozedur spannend: Erst Wasser trinken, dann die drei kleinen Schlückchen. Espresso ohne Zucker ist seitdem, neben grünem Tee, meine erste Wahl bei Heißgetränken. An Automatenkaffee habe ich mich noch nicht herangewagt.